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Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel und die mit ihm verwandten Geschäftszweige. Elgenthum de» BörsendcrelnS der Deutschen Buchhändler. 260. Leipzig, Mittwoch de» 6, November. Nichtamtltcher Theil. 1872. Schriftsteller und Verleger vor hundert Jahren. (Abdruck untersagt nach dem Gesetze vom tl. Juni 1870. 8- 7.) „Alle Arbeit, mithin auch die des Schriftstellers, hat Recht aus Lohn." Dieser Satz, den ein Autor des vorigen Jahrhunderts im Deutschen Museum (Februar 1784) wider de» Nachdruck ins Feld führt, sagt theoretisch das Richtige. Praktisch richtig wird er erst, so gefaßt: „Alle Arbeit, mithin auch die des Schriststellers,. hat das Recht, Lohn zu suchen." Hiermit tritt der Schriftsteller in die große Reihe Derer, die den Kampf um das Dasei» zu führen haben und ihre Thätigkeit in jeder Weise sür sich zu verwerthen be strebt sind. Dem moderucn Schriststellei erleichtert die Gesetzgebung sein Streben nach Loh» IN jeder Weise. Er versuche, um sein Geistes- product möglichst auszunutzen, den Weg des Selbstverlags, so deckt ihm das Gesetz den Rücken, er schließe einen Vertrag mit eincutVer leger, so schützt ihn in diesem, seinem Rechtsnachfolger, ebenfalls das Gesetz. Und ebenso, wie dieses dem Nachdruck vorbeugt, ge währleistet cs den Erben des Schriftstellers dreißig Jahre nack dessen Tode die Nutzungsmöglichkeit von dessen geistiger Arbeit. Gestützt auf die Erfahrungen früherer Generationen macht der moderne Schriftsteller jedoch von seinem Recht, durch Selbstverlag möglichst viel Loh» aus seiner Arbeit zu ziehen, sehr wenig Ge brauch. Ja man darf sogar sagen, daß der Selbstverlag möglichst vermieden wir!> weil man weiß, wie dem bücherkaufenden Publicum die verlegende Buchhandlung durch ihren Namen schon sür den Werth der Schrift einige Bürgschaft gibt. Man liebt es daher da, wo sich höchstens eine Firma dazu versteht, den commissionsweisen Debit zu übernehmen, dieses Verhältniß dadurch zu verdecke», daß der Commissionsverlegcr dem Titel des Buches seine Firma als wirkliche Verlagsfirma ausdruckt. So gewiß hierdurch eine Schrift nichts au Werth gewinnt, so wird doch der für den Autor und seine Arbeit störende Gedanke vermieden, an dem Druck der Schrift sei mehr die Voreingenommenheit ihres Verfassers als ihr Werth schuld. So greift der moderne Schriftsteller zum Selbstverlag nur un gern ; das für ihn Naturgemäßes»! ist, sich einen Verleger zu ge winnen, der ihm für feine Arbeit Lohn gewährt und ihm das Geschäftliche abnimmt. , Er gesteht damit stillschweigend ei», daß der Buchhändler von heute etwas mehr zu sein habe, als sein Commisstonär, der die Herstellung des Drucks überwacht, die Rcnnuiiddreißigster Jahrgang. Versendungen vornimmt und die Schlußabrechnungen besorgt. Und wenn er auch, wie die Bcrathung des Nachdruckgesetzes im Reichstag des Norddeutschen Bundes (Frühjahr 1870) gezeigt hat, gern die Gelegenheit benutzt, den Buchhandel mit guten Lehren zu versorgen und mit Vorwürfe» gegen den modernen Verleger nicht sparsam zu sein, so hütet er sich doch sehr, von den Vortheile» des Selbstverlags Gebrauch zu machen, von dem frühere Generationen so viel Vor theile erhofften, so verschwommen auch seine Kenntniß der Vortheile ist, die seinen Vorgängern aus der genannten Ausführung des Satzes erwuchsen: „Alle Arbeit, mithin auch die des Schriftstellers, hat das Recht auf Lohn." Von de» Bewegungen aber, die in der zweite» Hälfte des vorigen Jahrhunderts aus literarisch-buchhändlerischem Gebiete heftige Verstimmungen, ja offene Feindschaft der beiden betheiliglen Parteien zur Folge halten und mit der stillschweigenden Ausglei chung des Streites zu Gunsten der Verleger endeten, soll hier die Rede sein. I» der Zeit, da Goethe geboren ward und Lcssing i» Leipzig studirte, bewegte sich der deutsche Buchhandel im Ganzen noch in den Geleisen, in denen er sich von jeher bewegt hatte. Man war noch Verleger und Sortimenter in einer Person, brachte, was man seit der letzten Miesse gedruckt hatte, nach Leipzig oder Frankfurt a. M., und bezahlte mit dem eigenen Verlag die Artikel, die man den Geschästsverwandten abnahm. Der Verkehr war also fast nur Tauschverkehr, etwaige Saldoreste wurden durch Baarzahluug aus geglichen, blieben auch wohl bis zur nächsten Messe unerledigt. Der zu diesem Verkehr nöthige Verlag wurde in mancherlei Weise zusammengebracht. Zunächst durch rechtmäßige Erwerbung von Manuskripte», die, wie uns alte Eontracte der Wcidmannschen Buchhandlung zeigen, damals »och vorherrschend ein für allemal gekauft wurden. So übernimmt der Hofrath Weidmann im Jahr 1742 einen Jahrgang der Predigten des Professor Teller in Leipzig und zahlt für den Bogen einen Spcciesthaler Honorar, und werden 50 Thaler dieses Honorars ausdrücklich nach Contract in Büchern geliefert. So verkauft der Superintendent Hofmann 1746 in Leipzig einen Jahrgang seiner Predigten, den Bogen zu einem Spe- eiesthaler, ebenso 1748 I. F. Bahrdt, der Vater K. F. Bahrdl's, Prediger zu St. Petri in Leipzig, an Frau Hofratb Weidmann einen Jahrgang seiner Predigten für eine» Reichsthaler sechzehn Gro schen den Bogen. Keiner dieser Eontracte enthält eine Bestimmung, wie es etwa bei neuen Auflagen gehalten werden soll. Mit dem Empfang des Honorars hatten also die Verfasser aus alle ihre recht liche» Ansprüche an das Manuskript entsagt. Spätere Eontracte enthalten dann häufig Bestimmungen sür den Fall neuer Auflagen. . So empfängt der Leipziger Professor Fabricius sür den Dogen. S62