Volltext Seite (XML)
1194 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 22, 28 Januar 1910. (Di- Philippl) behörde Unrecht, so würde es ihn doch bestrafen müssen, weil er nicht sofort Gehorsam geleistet hat. (Sehr richtig!) Das nützt also nichts! Er würde schließlich recht bekommen können, wenn die Sache durch alle drei Instanzen getrieben ist; also zu einer Zeit, wenn jegliches Interesse an der Ausstellung des betreffenden Gegenstandes verloren ist. Deshalb bietet auch das Gericht nicht die allergeringste Garantie gegen irgendeinen Mißgriff. Wir müssen daher von jedem Gesichtspunkte aus zur Ablehnung des Antrags kommen. Es bleibt nur noch eine Erwägung übrig: Die ganze Be stimmung ist an sich wichtig; sie hat diese Wichtigkeit aber nur für ein begrenztes Gebiet. Noch viel wichtiger ist sie aber des halb, weil sie der Anfangspunkt viel weitergehender Maßnahmen sein würde. Wenn alles das geschehen würde, was der Ausschuß beantragt, wenn unsere Straßen die Einrichtung besserer Kinder stuben zeigten, wenn man in den Schaufenstern nur Bücher von Ottilie Wildermuth und Logarithmentafeln sähe (Heiterkeit): dann wäre der Einfluß der schlechten Lektüre natürlich nicht beseitigt, sondern die Jungen würden nach wie vor Räubergeschichten lesen und den Eltern weglaufen und Gott weiß was tun. (Sehr richtig!) Dann würden aber dieselben Herren wiederkommen und sagen: »Das hat nichts genützt; wir wollen doch die Jugend schützen; weshalb wollen wir Narren sein und draußen bei den Schau fenstern stehen bleiben? Laßt uns in die Bücherläden hinein gehen und beschlagnahmen, was unserer Jugend schädlich ist!« Und sie würden weitergehen und sagen: »Wir wollen nicht nur die Kinder schützen! Was wollen wir die Erwachsenen, unter denen sich sehr viele unvernünftige Leute befinden, vergiften lassen!« Ich erinnere mich, daß ich viele Male den Ausspruch ge lesen habe, daß unser Volk vergiftet wurde durch Bücher wie »Die Welträtsel« von Häckel (Widerspruch), ein auch nach meiner Meinung in mancher Hinsicht anfechtbares Buch. Dann würde also die Literatur, die vielen Leuten einen Anstoß gibt, an die Reihe kommen, und wir würden kein Ende sehen, bis endlich die Preßfreiheit vorbei wäre. Deshalb kann den Ausschußanträgen nur derjenige zustimmen, der auf die freie Betätigung der Geister keinen Wert legt, der glaubt, daß die Menschen nur Ersprießliches leisten, wenn sie sich unter der sorgfältigen Leitung der Polizei befinden. Wer aber, wie wir, der Überzeugung ist, daß der Fortschritt sich nur bei freier geistiger Tätigkeit entwickelt und daß die Auswüchse, die dabei Vorkommen, in Kauf genommen und von den besseren Teilen der Gesellschaft mit geistigen Kräften überwunden werden müssen, der muß sich gegen die Sache erklären, der muß mit uns den ersten Teil dieser Anträge ablehnen, dagegen aber, ebenso wie wir, mit geistigen Mitteln gegen die üblen Einflüsse, die sich geltend machen, anarbeiten. Zu diesem Zwecke bitten wir, unseren Antrag, der positive Arbeit in der Gegenwart an bahnt, anzunehmen. (Bravo! — Vertagungsrufe.) Präsident. Meine Herren! Es sind zur allgemeinen Be ratung noch acht Herren gemeldet. (Ob-Rufe.) Ehe die Bürger schaft auseinandergeht, erteile ich noch Herrn Pape zu einer per sönlichen Bemerkung das Wort. Pape (zu einer persönlichen Bemerkung; vom Platze). Ich habe allerdings vor 14 Tagen gesagt, daß der Antrag der Herren vr. Philippi und Genossen auf die Lieferanten der Schmutz, und Schundliteratur wie eine Ermutigung wirke. Ich habe aber nicht gesagt, daß die Herren Antragsteller das beabsichtigt haben, wie Herr I)r. Philippi das offenbar aufgefaßt hat. Ferner möchte ich noch richtigstellen, wenn Herr vr. Philippi von einem bekannten Buchhändler Hamburgs gesprochen hat, der vor dem Ankauf des »Hilligenlei« gewarnt habe, daß ich dieser Buchhändler nicht gewesen bin. vr. Blunck (zur Geschäftsordnung). Ich möchte bitten, die Fortsetzung der Beratung dieses Gegenstandes hinter die wich tigeren und dringenderen Anträge zurückzustellen, die wir sonst noch auf der Tagesordnung stehen haben. Ich glaube, daß das dem Fortgang unserer Beratung nur dienlich sein kann. vr. Popert (zur Geschäftsordnung). Meine Herren! Ich möchte Sie bitten, diesen Antrag nicht anzunehmen. Es sind gegen den Ausschuß außerordentlich scharfe Angriffe gerichtet worden. Besonders Angriffe in juristischer Beziehung. Sie sind absolut unhaltbar, Punkt für Punkt unrichtig. Aber in der Öffentlichkeit haben sie schwer verwirrend gewirkt. Daher muß dem Ausschüsse in allernächster Zeit Gelegenheit gegeben werden, sich gegen diese Angriffe zu verteidigen. Präsident. Der Vorstand ist der Meinung, daß die Ver- Handlung dieses Gegenstandes, die nun einmal eingeleitet ist, in erster Linie zu Ende geführt werden muß. (Sehr richtig!) Es ist ein ganz unglückliches Verfahren, daß man eine derartig an gefangene Debatte einfach rrä oalenäa-Z Kirrseas vertagt. Der Vorstand wird sich auf den Standpunkt stellen, daß wir zunächst diese Sache zu Ende führen. Zur Geschäftsordnung Herr Vr. Blunck. vr. Blunck. Dann möchte ich bitten, daß der Antrag auf Vertagung heute abgelehnt wird. Ich habe auch keineswegs meinen wollen, daß dieser Antrag all eLlenckas AraeeLs vertagt würde, ich habe nur wollen, daß diejenigen Anträge, die die Bürgerschaft für wichtiger und dringlicher hält, in der nächsten Sitzung vorweggenommen werden. Wir tun der eingehenden Beratung dieses Ausschußantrages keinen Abbruch, denn wir sehen aus der Zahl der einlaufenden neuen Anträge, daß immer noch neue Gesichtspunkte auftauchen. Präsident. Der Antrag auf Vertagung ist von Herrn Sieverts gestellt. Herr vr. Blunck widerspricht. Ich bitte dann die Herren, die jetzt für die Vertagung sind, sich zu erheben (Geschieht.) Das Resultat ist zweifelhaft, ich bitte um die Gegen probe und ersuche diejenigen Herren, die gegen die Vertagung sind, sich zu erheben. (Geschieht.) Das ist die Minderheit. Die Bürgerschaft will sich also vertagen. (Es tritt Vertagung ein.) (Fortsetzung folgt.) Verbote und Verbotsaufhebungen deutscher Bücher in Rußland. (Vgl. ISO», Nr. IS, 32, Lg, 76, SS, 136, 203, 208, 250, 2S7, 280 d. Bl.> September 1909. 4. Ganz verbotene Bücher. Danzis, M., Im Strom der Revolution. Psychologische Etüde. 8°. Slfl-26 S. New York. Heymann, Robert, Seine Majestät der Rubel. Lopuchin-Azew- Reinboth. Ein echt russisches Kulturbild. 2. Ausl. 8". 2S2 S. Dresden (1909), Verlag »Meteor«. 2 .g 60 H. Krapotlin, Fürst P., Die Schreckensherrschaft in Russland. 3. Aust. gr. 8». 92 S. Stuttgart (1909», R. Lutz. I 20 Merrisson, I. A., Der Anarchismus und die politische Tätigkeit. 8°. «8 S. New York. Pflüger, Paul, Glaubensbekenntnis eines modernen Theologen. 2. Auflage, gr. 8°. 16 S. Zürich <1906.> Th. Schröter'- Nachf. 30 ^ Schenk, Direktor vr. K., und Julius Koch: Lehrbuch der Geschichte sür höhere Lehranstalten 'gemeinsam für alle Schularten neu bearbeitet von Realgymn.-Direktor vr. Julius Koch. IX. Teil: Lehraufgabe der Oberprima. Vom westfälischen Frieden bis zur Gegenwart. 2. Ausl. 8". VIll, 334 S. Leipzig 1909, B. G. Teubner. Geb 3 Steudel, Friedrich, Das Christusproblem und die Zukunft des Protestantismus. (Deutsche Wiedergeburt. Schriften zur natio nalen Kultur. Herausgeg. von Ernst Wachlcr. 4. Bd.> 8". 46 S. Zürich 1909, Th. Schröter. I L. Teilweise verbotene Bücher. Jahrbuch der Berliner Morgen-Zeitung. Kalender sür das Jahr 1910. 8». 3S8 S. Berlin, Rudolf Masse. I 4i. Mit Ausschnitt der Seiten 2S7—2S8. Kahn, Gustave, Europas Fürsten im Sittenspiegel der Karikatur. Mit 4S0 Textillustrationen und amüsanten Karikaturen aus allen Ländern und Zeitepochen. Lex.-8». Berlin 1909, Hermann Schmidt, ö. Lsg. I ^s. Lfgn. 19 u. 20. S. 433—472 verboten.