Volltext Seite (XML)
X« 212, 10. September 1025. Redaktioneller Teil. «i>rl-»ilau >. d. Dtschv. Suche-Nd-I. IZblS entsprechend verwertet. Das hat die Stimmung beeinflußt. Eben so waren es inncrpolitische Gründe, die in diesem Augenblick die Gefahr einer neuen Lohnbewegung herausbeschworen. Dem gegen über war es eine vorbeugende Maßnahme, daß Reichskanzler Luther am 8. August die Prcisscnkungsaktion der Regierung an kündigte. Es haben dann Ende August vorbereitende Besprechun gen stattgcfunden, die das Programm enger zu umrcißen und ge wisse Richtlinien festzulegen suchten. Soweit die Industrie in Frage kommt, wird das Ergebnis aus nachstehender Veröffent lichung des Reichsvcrbandes der deutschen Industrie erkennbar: »Der Reichsverband der deutschen Industrie und die Bereini gung der deutschen Arbeitgeberverbände erklären sich bereit, mit allen Kräfte» die Wünsche der Neichsrcgierung hinsichtlich der Preis gestaltung zu unterstützen. Sic halten cs für erforderlich, dass die Ermäßigung der Umsatzsteuer vom 1. Oktober auf 1 Prozent in vol lem Umfang in der Preisfeststellung aus alle» Stufen der Glller- crzeugung und der Gütervcrteilung zum Ausdruck kommt. Sie er warten deshalb, daß die ihnen angeschlossencn Unternehmungen bei der Preiskalkulation dementsprechend verfahren. Auf dem Gebiete des Kartellwcseus vertrete» die Spitzenverbände der Industrie die Ansicht, das; unter der Voraussetzung einer gesunden und verant wortlichen Kartetlpolitit Kartelle notwendig sind. Die gegenwärtige Lage verlangt von den Kartellen in besonderem Maste eine Anpas sung ihrer Maßnahmen an die Erfordernisse der Gcsamtivirtschaft. Überspannungen und Mißbrauch des Kartcllwesens könne» unter keinen Umständen eine Stützung durch die Spiyenorganisationen der Industrie finden. Diese sind deshalb bereit, eine gründliche Durch prüfung der Grundlagen der Kartelle vorzunehmen und in Verbin dung mit der Regierung ungesunde Erscheinungen aus dem Gebiete des Kartetlwesens zu beseitigen. Die Spitzenvcrbände weisen in diesem Zusammenhang daraus hin. daß die von der Öffentlichkeit vielfach beklagten Erscheinungen weit weniger durch die Jndustrie- kartelle als durch die nicht kontrollierbaren freien Abreden und kar tellähnlichen Abmachungen auf allen Gebieten des geiverblichen Le bens hervorgerusen werden. Die genannten Spitzenvcrbände sehen die Möglichkeit des von der Regierung erstrebte» Erfolges nur dann, wenn auch die übrigen Berufsstände und die öffentlichen Betriebe sich dem Schritt der Industrie anschließen. Die Verringerung der Preisspanne vom Erzeuger bis zum Verbraucher muß erreicht wer den. Eine allgemeine Lohnsteigerung würde jeden Versuch eines Preisabbaus von vornherein zum Scheitern verurteilen. Die Er kenntnis muß Allgemeingut werden, daß eine Steigerung des Real- lohucs durch Produkliousvcrbilliguug und Preissenkung wertvoller ist als weitere nominelle Lohnerhöhungen. In Reich. Landern und Gemeinden sowie bet allen Privaten muß endlich die Sparsamkeit einkehrcn, die die heutige Lage Deutschlands erfordert.<- Der Anregung der Reichsregierung folgend, haben fernerhin Präsident »nd Vorstand des Zcntralverbandcs des deutschen Groß handels beschlossen, die Mitglieder des Zcntralverbandes des deut schen Großhandels dringend aufzufordern, beim Verkauf nach dem I. Oktober die dann cintretende Ermäßigung des Satzes der Um satzsteuer auf 1 Prozent bei ihrer Preiskalkulation zum Ausdruck zu bringen. Auch wollte der Zcntralvcrband des deutschen Groß handels seine Mikglieder ausdrücklich davor warnen, die durch die Zollvorlagcn vorgesehenen autonomen Zölle als irgendwie endgül tige Prcisbasis zu betrachten, da die Handelsverträge auf die end gültige Festsetzung der Zollsätze zweifellos nicht ohne Einfluß blei ben werden. Die Vertreter des Einzelhandels erklärten ihre Be reitwilligkeit dazu, die Senkung der Umsatzsteuer, die am 1. Ok tober erfolgen solle, in den Warenpreisen insoweit zum Ausdruck zu bringen, wie die Preise der künftig von der Industrie zu be ziehenden neuen Waren entsprechend den vom Reichsverband der Industrie gefaßten Beschlüssen eine Preissenkung erfahren würden. Zum Verständnis dieses Zusammenhanges ist, wie ein Bericht der Hauptgemeinschaft des Einzelhandels hervorhebt, zu bedenken, daß der Einzelhandel auch nach dem I. Oktober noch längere Zeit Waren absetzen muß, die er zu höheren Preisen unter der Geltung des alten Umsatzsteuergesctzes gekauft hat. Daß der Einzelhandel die unbedingte Notwendigkeit anerkennt, seine eigenen Aufschläge auf das geringste Maß zu beschränken, ist schon aus seinem eigenen Interesse heraus selbstverständlich. Die Vertreter der Regierung erklärten ausdrücklich, daß die Preiskalkulation des Einzelhandels grundsätzlich keinen Anlaß zu Beanstandungen biete. Besondere Beachtung werden die Verbände des Einzelhandels im Zusammen wirken mit den übrigen Spitzenverbänden der Entwicklung des Kartellwesens zuwcnden. Auf die Kartellfragen hat sich schließ lich vorläufig das Hauptinteresse konzentriert. Außerdem ist aber eine Senkung der Zinssätze für die zur Ausleihung gelangenden öffentlichen Gelder in Angriff genommen. Zum weiteren Ver ständnis ist Wohl noch die Rede Stegerwalds auf dem Katholiken tag in Stuttgart heranzuziehen, wo er u. a. aussührte: »Wir können es nicht als Notwendigkeit anschcn, daß die Ban ken von der Wirtschaft 8 und mehr Prozent Zinsen über den Reichs- bankdiskvut fordern; wir können es nicht als Notivendigkeit anseheu, daß jetzt zwei- bis dreimal so viel Menschen vom Handel leben als vor den, Kriege; wir können cs nicht als Notwendigkeit ansehen. daß heute in vielen Betrieben der Wirtschaft zwei bis drei produktiv tätige Menschen einen unproduktiv tätigen durchschleppen müssen; wir können es nicht als Notwendigkeit ansehen, daß viele Beamte im Reich, Land und Gemeinde aus Kosten der vielfach verarmten Steuer zahler sehr viel höhere Bezüge und Pensionen erhalten wollen als vor dem Kriege.- Das Zentrum ist um seiner starken Anhängerschaft in Arbci- tcrkrcisen willen ganz besonders an der Preissenkungsaktivn inter essiert und dürfte wohl der intellektuelle Urheber des ganzen Ge dankens sein. Zu hoffen ist, daß diese so offenbar aus temporären politisch-taktischen Erwägungen und Bedürfnissen entsprungene Aktion sich von selbst erledigt, sobald die nächsten Zwecke erfüllt sind. Eine Verbilligung der Zinssätze wird der Wirtschaft sicher von Nutzen sein. Auch mit der Beseitigung gewisser Auswüchse des Kartellwesens kann man sich durchaus einverstanden erklären. Man möge aber die Erwartungen nicht überspannen. Es wird genügen, wenn weitere Preissteigerungen, insbesondere nach der Spielregel Lohnerhöhung — Preiserhöhung — Lohnerhöhung usw., verhindert werden können. Eine Preissenkung erscheint in unsrer gegenwärtigen Wirtschaftslage kaum erreichbar, am aller wenigsten durch irgendwie nach Planwirtschaft schmeckende behörd liche Eingriffe. Die Erinnerungen an die Zeit der Zwangswirt schaft werden hoffentlich als Warnung dienen. Insbesondere ist auf die bedenkliche Problematik solcher Gedanken hinzuweiscn, wie sie Stegerwald äußerte. Es ist richtig, daß unsre Wirtschaft unge bührlich durch unproduktive Lasten überbürdet ist. Es mag auch zutreffen, daß an manchen Stellen im Handel heute zu viel Kost gänger und Mitesser sitzen. Im ganzen gesehen, sind das aber einfach die 20 Millionen Deutsche, die Clemenceau für zu viel er klärte. Es dürste ziemlich auf dasselbe hinauslaufen, ob diese 20 Millionen als Arbeitslose oder als angebliche Übersetzungen in unsrer Wirtschaft durchgcschleppt und durchgefüttert werden. Wenn man hier Umschreibungen von einer Liste aus die andere in größe rem Umfang vornehmen wollte, wird vermutlich mehr Schaden angerichtet als geholfen. Wir wollen nicht noch mehr Leute in unserem Volk daran gewöhnen, das bequeme, wenn auch karge Brot der Arbeitslosenunterstützung zu essen. Eine nennenswerte Preissenkung würde dabei jedenfalls am allerwenigsten hcraus- kommen. Diese ist doch wohl erst erreichbar, wenn die Weltwirt schaft wieder im ganzen besser in Gang kommt. Selbst Steigerung der Produktion Hilst uns noch nicht allein; wir müssen erst wieder Abnehmer dieser Mehrproduktion zu annehmbaren Preisen sicher haben. Hierauf also ist alle Alraft zu konzentrieren. Die deutsche Handelsbilanz zeigt nun aber immer noch eine erschreckende Passivität. Trotz aller Handelsvertragsverhandlun gen sind wir noch keinen Schritt vorwärts gekommen. Allerdings zeigt die Ausfuhr gerade auf dem Gebiet, das dem Buchhandel nächstverwandt, ist, ein Bild, das in gewissem Sinne eine Ausnahmelage widerspiegclt. Der Anteil von Papier und Pa pierwaren nämlich am Gesamtwert der Ausfuhr Deutschlands be trug in den ersten sechs Monaten dieses Jahres 5 Prozent gegen 214 Prozent im Jahre 1013. Der Papierwarenexport steht damit an vierter Stelle im deutschen Außenhandel. Papier ist das einzige Produkt, dessen Ausfuhr den Vorkriegsstand bei weitem übertreffen konnte, trotzdem nach Abtretung des ostdeutschen Holz gebietes ein sehr großer Teil des Rohstoffes aus Schweden, Finn land und Polen bezogen werden mutz und die Zahl der deutschen Fabriken um nahezu 10 Prozent geringer ist. Freilich hat gleich zeitig in der Ausfuhrzusammensetzung eine beachtliche Verschie bung stattgefundcn. Während früher das verarbeitete Papier überwog, ist jetzt der Anteil der Rohware im Übergewicht. Den 177!,"