Volltext Seite (XML)
16294 vörlenblaud. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 299, 24. Dezember 1912. Schwierigkeiten einer genauen Definition des Begriffes Schundlite ratur hingcwiesen und im besonderen ein gesetzgeberisches Vorgehen gegen »derartige« Druckschriften durch Abänderung der Gewerbe ordnung befürwortet wird, so lassen sich diese Gegensätze schwer miteinander in Einklang bringen. Ehe daher nicht genau feststeht, was mit der beabsichtigten Einschränkung getroffen werden soll, wird man eine Änderung der Gewerbeordnung auch deswegen für über flüssig halten, weil heute schon das Gesetz genügende Handhaben bietet, um gegen die Verbreiter von unsittlichen Druckschriften, gleichviel, wo diese Verbreitung stattfindet, vorzugehen, sobald man sich nur über den Begriff des Unsittlichen klar ist. Solange aber jeder unter Schundliteratur etwas anderes versteht und die Gefahr besteht, daß allerhand Leute ihre Töpfchen mit ans Feuer setzen, denen ihre Sonderinteressen weit höher stehen als das, worauf es wahren Volksfreunden ankommt, wird man Wünsche auf eine Abänderung unserer gegenwärtigen Gesetzgebung mit größter Vor sicht aufnehmen müssen. Rutland-Shakespeare. — Herr Karl Bleibtreu schreibt uns: »Die Betrachtung über den Demblonfall in Ihrer Nummer vom 10. Dezember schließt: ,Was wird Bleibtreu dazu sagen?' Er sagt, daß dies die kraftvollste Aneignung fremden geistigen Eigentums ist, von der die Annalen melden. Das gewöhnliche Plagiat, sei es wörtliches Aneignen von Stellen, sei es Entlehnung von Stoffen, hat wenig Bedeutung. Denn wie Goethe sagt und Heine damit übereinstimmt: es kommt darauf an, was man daraus macht. Sehr viel ernster ist die Entlehnung großer Gedanken oder wissenschaftlicher Theorien, und Eugen Dühring verfolgte Helm- holtz dauernd mit der Behauptung, H. habe Robert Mayers Thesen geplündert. Aber erstens hat Helmholtz nie Mayers Vorarbeiten totgeschwiegen, und zweitens hat er durchaus neue Begründungen zugefügt. Dieser belgische Sozialistenftthrer aber, der offenbar kommunistisch über geistiges Eigentum denkt, raubt einem Deutschen nicht nur seine ganze Theorie, sondern auch alle Argumente und hat dann die Stirn, sich als literarischen Columbus aufzublähen. Der Fall liegt nämlich viel ärger und klarer, als Ihr Korrespondent annimmt. Es entging ihm, daß ich, sobald Demblon die Welt mit Neklamenotizen füllte, damals schon im .Standard' dem englischen Publikum mitteilte, ich würde ihn gerichtlich fassen, und daß damals nicht nur die ganze deutsche Presse ihn als Plagiator brandmarkte, sondern daß dies in seinem Wohnort Brüssel selber durch das verbreitetste belgische Blatt in einer Artikelserie geschah. Der ,Soir' zwang ihn, öffentlich zu bekennen, daß er meine beiden Schriften über das Shakespcare- problem kenne. Der Nechtsfall wäre also hiermit erledigt, wenn nicht als pikanter Beigeschmack für die Unverfrorenheit, womit dieser literarisch Hingerichtete weiter herumgespenstern darf, das ttbelwollcn der Franzosen und Engländer gegen alles Deutsche hier saftig hervorträte. Als ich der .Orancke Revue', wo Demblons Artikel damals erschien, gerichtliche Schritte ankttndigte, schrieb mir die Redaktion: Demblon habe mich ja in einer kleinen Fußnote ge nannt, und mehr könne ich nicht verlangen. In seinem Buch, das ich mir jetzt kaufen muß, scheint er das nämliche getan zu haben, sonst würden französische und englische Blätter doch wohl mit einer Silbe auf meine .Anregung' hingewiesen haben. Dies gnädige Zitieren seines demütigen .Vorläufers' verstohlen nebenbei ist eine neue Be leidigung der Wahrheit. Ich werde nun mit juristischer Behand lung ernstmachen, da ich doch erst sein Buch abwarten mußte, das sein Plagiat vollendet. Nun habe ich an .Times' und .Standard', in welch letzterem Organ ich damals die englische Polemik führte, soeben meine Meinung geschrieben. Macke iu Oermauz?', das muß man totschweigen; aber so'n bißchen Französisch ist doch gar zu schön, da muß die entente eorckiale sich bewähren. Dem englisch deutschen Freunbschaftsvertrag sollte man doch endlich ein wenig anständige Unparteilichkeit in literarischem Dingen beimischen.« Post. — Die Beförderung von Einschreibsendungen nach sämt lichen türkischen Postanstalten der europäischen Türkei mit Aus nahme von Konstantinopel nebst Umgegend und Hadim Keuy ist bis auf weiteres eingestellt worden. Einschreibsendungen für diese Postanstalten können daher, von den bezeichneten Ausnahmen abge sehen, zur Beförderung nicht mehr angenommen werden. Rabattvcrgütung bei Postbezug von Zeitschriften. — Wie in früheren Jahren, will das Börsenblatt wieder eine Liste derjenigen Zeitschriften veröffentlichen, die dem durch die Post beziehenden Sor timenter eine Nabattvergütung gewähren. Wir richten daher an alle Z e i t s ch r i f t e n - V e r l e g e r die höfliche Bitte, der Redaktion des Börsenblattes mit direkter Post die nötigen Angaben zu machen. Erforderlich sind: a) Titel der Zeitschrift, d) Verlagsfirma, e) ge naue Angabe der Vergütung, entweder in Prozenten (dann ist der Ordinärpreis mit anzugeben) oder nach dem Betrag bei viertel jährlichem — halbjährlichem — oder jährlichem Bezüge: Vergü tung für Partiebezug ist besonders anzuführen. Allgemein üblich ist es wohl, die zugesagte Provision mit Barfaktur, natürlich unter Hinzufügung der Postquittung, ein zuziehen. Verleger, die mit diesem Modus nicht einverstanden sind, bitten wir, ihre abweichende Art der Vergütung kurz anzugeben. (Zum zweiten und letzten Male wiederholt.) Prozeß um die Selbstbiographie Karl Mays. — In den »Leipz. Neuesten Nachr.« lesen wir: Vor einigen Monaten schon konnten wir Mitteilen, daß sich an die Herausgabe der Selbstbiographie des Neise- schriftstellers Karl May ein Prozeß geheftet hat. Der Dresdener Rechtsanwalt Or. Gerlach, der Vertreter der Münchmeycrschen Er ben, der Verleger Karl Mays, fühlte sich durch einige Stellen in der Biographie beleidigt. Er hat darauf ein einstweiliges Verbot der Ausgabe erzielt. Nunmehr ist vor dem König!. Landgericht zu Dresden der Prozeß zur Verhandlung gekommen, in dem die einstweilige Verfügung gegen die Herausgabe wieder aufgehoben und Rechtsanwalt Or. Gerlach kostenpflichtig abgewiesen wurde. Personalnachrichten. Gestorben: am 22. Dezember an Herzlähmung, Herr H e r m ann B r u n o Jäger, Teilhaber der Firmen E. F. Steinacker und Eduard Heinrich Mayer in Leipzig. Der Verstorbene ist jäh und unerwartet fast vom Arbeitspult weg aus einem Leben voll Fleiß und aufopfernder Tätigkeit hin- weggerasft worden. Er bestand seine Lehre im Kommissions geschäft von Fr. Ludw. Herbig in Leipzig, ging von da zu Julius Hoffmann in Stuttgart und nahm später Stellung bei E. F. Stein acker in Leipzig. Jäger wurde zunächst in der mit der Firma Steinacker durch Personalunion verbundenen Verlagsbuchhandlung Veit L Comp, in Leipzig beschäftigt. Aus dieser Tätigkeit riß ihn 1870 die Kriegstrompete, der er folgen mußte, um für Deutschlands Ehre und Ruhm zu streiten. Bei dem heißen Ringen um das Dorf St. Privat am 18. August 1870, dem Ehrentage der sächsischen Armee, wurde er schwer verwundet. Nach seiner Genesung trat er wieder in seine alte Stellung bei Veit L Comp, ein und wurde beim Verkauf dieser Firma an Hermann Credner in das Geschäft E. F. Steinacker übernommen. Hier rückte er bald zum Prokuristen auf und wurde am 1. Januar 1893 Teilhaber der Firma. Neben seiner Tätigkeit im Kommissionsbuchhandel widmete sich Jäger auch dem Verlag der Firma Eduard Heinrich Mayer, die Jäger in Ge meinschaft mit Richard Einhorn am 1. Januar 1886 übernommen und von Köln nach Leipzig verlegt hatte. Am vorigen Sonntag hatte er noch bis gegen 2 Uhr im Geschäft gearbeitet; beim Betreten seiner Wohnung überfiel ihn eine Herzschwäche, der er erlag. Ein unermüdlich tätiger Mann ist mit ihm dahingegangcn, dessen An denken in Ehren gehalten werden wird. Minna Kautsky f. — Die Schriftstellerin Frau Minna Kautsky, Mutter des bekannten Herausgebers der sozialdemokratischen Zeit schrift Neue Zeit, Karl Kautsky, ist am 20. Dez. im Alter von 76 Jahren in Berlin gestorben. 1879 erschien von ihr ein Drama »Madame Roland«, dem 1881 der Roman »Stephan vom Grillenhof« folgte. Von ihren sonstigen belle tristischen Werken, unter denen »Herrschen oder dienen« (1882) und »Die Alten und die Neuen« (1884) hervorzuheben sind, hatte der Roman »Viktoria« (1888, 2. Ausl. 1900) einen größeren Er folg. Weniger Beachtung fanden ihr Lustspiel »Sie schützt sich selbst« (1892) und das Volksstück »Die Eder Mizi« (1895).