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..Sie sagen: ,,dcm Verleger sei kein Mittel gegeben, im Interesse der Benachteiligten etwas zu thun". Diese Behauptung hat auf den ersten Blick etwas für sich; denn man kann dem Producenten (Verleger) nicht verargen, wenn er sein Product bewegt, cs möglichst verbreitet und verwerthct. Allein genauer betrachtet, zeigt sich ein anderes Bild. ..Indem der deutsche Verleger einen Ladenpreis seines Artikels für das Publicum firirt und durch Procente von demselben den Wieder verkäufer befriedigt, steht er qua Producenl dem Publicum und den Wiederverkäufen! gegenüber in einer ganz andern Stellung, denn jeder andere, auf Speculation technisch vervielfältigende Gew rbtreibcnde. und die für letztere usuellen Formen in ihren Bewegungen (Handeln) rein mer kantil aufgefaßt, wie dies von vielen Verlegern in neuerer Zeit zur Ver- lheidigung und Beschönigung ihrer Operationen geschieht, kann er nicht so ergreifen und üben wie jener. ..Dcßwcgen steht der Verleger dem Wiederverkäufe!, Sortimenter, anders gegenüber als der Grossist oder Dclaillist (Händler) jedem andern Producenten, Fabrikanten. Jene (Händler) sind in ihren Operationen und Speculationen nicht geschützt durch einen bestehenden und öffentlich bekannt gemachten Preis der Waarc, wie es die Wiederverkäufer liter arischer Produkte sind. Sic müssen Rücksicht nehmen auf Concurrcnz, auf schwach besetzten oder überführten Markt, auf die Neigung oder das Bcdürfniß des Publikums zum Kauf rc. und können darum ohne Prä judiz für die Producenten die Verkaufspreise ihrer Waarcn den Umständen angepaßt stellen, können damit variircn. „Wenn aber die Wicdervcrkäufer literarischer Productc die vom Ver leger ihnen cingeräumtcn Vortheile ausbeuten, sic ganz oder theilwcis benutzen, um unter dem firirtcn Verkaufspreis zu verkaufen, dies Ver fahren sustematisch üben, die wohlfeileren Preise öffentlich anzcigen rc., so arbeiten sie zum Nacht heil des Verlegers, Producenten, in dem sic eigen m ä ch tig den Preis seiner Waare devalviren. „Ihre Behauptung, selbst aus dem Gesichtspunkte des freien Handels betrachtet, wäre darum nur richtig, wenn Sie als Produccnt sich in glei cher Linie mit jenen stellten, also einen Ladenpreis für das Publicum nicht firirten, ihn nicht öffentlich anzeigten und damit den Wiederver käufen! in geilere specie überlassen, Ihre Produkte zu verwerthen. „Ist es Princip des guten deutschen Buchhandels, dem Publicum gleiche Preise zu sichern, es vor Willkür der Wiederverkäufe! zu schützen, so zeigt die neuere Zeit, gleich wie in vielen anderen Richtungen auch hier, daß man Zweck und Mittel, Ursache und Wirkung nicht scharf genug beachtet, sie häufig sogar verwechselt. „Viele der neueren Verleger beachten das alte chrenwerthc Princip nicht mehr, finden cs nicht mehr passend, zeigen die Tendenz, es fahren lasten zu wollen. Sie wollen für sich bezüglich des Absatzes — um einen vulgären Ausdruck zu gebrauchen — Gewerbefrciheit (dies be weisen ihre Sympathien für die Antiquare), halten aber andererseits da, wo es ihnen paßt, an der herkömmlichen Gewerbeordnung, indem sie Ladenpreise für das Publicum firircn und bekannt machen, und die Sortimenter mit ihren Novitätenzusendungcn beglücken. „Das Abgehcn vom Princip und die daraus entspringende einseitige Stellung kann nicht ermangeln, Conflicte und Beschädigungen zu ver anlassen. Einmal dirccte für den Wiederverkäufe! (Sortimenter), dann auch indirekte für diese, wie z. B das Eindrängen gcwcrbsordentlich nicht Berechtigter — (Antiquare). Davon liegen Ihnen Facta vor. — Dies ist indessen nur die Erstwirkung. Die Nachwirkung trifft die Pro- duccntcn, Verleger selbst später und dann nicht minder empfindlich da durch, daß das Publicum den Glauben an die Ladenpreise ver liert. Er ist dermal schon so gesunken, daß die Katalogprcise säst mehr als Anhaltspunkt zur Bcurthcilung der Annehmbarkeit oder Billigkeit eines Angebots betrachtet werden; er muß und wird vollends verloren gehen, wenn der Verleger, der sich das Recht nimmt, seinen Vcrlags- artikel im Preis zu firiren, die facti sch und öffentlich geübte Devalvation seines V e rla gsgcg e n sta n d c s sich gefallen läßt, dazu schweigt, nichts dagegen thut. — Ist tcr Glaube des Publicums an Ladenpreise verloren, dann ist auch das Charakteristische des deutschen Buchhandels glücklich überstanden, und das Publicum wird alsdann in hundert Fällen kaum einmal zum Ladenpreise ciukaufen, es wird, wie schon jetzt häufig zu hören ist, sagen: ich kann warten, bis übcr's Jahr das Buch beim Antiquar billiger zu ha ben ist. — Der Absatz neuer Bücher wird sich immer mehr vermindern, die Saldi der Verleger schmälern und dann werden sie die Früchte ihrer Thaten erndten, die Früchte, welche daraus entsprießen, daß man ein Recht übt, ohne eine daraus abfließendc P f l i ch t anzuerkcnnen, dadurch an dem Wiederverkäufer nicht allein, sondern weit mehr am Publicum sündigt," Büchcrabsatz in Deutschland. Seit Jahrzehnten hat in Deutschland kein belletristisches Werk einen solchen Erfolg gehabt, als Frc »tag' s „S o ll u n d Ha b e n". Eine aus guter Quelle geschöpfte Uebersicht über die verschiedenen Ausgaben des Nomanes vom Tage seines Erscheinens an bis auf die letzten Wochen wird dies deutlicher machen. „Soll und Haben" erschien zuerst Ende April 1855 in einer Auflage von 1000 Exem plaren. Schon im Juli desselben Jahres folgte eine zweite, nicht ganz zwei Monate darauf eine dritte Auflage, ,cde von 750 Exem plaren, Acht Wochen später verließ die vierte, wieder 1000 Exem plare stark, die Presse, und ehe ein Jahr nach dem Erscheinen der ersten verflossen war, wurde eine fünfte nöthig, welche in 1500 Exemplaren abgezogen wurde. Man konnte nach den bisherigen Erfahrungen annchmen, daß damit der Bedarf des Publicums, welches 5 Thlr. für einen Roman zahlen kann, so ziemlich erschöpft sein werde. Es war nicht so, und im November veranstaltete der Verleger eine sechste Ausgabe, welche 2000 Exemplare stark war. Inzwischen war der Wunsch laut geworden, der Roman möge auch den weniger bemittelten Schichten des Volkes zugänglich ge macht werden. Diesem Wunsche entsprach die Ausgabe, welche in der Ostermcsse 1858 die Presse verließ. Sic war zu dem Preise von 1 Thlr. 10 Ngr. zu haben, und daß sic ein Bcdürfniß erfüllte, be wies sich dadurch, daß binnen sechs Wochen die 5000 Exemplare, aus denen sie bestand, abgesetzt waren. Eine weitere Auflage, eben falls 5000 Exemplare stack, war fast ebenso rasch vergriffen, und soeben verläßt die dritte , wiederum in 5000 Abzügen, die Presse. So sind denn binnen 3^ Jahren nicht weniger als 7000 Exemplare der Ausgabe zu 5 Thlr. und 15,000 der Volksausgabe von „Soll und Haben" auf den Büchermarkt gelangt — ein Phänomen, welches allerdings kein absoluter Beweis für den Werth des Bu ches, wohl aber ein entschiedener Beweis dafür ist, daß dasselbe mit seiner Sprache den Geschmack und mit den in ihm verkörperten Ge danken und Bestrebungen die Gedanken und Bestrebungen eines sehr großen Theils unserer Nation, und zwar nicht blos der Vor nehmen und Reichen, getroffen hat. Der Erfolg von „Soll und Haben" hat sich aber nicht auf Deutschland beschränkt. Zunächst erschienen sehr bald nach den er sten Leipziger Auflagen mehrere Nachdrucke in Amerika. Der erste war der in H. Börnstein's „Anzeiger des Westens", welcher den Roman im October 1855 brachte. Ein zweiter erschien im März des nächsten Jahres in der von G. Schneider und Daniel Hertle redigirten „Täglichen Jllinois-Staatszeitung", und ein dritter um dieselbe Zeit als Band für sich in der Buchhandlung von Ed. Büh- ler u. Eomp. zu St. Louis. Letzterer, l Band in einer Art Lexikon format, ist auch in typographischer Beziehung ein Muster der Art, wie man nicht drucken soll. Inzwischen machte der Roman auch im Auslande von sich re den und bald hörte man von verschiedenen Uebersctzungen. Zuerst erschien 1856 bei Hcckcnast in Pcsth eine ungarische, dann folgte 1857 eine schwedische, in demselben Jahre eine französische im„Mo- nireur", die dann auch apart in 2 Bänden erschien, im Herbste desselben Jahres drei englische, denen 1858 noch eine vierte folgte, die später von einer New-Florkcr Firma nachgcdruckt wurde. Neue rer Zeit sind noch eine holländische und eine italienische Uebcrsetzung angekündigt. Der Erfolg des Fr eytag'schen Buches steht übrigens nicht vereinzelt da. Stolle's historischer Roman „1813" wurde in drei Auflagen gedruckt, deren jede mindestens 1000 Exemplare anzu- schlagcn sein dürfte. Später erschien derselbe Roman in der Ge- sammtausgabe der Stolle'schen Schriften in 5000 Exemplaren, die nach drei Jahren bereits vergriffen und von zwei neuen Auflagen von je 1000 Exemplaren ersetzt wurden. Außerdem erschienen hol-