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285, 8. December. Nichtamtlicher Th eil 5863 die er dem Autor gibt ein- für allemal oder pro Auflage; der Leihbibliothekar aber kaust sich ein Buch, bezahlt weniger dafür als derjenige bezahlen muß, der es vom Sortimenter bezieht, und hat das Recht das Buch tausendfach, zehn-, ja, wenn er Glück hat, hunderttausendfach zu verleihen ohne irgend ein Ent gelt. So ist die Sache gegenwärtig Gewohnheitsrecht — wenn man überhaupt von einem Gewohnheitsrecht hier sprechen kann —; ein solches Gewohnheitsrecht gibt es überhaupt nicht, meiner lleberzeugung nach ist ein Beginnen und Handeln, das juridisch und moralisch nicht gut geheißen werden kann, durch die Zeit noch lange kein Gewohnheitsrecht geworden, sondern ist und bleibt Gewohnheitsunrecht. Ich behaupte nun, das Mittel, die Handhabe, um uns einen Ausweg aus diesem Dilemma zu schaffen, ist uns durch das Ge setz selbst gegeben; der Einzelne kann nichts thun, — Herr Welten hat das gewagt, — aber durchdringen wird der Einzelne nie. Wir als Verband haben die Verpflichtung dafür einzutreten. Ich recurrire aus das deutsche Gesetz über das Urheberrecht vom 11. Juni 1810. Die dramatischen Autoren waren nämlich früher genau in derselben Lage, sie mußten ihre Stücke ausführen lassen, ohne irgend einen Pfennig Entschädigung zu bekommen, wenn ein Theaterdirektor in eine Buchhandlung gegangen und den Abdruck des Stückes gekauft hatte. Jetzt ist dies nicht mehr möglich nach dem erwähnten Gesetze, und die dramatischen Schrift steller werden ohne Weiteres zugcben, daß das eine sehr wohl- thätige Einrichtung ist. Ja, ich gehe noch weiter und sage: die Direktoren befinden sich auch sehr wohl bei dem neuen Zustande; Sie werden noch niemals gehört haben, daß ein Theaterdirektor bankerott gegangen ist durch Tantiemen, die er gezahlt hat. Das ist nämlich so: er hat die ganze Last, die ihm daraus erwachsen ist, von sich abgewälzt von dem Augenblicke an, wo das Gesetz in Kraft trat und er den Autoren Tantiemen zu zahlen hatte, indem er die Preise der Plätze allgemein erhöht hat. Jetzt ist der Direktor im Vortheil; wenn sein Theater überhaupt besucht wird, so wird es gleichmäßig besucht, mag ein elastisches Stück aufgeführt werden oder ein Stück, welches tantiemepflichtig ist, und der Direktor hat in beiden Fällen dieselbe Einnahme, bei den gleichen Entrtzepreisen, ohne im elfteren Falle den gleichen Aufwand zu haben, wie im letzteren, er hat also durch die größere Einnahme absolut einen größeren Nutzen. So, meine ich, sollte es auch mit den Büchern sein. Ich führte vorhin aus, daß wir die Leihbibliothekare schützen müssen; ich behaupte wir können sie nicht mehr schützen, als indem wir den Antrag annehmen, den zu stellen ich die Ehre habe, indem wir nämlich uns schützen, die Bibliothekare schützen und die ganze Last abwälzen, wie bei den Theatern, aus das Publikum. Das Publikum will keine Bücher kaufen, das Publikum ist eine Majestät, mit der man rechnen muß. Wir können absolut Niemandem sagen, daß er es thun soll, wir können aber eins: uns verbinden, daß wir unsere Bücher nicht mehr verleihen lassen für einen Bettel groschen. Nach meinen Erfahrungen wird genau ebensoviel ge lesen werden, wenn sechs oder sieben Mark pro Monat bezahlt werden muß, wie bei einem Abonnement, wie sie jetzt bestehen, von drei Mark pro Monat, wo also etwa zehn Pfennig auf den Tag kommt, wofür man jeden Tag ein- bis zweimal wechseln kann, — (die Leihgebühr in den Pariser Leihbibliotheken beträgt pro Buch und pro Tag fünfundzwanzig Centimes) —, ich sage: es wird genau so viel gelesen bei einer Erhöhung der Leihgebühr. Alle, die gewohnt sind Werke aus einer Leihbibliothek zu beziehen, werden fortsahren dieselben da zu entnehmen, und die Leih bibliothekare würden an den Verleger eine Abgabe entrichten können, die dem Autor zu gute käme. Diesen Satz hat der Bibliothekar aufzubringen durch eine höhere Abonnementsquote vom Publikum. Der Bibliothekar hat dabei auch noch entschieden Nutzen; wenn er nicht mehr drei Mark, sondern sechs oder sieben Mark pro Buch nimmt, so bekommt er das Geld auch für ein Buch von Spielhagen oder Freytag oder denjenigen Schriftstellern, die sich augenblicklich in seiner Bibliothek befinden, für die er also die Abgabe an den Verleger nicht zu zahlen hat; er hat also genau denselben Nutzen, wie die Theaterdirektoren mit den elastischen Vorstellungen, ohne daß er dafür auch nur einen Pfennig dem Verleger zahlen müßte, und ohne eine Einbuße zu erleiden. Ich beschränke aber meinen Antrag dadurch, daß ich sage, es solle nur das gewerbsmäßige Ausleihen besteuert werden. Bei Museen und ähnlichen Anstalten, wo Zeitschriften ausgclegt werden, ist offenbar jeder selbstsüchtige Gedanke ausgeschlossen; es liegt im wissenschaftlichen Interesse, daß solche Sachen ausgclegt werden, und in Bezug auf Volksbibliotheken, Handwerksvereinsbibliotheken muß ich mir gestatten darauf hinzuweisen, daß diese auf eine eigenthümliche Weise zusammengestellt werden. Abgesehen nämlich davon, daß auch hier ebenfalls jede gewinnsüchtige Absicht aus geschlossen ist, werden die Volksbibliotheken oder Handwerker vereinsbibliotheken und ähnliche in der Weise zusammengebracht, daß die Vorstände mit Antiquariaten in Verbindung treten und von diesen die Werke beziehen, welche dann vielleicht zehn bis zwöls Jahre nach ihrem wirklichen Erscheinen in diese Bibliotheken hineinkommen. Das Gesetz sagt über die öffentliche Aufführung Folgendes: „Das Recht, ein dramatisches, musikalisches oder drama tisch-musikalisches Werk öffentlich aufzusühren steht dem Urheber und dessen Rechtsnachfolgern ausschließlich zu". Auf unseren Fall angewendet müßte es heißen: Das Recht, ein Buch gewerbsmäßig zu verleihen, steht dem Urheber und dessen Rechtsnachfolgern (die die Verleger sind) ausschließlich zu. In einem weiteren Passus heißt es: „Die öffentliche Ausführung einer rechtswidrigen Ueber- setzung oder einer rechtswidrigen Bearbeitung des Original werkes ist untersagt". Das Gesetz sagt dann weiter Z 54: „Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ein dramatisches, musikalisches oder dramatisch-musikalisches Werk vollständig oder mit unwesentlichen Aenderungen unbefugter Weise öffentlich auf führt u. s. w." Das würde also für unseren Fall lauten müssen: Wer vorsätzlich oder aus Fahrlässigkeit ein Werk gewerbs mäßig verleiht, ist den Urheber oder dessen Rechtsnachfolger zu entschädigen verpflichtet und wird außerdem mit einer Geld strafe ic. bestraft. Ich behaupte, meine Herren, daß wir wohl annehmen dürfen, daß im Reichstage, der sich nächstens wieder constituiren wird, dieser Antrag einen günstige» Boden finden wird Ich habe das Vergnügen gehabt, mit mehreren Parlamentariern über diese An gelegenheit zu sprechen, — es kann natürlich Niemand jetzt Vor aussagen, daß er dafür eintreten wird, weil Niemand weiß, ob er ein Mandat erhalten wird, — aber ich glaube, daß diese An gelegenheit eine Majorität finden würde. Ein Vorgehen bei der Reichsregierung würde freilich nur für die deutschen Schriftsteller von Interesse sein; da wir aber das Vergnügen haben, auch Schriftsteller aus anderen Ländern, in denen deutsch geredet wird, zu den unseren zu zählen, so meine ich, sollte das gleiche Vor gehen auch in jenen Staaten veranlaßt werden, und wenn Deutsch land zu einer gesetzlichen Regelung der Angelegenheit kommen 811'