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6692 Nichtamtlicher Teil. 218, 19. September 1899 Nichtamtlicher Teil. Jacob Dybwad f. Die Nachricht von dem am 4. September d. I. erfolgten Ableben des Buchhändler-Veteranen Jacob Dybwad ist in den Kreisen des Buchhandels, namentlich unter den nor dischen Buchhändlern, mit tiefer Wehmut empfunden worden. Ein arbeitsreiches Leben, das mehr als ein halbes Jahr hundert dem Buchhandel gewidmet war, ist damit abgeschlossen, und das bekannte liebe Antlitz des alten Dybwad ist nun aus dem Wirkungskreise der nordischen Buchhändler ent schwunden. Er wird sehr von seinen Kollegen, alten wie jungen, vermißt werden, denn obwohl er allein aus der Generation seiner Zeit übrig blieb, so gab es doch keinen, an den die jüngeren Kollegen sich leichter anschlossen, und den sie so verehrten als ihren väterlichen Freund. Jacob Dybwad war am 20. Juli 1823 geboren, er ist somit wenig über sechsundsiebzig Jahre alt geworden. Mit vorzüglichen allgemeinen Kenntnissen ausgerüstet, begann er im Jahre 1847 seine buchhändlerische Laufbahn in der Logier'schen Buchhandlung in Berlin und ging später zur weiteren Ausbildung nach Paris. Im Jahre 1852 über nahm er das Sortimentsgeschäft seines Bruders C. A. Dybwad. Mit hervorragender Tüchtigkeit und Energie hat der Ent schlafene seinem allgemein hochgeachteten Geschäfte vor gestanden und dasselbe sowohl als Sortimenter, wie als Verleger zu kräftiger Blüte entfaltet. Nach fünfzigjähriger Thätigkeit zog er sich im Jahre 1897 infolge geschwächter Gesundheit vom Geschäft zurück. Doch nicht allein dem eigenen Geschäfte waren während dieser langen Zeit seine Kräfte gewidmet. Wo er nur dazu beitragen konnte, den nordischen Buchhandel zu heben und seine Berufsgenossen in Verfolgung dieses Zieles zu unterstützen, nahm er thätigen Anteil an allen derartigen Bestrebungen, und zwar mit einer Uneigennützigkeit, die weit über seine persönlichen Interessen hinausging. Er gehörte zu den Stiftern der »Uor8Lo LoZluwcllsr- koreninZr (Norwegischer Buchhändlerverein) und war Mit glied des Vorstandes desselben bis in seine letzten Lebens jahre. — Neben der Eigenschaft eines Universitätsbuchhändlers genoß er noch die Ehre eines Ritters des königlich norwegischen St. Olaf-Ordens. Er war ein gerader, offener Charakter, für den Schleich wege ebenso widerwärtig waren, wie er Jntriguen haßte. Er konnte scharf gegen den sein, der ihm durch sein Be nehmen Aergernis bereitete, aber er war auch schnell mit Anerkennung bei der Hand für den, der es verdiente. Und diese Charaktereigenschaften, sowie seine ausgeprägte Recht schaffenheit und Uneigennützigkcit waren es, die ihn so geachtet und beliebt machten. Obwohl es wohl wenige gab, die ihren Kollegen so viel mit der Wahrheit gedient haben, als gerade der alte Dybwad, so war doch selten einer so allgemein beliebt, wie gerade er. Er war ein Mann, der seinem Stande Ehre machte. Der Kampf um die Jugendschrift. Hamburg ist der Vorort geworden ini Kampfe uni die Jugcndschrift. Wir haben durch mancherlei Einsendungen schon die Spalten des Börsenblattes für diesen Kampf in Anspruch ge nommen, glauben jedoch, das Interesse der Leser dafür gefunden zu haben. Wenn wir bisher uns dabei fast stets im Gegensatz zu den Jugcndschriften-Ausschüssen der Lehrerschaft befanden, so können wir dem nachstehenden Artikel aus der -Jugendschriften- Warte 1899 Nr. 8- im wesentlichen zustimmen. Gegen Rcklame- und Grosso-Jugendschriftcn hat auch der Buchhandel Grund genug, Stellung zu nehmen. Wir bitten deshalb die verchrliche Redaktion des Börsenblattes um Wiedergabe des Hauptinhalts des Artikels. Hamburg, 31. August 1899. Justus Pape. Das Grossobuch und die Lehrer. Vor kurzem wurden uns zwei Bücher zugcschickt, die sich durch den grellbunten Pappdeckel und das graue dicke Papier (150 Seiten — Istz am) auf den ersten Blick als Grossobllcher verrieten. Auf dem Titelblatt des einen, dessen Deckelbild eine Scene aus einem oberbayerischen Haberfeldtreiben darstellt, steht: Die Richter vom Hinterberg. Erzählung für die reifere Jugend von Georg Höcker. Mit Buntbildern. Berlin HO. Druck und Verlag von A. Weichcrt. Neue Königstr. 9. Auf dem Titelbild des zweiten Buches, dessen Deckelbild im Hintergründe ein brennendes Bauernhaus, im Vordergründe einen dem Brande zuschauenden Bauern zeigt, heißt es: Folgen der Leidenschaft oder Mein ist die Rache, spricht der Herr. Der deutschen Jugend erzählt von Eduard Milde. Wilhelm Teil erzählt von A. Hofmann. Mit feinen Farbendruckbildern. Preis 5 Leipzig. Bonneß L Hachfeld. Nun kommt ein spaßiger Umstand. An den beiden Büchern ist nichts verschieden, als Deckel und Titelblatt; alles andere — Bilder, Vorwort, Text — ist völlig gleich. Kleine Unregelmäßigkeiten des Druckes in dem einen Buche kehren im andern wieder. Wir haben es mit einer und derselben Auflage des gleichen Buches zu thun. Die Bogcnbczeichnung am untern Rande ist in beiden Büchern -Richter vom Hinterberg-. Dies ist also der Originaltitel. Auch paßt der Titel -Folgen der Leiden schaft-, ebenso wie das Umschlagbild gar nicht zum Inhalt. Um das Maß der Unverfrorenheit voll zu machen, ist auf dem mit einem neuen Titel maskierten Buche A. Hofmann als Verfasser der zweiten Erzählung im Bande angegeben; auf Seite 124 aber steht in beiden Büchern übereinstimmend: Wilhelm Tell der Held des Schweizer Volkes. Historische Erzählung aus dem Anfänge des 14. Jahrhunderts von Alfons Wcrnli. Das ist so ein Stücklein aus der modernen litterarischen Pro duktion für die Kinder, und daß demgemäß der Inhalt des Buches nach Sprache, Komposition und Charakteristik auf der niedrigsten Stufe litterarischcr Mache steht, braucht nicht erst gesagt zu werden. Aus diesem edlen Brunnen schöpft unsere Jugend nach buch händlerischem, von pädagogischer Seite bestätigten Urteil (siehe J.-W. 1897 Nr. 4, 1897 Nr. 11 und 12, 1899 Nr. 6) zu neun Zehnteln sein litterarisches Lebenswasser. Es ist für unsere Leser nicht nötig, das Grossobuch in seiner Nichtigkeit und Schädlichkeit zu kennzeichen. Wir verweisen auf die eben angeführten Artikel und Notizen. Aber eins müssen wir auf Grund unserer Erfahrungen mit allem Nachdruck fordern: jeder Lehrer und jede Lehrerin müssen eine sichere An schauung vom Grossobuche haben, sowohl was seinen litte rarischen Charakter als was die äußere Erscheinung, die Herstcllungs- und Vertriebsweise betrifft. Es ist unerläßlich, daß der Lehrer den Feind, der seine Schüler auf Schritt und Tritt verfolgt, in seiner ganzen bestechenden Verderblichkeit kennt. Der Seminarunter richt sollte nicht versäumen, den Zöglingen einen Einblick in die Sache zu gewähren. Ein halb Dutzend Stunden des deutschen Unterrichts, etwa der Einführung in die Geheimnisse der Grammatik abgeknappt und dem Studium des Grossobuches gewidmet, könnte unermeßlichen Segen stiften. Die Grosso- gcschäfte sollen alljährlich 3000 Reisende aussenden, um den Schund an die Dctaillisten abzusetzen; die Seminare haben es in der Hand, jedes Jahr aufs neue die doppelte Anzahl junger Kämpfer gegen diesen den Volksgeist verwüstenden Feind ins Feld zu schicken. Wir haben wiederholt gefordert, daß den abgehendcn Schülern eine wenigstens äußerliche Kenntnis der Schundlitteratur ver mittelt werde. Jetzt fordern wir auf Grund unserer Erfahrung — nochmals sei es gesagt —, daß jeder Lehrer ein Grossobuch als solches zu erkennen im stände sei. Es ist leider Thatsache, daß Schülcrbibliotheken wahllos unter die gangbaren spezifischen Jugcndschriften das Grossobuch mischen. Es ist freilich nur ein Gradunterschied zwischen diesen beiden Gattungen unlitterarischen Machwerks für die Jugend. Aber schon aus Gründen der Reputation sollte die Schülcrbibliothek dem ruppigen