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259, 8. November 1SIV. Fertige Bücher. «örlmtidd >. d Mich», kmchhantel. 13481 Verlag für Litteratur und Kunst Albert Langen München Früher sind erschienen: Karl Kraus Die chinesische Mauer Aufsätze Geheftet M. 6.—, in Leinen M. 7.50, in Halbfranz M. 10.— Berliner Börsen-Courier: Kraus stellt Gesetze auf und befehdet Gesetze; er fördert die Talente und legt ihnen auch Fesseln an; immer aber befragt er nnr seine eigene Meinung um Rat. Seine Einseitigkeiten nnd Voreingenommenheiten sind jedenfalls nicht seine schlimmsten Fehler. Ohne Liebe und Haß gibt es keine Kunst, wie es ohne Blindheit und Voreingenommen heit keine Liebe gibt. In der Kritik ist kräftiger Haß jedenfalls besser als Gleichgültigkeit. Es ist ein Geist der Unzufriedenheit in Kraus, der ihn mit großer Verachtung von all den verlogenen gesellschaftlichen, moralischen, ethischen und sozialen Lügen und Borniertheiten sprechen läßt. Seine Kritik gleicht dem Sturm, der das Morsche, Schwächliche und innerlich Hohle niederwirft. Er hat die Waffen, um blutige Schlachten zu schlagen; er hat Witz und Satire genug, um mit den Besten zu wetteifern. Sein Stil ist warm, trotzig, eigensinnig, mutig, tat- und schlagkräftig und, wenn es sein muß, grob. Kraus steht da wie ein gewappneter Mann in kriegerischer Haltung, die Lanze bereit, schäumend und knirschend. Diese Sprache wirkt wie ein Stahlbad, in -das man, entnervt durch Abstraktion und Dachstubenweisheit, niedertaucht nnd zu neuer Lebensfrische sich stärkt. Er mag behandeln welchen Gegenstand er will, immer spiegelt sich in der kristallenen Klarheit seiner Darstellung die leidenschaftliche Persönlichkeit. Kraus Sprüche und Widersprüche Ein Band Aphorismen Preis geheftet M. 3.50, in Leinen gebunden M. 4.50, in Halbfranz gebunden M. 7.50 Hermann Hesse im Mannheimer Tageblatt: Karl Kraus gab im Münchner Verlag Langen eine Sammlung seiner Aphorismen mit dem Titel: „Sprüche und Widersprüche" heraus. Wenn die bekannten eitlen Gebärden der Herren Intellek tuellen echt w^ren^ so müßte dies Buch so bekannt sein wie die „Lustige Witwe". Es wird jedoch diesen Vorzug nie genießen, tsuro" bleiben, mit denen wohlwollende Kritiker unbequeme Genies zu trösten Pflegen. Das ist schade, denn das Buch ist un heimlich ernsthaft. Es hat die Ernsthaftigkeit des Narren, der Gold für Gold und Dreck für Dreck nimmt und den Journa listen durchaus nicht glauben mag, daß Dreck Gold sei. Diese Ernsthaftigkeit, so tragisch sie ist, hindert nicht, daß das Buch voll diabolischer Lustigkeit steckt — und wenn zehn Leser die Geduld oder gar das Verständnis für so etwas hätten, würde ich mit Vergnügen auch auf die sprachliche Kunst und formale Meisterschaft der Sprüche eingehen. Statt dessen deute ich an, daß witzige Leser hier reichlich Gelegenheit finden, sich über die tolle Eitelkeit eines nicht einmal sehr berühmten Künstlers auf zuregen, eines Mannes, dem tatsächlich außer seiner Kunst nichts heilig ist, eines Don Quichote, dessen Manie es ist, das Un mögliche zu unternehmen und sich Todfeinde in einer mächtigen Zunft zu schassen, in welcher er leicht den Meister spielen könnte. In Rechnung mit 25^, bar mit 33'/,/L, Partie 7/6 München, Anfang November 1910 Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 77. Jahrgang.