Volltext Seite (XML)
sMblaitMdMmllNMVMmdel j -jährlich frei GrichchlbstrUr odrr I^Npck bcl^ostü^erweijung t w-?, S. N^UI. statt 16 2N- Sl^sngejuche werden mit Id -pj. pro Zr^°M?rp" j?hrstch?^Nach ^d-m'Ausland ^olgt ^i-I-imng:? Naum°HPj""°S °Zchö«I^^°ch!2SM^ V°S^M"tllrMcht" Drüber Leipzig oder durst^ Kreuzhand, an Nichtwit^liedcr in rr Mitglieder 40 Hl.. 32 M.. so M.. too "I-. Deilagen werden Nr. 108. Leipzig, Mittwoch den 12. Mai 1915. 82. Jahrgang. Des Himmelfahrtsfestes wegen erscheint die nächste Nummer Freitag, den 14. Mai. Redaktioneller Teil Das Ausland und wir. In einer Zeit, in der die Gegensätze zwischen dem deutschen Volke und den fremden Nationen in einer Weise aufeinander- prallen, wie in dem gegenwärtigen Weltkriege, ist es begreiflich, das; im ersten iiberschwalle die Stimmen des Nationalbewutzt- seins alles übertönten. Schon im Verlaufe des Krieges sind sie wieder verstummt oder kommen doch nicht mehr mit der früheren Entschiedenheit zum Ausdruck. So auch die Forderung gewisser Kreise, daß man der deutschen Literatur und dem deutschen Volke nach Möglichkeit Übersetzungen aus fremden Sprachen fernhalten und dafür dem deutschen Schrifttum selbst mehr Berücksichtigung schenken solle. Es wurde sogar ein Aufruf veröffentlicht, in dem ein Zusammenschluß aller deutschen Kritiker gefordert wurde mit der Verpflichtung, in Zukunft Übersetzungen aus fremden Spra chen überhaupt nicht mehr kritisch zu würdigen und so dazu bei zutragen, daß die deutschen Verleger nach Möglichkeit die Über setzungen aus fremden Sprachen vom Verlage ausschlietzen. Ganz abgesehen davon, daß in den meisten Fällen der Erfolg oder Miß erfolg eines Buches nicht von den Herren Kritikern bestimmt wird, sondern daß das Lesepublium selbst darüber entscheidet, würde auch eine derartige Maßnahme vollständig dem deutschen Wesen Widersprechen. Der Vorzug des deutschen Wesens ist die Auf nahmefähigkeit alles dessen, was wertvoll und kulturfördernd ist, das Universalenrpfinden, das Weltbürgertum im besten Sinne. Der Deutsche begnügt sich nicht damit, die in seinem eigenen Lande entstandenen Literaturerzeugnisse aufzunehmen; seine Auf nahmefähigkeit und sein Wissensdurst erstrecken sich über die ganze Welt. Von überallher versteht er das Wesentliche herbeizuholen, in sich aufzunchmen und so seinen Zwecken dienstbar zu mache», j So ist es nicht nur auf dem Gebiete der Technik und der Wissen schaften, sondern vor allem auch auf den Gebieten der Literatur, Kunst und Musik. In keinem Volke hat die Weltliteratur eine solche tiefgehende Bedeutung, wie gerade im deutschen. Wir sind in den Literaturen fremder Völker in sehr vielen Fällen weit mehr bewandert als diese Völker selbst. Die großen Dichter fremder Nationen genießen bei uns Deutschen mehr Schätzung als bei den betreffenden Nationen selbst. Und wie in der Litera tur, so ist es auch in der Kunst, der Musik, in den Wissenschaften, in der Technik. Wie hat gerade in musikalischer Hinsicht der Deutsche die Komponisten fremder Länder ausgenommen und sich in ihr Wesen eingefllhlt! Die französische Malerei des vergange nen Jahrhunderts ist erst auf dem Umwege über Deutschland in ihrem eigenen Lande zur Anerkennung gelangt. Soll das nach dem Kriege nun alles aufhören? Sollen wir die auch von den fremden Nationen jetzt während des Krieges anerkannte geistige Vorherrschaft verlieren? Soll das deutsche Volk in die gleiche Enge des Horizonts getrieben werden, wie dies bei den Fran zosen und Engländern der Fall ist? Ist dieses Nichtwissen um das Fremde den feindlichen Nationen nicht gerade Verhängnis- voll geworden? Soll der Blick ins Weite, das Weltumspannende dem deutschen Volke genommen werden? Jeder, der die deutsche Kultur ernst nimmt, wird diese Frage verneinen und die Forde rung ausstellen, daß der Deutsche noch inehr als bisher sich in Zukunft das Wissen der Welt aneignen soll. Und so wird es auch die Pflicht des deutschen Verlagsbuchhandels sein, nach wie vor die deutschen Leser über die wesentlichen Erscheinungen der frem den Literatur zu unterrichten, insoweit diese geeignet sind, uns neue Werte zuzuführen, sei es in literarischer oder aber in kul tureller Hinsicht. Denn wenn auch die Forderung, die Über setzungsliteratur vollständig einzudämmen, rundweg abgelehnt werden muß, so ist doch, wie es bei Übertreibungen zumeist der Fall ist, insofern ein Teil davon beherzigenswerte Wahrheit, als in den letzten Jahren zuviel an Übersetzungen aus fremden Spra chen verbreitet worden ist, und zwar zuviel an Übersetzungen mit telmäßiger, in keiner Weise irgendwie bereichernder Literatur werke. Hier müßte allerdings Wandel geschaffen werden. Und hier könnte sich die Kritik ein Verdienst erwerben, wenn sie mit aller Entschiedenheit dagegen Stellung nehmen würde. Denn Mittelmäßiges und auch erfolgreich Mittelmäßiges besitzt die deutsche Literatur mehr als genügend. Aber niemand möchte heute in der deutschen Literatur, ganz abge sehen von den klassischen Autoren vergangener Zeiten und der prachtvollen Memoiren- und Briefliteratur Frankreichs, Über setzungen der französischen Meister des vorigen Jahrhunderts, wie Flauheit, Stendhal, Zola, Verlaine, Mörimee usw., um nur einige charakteristische Namen zu nennen, missen, niemand auf die Übertragungen der Werke von Turgenjew, Puschkin, Gogol, Dosto jewski, Tolstoi usw. verzichten. Auch die Werke der fremden Modernen, wie Shaw, France, Mereschkowski, Ssologub u. a., könnten nicht ausgeschlossen werden, ohne daß wir uns selbst schädigten. Diese bedeutenden Leistungen müssen dem deutschen Leser auch nach dem Kriege zugänglich sein und ihm ähnliche Schöpfungen stets zugänglich gemacht werden. Es ist durchaus nicht richtig, wenn gesagt wurde, daß diejenigen, die besonderes Interesse an den Werken ausländischer Dichter nehmen, die Werke in der Originalsprache lesen sollten. Wer selbst unter den Gebil deten ist heute der russischen Sprache mächtig, und wer ist in den fremden Sprachen so bewandert, daß er französische und englische Originale so lesen kann, daß er von der Lektüre den gleichen Ge nuß hat wie von einer guten deutschen Übersetzung? Denn auch der Güte der Übersetzung sollte in Zukunft etwas mehr Aufmerk samkeit geschenkt werden. Hier liegt nämlich noch vieles im argen. Aber auch unter anderen Gesichtspunkten mutz die Über setzungsliteratur nach dem Kriege noch bewertet werden. Nichts gibt uns einen tieferen Einblick in das Wesen fremder Nationen, als die Literatur des betreffenden Landes selbst. Kein noch so gründliches Reisewerk, keine noch so tiefsinnige und tiefdrin- gcnde Arbeit über das Wirtschaftsleben oder über die Sitten einer Nation läßt uns einen so klaren Einblick in das Wesen einer Nation gewinnen wie die Werke der Dichter des Landes, dem sie durch Geburt angehören, an deren Kultur und Wesen sie teil nehmen und mitschaffen, die ihre Nation verstehen und uns von diesem Wesen in ihren Werken einen Abglanz geben. Soll der einem glücklich beendeten Kriege folgende Frieden Dauer haben, so ist es unbedingt notwendig, daß eine Verständigung der jetzt 733