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^ 164, 16. Juli Nichtamtlicher Theil. 3283 Schriftsteller enthalten, und deren Verfasser nicht nur von ihrer Arbeit größeren Vortheil genießen, sondern auch viel bekannter werden sollten. „Für das neue Journal" — schrieb Lessing am 2. Februar 1768 an Nicolai, welcher sich über »die Buchdrucker Bode und Lessing«: Spöttereien erlaubt hatte — „sollen Sie nun wohl Respect bekommen, nachdem wir Klopstock's Hermann, dessen Oden und Abhandlungen über das Sylbenmaß der Alten, Gerstenberg's Ugolino, ein Lustspiel von Zachariä und ich weiß selbst nicht, wie viel andere schöne Sachen dazu erhalten haben. Wir werden uns also mit unserem Journal vor keiner Bibliothek in der Welt zu fürchten haben: weder vor der Allge meinen, noch vor der Klotzischcn." Nicolai, der das Unausführbare dieses Planes durchschaute, antwortete: „Für Ihr neues Journal habe ich allen Respect. Wenn Sie lauter solche Sachen einrücken als diejenigen, die in's erste Stück kommen sollen, so wird es alle, die jemals gewesen sind, übertreffen. Befleißigen Sie sich nur auf Vorrath von Manu skript und lassen Sie die besten Schriftsteller Deutschlands fein fleißig schreiben. Das ist die Hauptsache, wenn die Fortsetzung un unterbrochen erfolgen soll." — Auch Weiße versprach ihm seinen Beistand, berichtet Karl Lessing, mit der Ermahnung: „Ich zweifle nicht, daß die Prospekte, die Sie machen, vortrefflich sind, nur lassen Sie es nicht bloße Prospekte bleiben." Lessing und Bode hatten als Drucker ganz eigene Vorstel lungen von Eleganz, vom Formate (Lessing liebte das Format in Quart und behauptete, Wohl im Scherz, daß die deutsche Gründ lichkeit abgcnommen, seitdem man das Quart gegen die kleineren und gefälligeren Formate vertauschte; dazu kamen die rothen Linien zur Umschränkung der Seiten, kostbare Vignetten, Verzierungen re., durch welche der Druck verthcuert wurde), von der Abschaffung gewisser altfränkischer Schnörkel, wohin Lessing sogar die Signa turen rechnete, weshalb er mit Nicolai bei dem Druck der anti quarischen Briefe in Streit gerieth), von der Einführung ihm als nothwendig vorkommender Verbesserungen u. s. w. Als ein sonder barer Einfall wurde es angesehen, alles Papier zu der neuen Druckerei als Italien kommen zu lassen, weswegen der zweite Theil der „antiquarischen Briese" auf feineres Druckpapier gedruckt werden mußte, weil der italienische Vorrath bei Klopstock's Bar- diet verbraucht worden war. Beide, Lessing und Bode, liebten diese Kinder ihrer Phantasie mit einer bis zum Starrsinn gehenden Beharrlichkeit und spotteten wohl über die Winke und Warnungen ihrer Freunde. Aus einem Papier, welches Karl Lessing in seines Bruders Nachlaß gefunden hat, geht hervor, daß er mit Bode gemein schaftlich um ein kaiserliches Privilegium und die Censursreiheit sür die Dramaturgie und alle dramatischen Stücke, die sie zum Gebrauch des Hamburgischen Theaters einzeln oder in Samm lungen drucken lassen würden, angehalten hat. Beide Gesuche wurden abgeschlagen, und überdies erhielt der Rath zu Hamburg (unter dem 2S. Februar 1768) die amtliche Eröffnung, daß „Jhro kaiserliche Majestät aus der Eingabe von Bode, Bürger in Ham burg, und Gotthold Ephraim Lessing Anzeige einer dort- selbstigen gänzlichen Hintansetzung dessen, was die Reichsgesetze in puuotv der Bücher-Censur so ernst gemessen verordnen, erhalten, denselben aber zur Zeit keinen Glauben beimeffen wollten; daher habe dlsKistratns darüber in tormiuo üuorum msusiuiu seinen allerunterthänigsten Bericht zu erstatten und dabei besonders anzu zeigen, wie es Zeithero mit der Reichsgesetzmäßigen Ausstellung der Büchercensuren und Verpflichtung der Drucker aus die Reichs satzungen gehalten worden; inmittelst sollte weder Impotrantibus, noch sonst Jemanden einiger Druck oder Verkauf ohne Ccnsur gestattet werden." Der Recensent des ersten Bandes der Hamburgischen Drama turgie in der Klotzischcn Bibliothek hatte vorlaut von einer Ab handlung des Verfassers wider die Buchhändler, die ihm viel Arbeit machte, Nachricht gegeben. Lessing fertigt den Mann verächtlich ab, gibt aber zu, daß er allerdings über die nach theiligen Folgen des Nachdrucks überhaupt einige Betrachtungen anstellen und das einzige Mittel, ihm zu steuern, Vorschlägen wolle. Bei dieser Erklärung verblieb es. Ohne Zweifel stehen im Zu sammenhang damit gewisse, aus Lessing's Nachlaß bekannt gewordene anziehende Bruchstücke mit der bezeichnenden Ueber- schrist: „Leben und leben lassen. Ein Project für Schriftsteller und Buchhändler." Seit Luther, welcher die Nachdrucker Straßenräuber und Diebe nannte, bis herab zu Kant und der jüngsten Gesetzgebung in Deutschland ist der Nachdruck von den erleuchtetsten Geistern unter Philosophen und Rechtsgelehrten aus Gesichtspunkten des Rechts und der Billigkeit verurtheilt worden. Gerade zu Lessing's Zeit herrschte aber auf diesem Gebiete die größte Willkür und Ver wirrung. Kaiser Joseph II. erlaubte in seinen Staaten den Nach druck aus demselben mercantilischenGrundsatz, aus deiner die Einfuhr der Häringe verbot, — um das Geld im Lande zu erhalten —, ohne auch solche Bücher, denen er selbst als Reichsoberhaupt Schutz briese verliehen hatte, hiervon auszunehmen. Die kaiserlichen Privi legien sollten sich eben nur aus die nichtoesterreichischen Länder erstrecken und in diesen ausrecht erhalten werden. Vielleicht war nun die Sache von Dodsley L Co., von Lessing mit aller ihm zu Gebote stehenden Kraft vor das Gericht der Oeffentlichkeit gezo gen, nicht ohne Einfluß auf das kursächsische Gesetz gegen den Nach druck vom 18. December 1773, welches auch die auswärtigen recht mäßigen Verleger schützte, insofern eine Gleichheit in ihrem Lande gegen die sächsischen Unterthanen beobachtet würde. Aber erst nach dem Tode Joseph's II. wurden zu einem allge meinen Reichsgcsetze gegen den Nachdruck Einleitungen getroffen. Auf den Antrag von Kur-Mainz, mit Unterstützung von Kur-Bran denburg wurde in der Wahlcapitulation Kaiser Leopold's II. die Hebung des deutschen Buchhandels durch die völlige Unterdrückung des Nachdrucks in Aussicht gestellt. Zur Ausführung kam es dessen ungeachtet nicht. Was indeß das deutsche Reich durch seine Auflösung schuldig geblieben, das wurde nach und nach durch die einzelnen Regierungen Deutschlands, unter demVorgang despreußischenLandrechts(17S4), in allgemeinen Bestimmungen soweit angebahnt, daß endlich durch die Beschlüsse des deutschenBundes (vom 6. September und 17. Juni 1845) diese Lebensfrage für Literatur und Wissenschaft dem Streite der Philosophen und Rechtslehrer entzogen und durch die Gesetz gebung selbst einer ausreichenden Lösung zugeführt wurde. In neuester Zeit ist bekanntlich durch das deutsche Reichsgesetz, betref- treffend das Urheberrecht an Schriftwerken rc., vom 11. Juni 1870 jenes Verhältnis geregelt, und u. A. jede mechanische Vervielfälti gung eines Schriftwerks ohne Genehmigung des Berechtigten (Urhe bers, Herausgebers) untersagt worden. Doch kehren wir jetzt zu Lessing und seinen Bemühungen zur Regelung der Verhältnisse zwischen Autoren- und Buchhändler rechten zurück. Der Entwurf seiner vorhin angeführten Abhandlung legt ein sprechendes Zeugniß des ihm eigcnthümlichen Bestrebens ab, den Vortheil des Schriftstellers mit dem des Buchhändlers Hand in Hand gehen zu lassen. Er zieht keine zu scharfe Grenzlinie zwischen der geistigen und der materiellen Seite des literarischen Lebens. Lessing, der die hohe Stufe seines von Jahr zu Jahr wachsenden Ruhmes einzig und allein seinem Talente als Schriftsteller ver dankte, dessen äußere Lage aber meistens im umgekehrten Verhält- 463*