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6522 Börsenblatt f. b. Dtschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. ^-r 140, 20. Juni 1013. war es Abend geworden; die starke Hitze des Tages ward ab- gclöst von einer vom Strom herkommenden erfrischenden Kühle, und die letzten Strahlen der sinkenden Sonne tauchten die Sil houette der Ofener Berge in Gold und Purpur. Doch nicht lange konnte die Gesellschaft in fröhlichster Laune znsammenbleibcn, denn für g Uhr abends war offizieller Empfang in den Festsälen der Redoute angesetzt, den keiner versäumen wollte. Dort trafen die Koryphäen des internationalen Verlags- buchhandcls, viele mit Orden reich geschmückt, wieder zusammen. Eine Zigeunerkapelle spielte ungarische Weisen, einige jüngere Damen und Herren des Komitees führten den berühmten un garischen Cs-irdas-Tanz vor. Ein reiches kaltes Buffet wurde serviert,,an den einzelnen Tischen bildeten sich bald die lebhaftesten Gruppen alter und neuer Bekannter, und bei der guten un garischen Sektmarke Törley blieb man bis nach Mitternacht zu sammen. Am nächsten Tage (Montag, 2. Juni) morgens 10 Uhr fand im Festsaal der kgl. Akademie der Wissenschaften die feierliche Eröffnung des 8. Internationalen Verleger-Kongresses statt. Die ungarische Regierung war offiziell vertreten durch den Kultus minister Exzellenz Böla von Jankovich und durch Staatssekretär vr. Gustav v. Tory, die Hauptstadt durch Oberbürgermeister vr. Hcltai. Die offizielle Delegierten- und Teilnchmerliste nennt für Deutschland 35 Teilnehmer Verein. Staate» 1 Teilnehmer Österreich 20 Italien 16 Ungarn 71 Norwegen 4 England 7 Schweden 2 Frankreich 19 Rußland 2 Belgien 7 Niederlande 11 Dänemark 2 Schweiz 2 Spanien 15 Gesamtzahl: 2l4Teilnehmer. Durch die Herren Delegierten waren sämtliche bnchhänd- lerischc Vereine der bctr. Staaten offiziell vertreten. Für den Borsenverein waren anwesend die Herren Kommerzienrat Karl Siegismund, Artur Seemann, Georg Krehenberg, für den Deut- scheu Verlegerverein die Herren Artur Meiner, vr. Wilhelm Ruprecht, Artur Seemann und Paul Schumann. Die Sitzung wurde durch den Vorsitzenden des 7. Kon gresses, W. P. banStockum in Amsterdam, eröffnet, der dann die Präsidentenwllrde an Viktor Ranschburg, Direktor der Alhenäums-Verlagsgesellschaft in Budapest, abtrat. Hierauf hielt der neue Präsident eine längere Begrüßungsrede. Nach ihm sprach Se. Exzellenz Kultusminister B. v. Jankovich einige markige Worte, hierauf in Vertretung des Justizministers Staats sekretär vr. G. v. Töry. Letzterer machte die von der Ver sammlung mit großer Begeisterung aufgenommene Mitteilung, daß Ungarn in nächster Zeit der Berner Konvention beitreten werde, daß der Gesetzentwurf bereits ausgearbeitet sei, dem Parlament aber noch nicht vorgelegt werden könnte, da mit der Einbringung des Entwurfs auch ein solcher betr. Abänderung des Autorenrechts von 1884 notwendig wäre. Dieser Abänderungs- entwurf sei aber bereits entworfen, und sobald die Zustimmung der Ministerien erreicht sei, würden beide Entwürfe ohne Zögern dem Reichstage vorgelegt werden. Der Staatssekretär schloß mit den Wortep: »Nur eine kurze Frist trennt uns von dem Zeit punkte, da Ungarn ein Mitglied der Union sein wird«. Hierauf sprachen der Oberbürgermeister und der Präsident der kgl. Akademie, Geheimer Rat von Bcrzeviczy, nach ihnen kamen in alphabetischer Reihenfolge die Delegierten der ein zelnen Staaten zum Wort, für Deutschland sprach Herr Artur Meiner-Leipzig. für Österreich Herr Kommerzialrat Wilhelm Müller-Wien, das Schlußwort ergriff Präsident Ranschburg, der auch das Verhandlungsprogramm verlas. Die erhebende Eröffnungsfeier schloß mittags gegen 1 Uhr. Eine Anzahl Kongreßmitglieder besichtigte nachmittags die großen Verlagshäuser Budapests und deren Druckereien, die im vollen Betriebe gezeigt wurden. Man sprach sich allgemein sehr anerkennend aus über die Leistungen dieser Anstalten und deren technische Einrichtungen, die getrost denen aller anderen Länder als gleichwertig an die Seite gestellt werden können. Montag, abends 8 Uhr, fand große Gala-Vorstellung in der Oper statt; die Stadt Budapest hatte in liebenswürdigster Weise dem Kongreß seine erste Pflegestätte der Musik zur Verfügung gestellt. Es war eine glänzende Versammlung, die Parkett und Logen der Oper füllte. Eingeleitet wurde die Vorstellung mit dem Raküczy-Marsch, hierauf folgte die Ouvertüre und der zweite Akt aus der historischen Oper Franz Erkels: IIun^-M lls-la. Hier wurde unseren Gästen ein Stück ungarischer Geschichte ans dem 15. Jahrhundert vorgeführt. Ladislaus Hunyadi ist bei König Ladislaus V. in Ungnade gefallen. Der Akt beginnt da mit, wie die Witwe des berühmten Feldherrn Johannes Hnnhadi beim König um Begnadigung ihres Sohnes nachsucht, die auch erreicht wird und die der König feierlich beschwört. Die Dar stellung gipfelt in einer Reihe schöner Gruppenbilder in alt magyarischen Kostümen. Nach der Pause, während der die Teilnehmer im Foyer einen Imbiß einnahmen, gelangte der be rühmte Barcarola-Akt aus »Hofsmanns Erzählungen« zur Auf führung. Die Märchenpracht der venezianischen Nacht war meisterhaft zur Darstellung gebracht. Die Vorstellung schloß mit der Ausführung von Mozarts reizendem Ballett »Cupidos Spiel«. Der darauffolgende Tag (Dienstag, 3. Juni) war der arbeits reichste des Kongresses. Es tagten, sowohl vor- wie nachmittags, sämtliche drei Sektionen. Nachdem am vorhergehenden Tage die Frage des Kampfes gegen die Pornographie (Referent I. Wics- ner-Budapest; Korreferent Georg Krehenberg-Berlin) erörtert worden war, gelangten noch folgende Referate zum Vortrage: Über das Autorrecht bei Photographien (Referent Artur Seemann- Leipzig); Die Kinematographie und Photographie und die In teressen der Verleger (Referent F. Fon-Mailand); über den Phonograph und die Verlegerinteresscn (Referent M. Leclcrc- Paris); Gründung eines internationalen Verlegermuseums (Re ferent vr. Volkmann-Leipzig); über das Vcrlegerintcresse an der Gründung und Erhaltung einer nationalen Bücherei (Refe rent Kommerzienrat K. Siegismund-Berlin); über die über- mäßigen Verlegerrabattc (Referent W. Heinemann-London); Die Herabsetzung der postalischen Einschreibgebühren (Referent C. Junker-Wien); über eine internationale Postzeilungsmarke (Re ferent H. Feller-Karlsbad); über die Aufrechterhaltung des La denpreises im Musikalienhandel (Referenten E. Jespersen-Kopen- hagen und R. E. Ceschina-Mailand). Es knüpften sich mehr oder weniger heftige und lange Diskussionen an die einzelnen Vor träge, bei denen noch eine ganze Reihe bedeutender Teilnehmer zum Worte kamen, und es gelangten über jeden einzelnen Punkt die untenstehenden, im Plenum genehmigten Resolutionen zur Annahme. Abends fand das den Glanzpunkt der festlichen Veranstal tungen bildende Bankett, zu Ehren des Kongresses von den un garischen Verlegern gegeben, statt. Die Säle der hauptstädtischen Redoute waren abermals in ein Lichtermeer getaucht; die An ordnung der quer parallel laufenden Tafeln, mit Blumen reich geschmückt, war glücklich getroffen. Es gab sozusagen überhaupt keine schlechten Plätze. Während der Tafel konzertierte das 28. Honvöd-Jnfanterieorchester in voller Besetzung. Wiederum war die kgl. Regierung offiziell vertreten durch die Anwesenheit des Kultusministers v. Jankovich und des Staatssekretärs vr. v. Töry, die Stadt Budapest repräsentierte die markige Gestalt des Ober bürgermeisters vr. Heltai und die Wissenschaft Akademiedircktor Geheimer Rat v. Berzebiczy. Man verfuhr nach guter deutscher Sitte, das köstliche Mahl durch eine Reihe klangvoller Reden zu Würzen, eingedenk des Wahlspruchs: »Wenn gute Reden sie be gleiten, dann fließt die ,Arbeiü munter fort«. Man fand Herz- liche Worte der gegenseitigen Wertschätzung, und begeistert aus genommen wurde der Toast des Präsidenten des ungarischen Buchhändlervereins Julius Benkö auf den greisen König Franz Joseph. Die größte Genugtuung aber mag den ungarischen Kol legen die warmherzige begeisternde Danksagung bereitet haben, die ihnen die auswärtigen Gäste für den fürstlichen Empfang und die rührenden Aufmerksamkeiten darbrachten, ebenso die Worte des Lobes, die der schönen Hauptstadt und dem gastlichen Lande Ungarn galten. Man blieb in angeregtester Unterhaltung bis nach