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verständigen, Herrn W. Challier, zu verdächtigen und ihn als befangen abzulehnen, scheiterten an der energischen Zurückweisung dieser Verdächtigungen seitens des Herrn Challier selbst und an dem kräftigen Eintreten der Staatsanwaltschaft für ihn. Der Staatsanwalt betonte unter anderem, daß, wenn der Gerichtshof Herrn Challier als -befangen- ablehnen sollte, er bei jedem anderen Musikocrlegcr, der an Herrn Challiers Stelle träte, in derselben Lage sein würde; denn in dem Sinne, wie Herr Challier befangen, seien cs die Herren alle, d. h., sie seien entschiedene Gegner der geschäftlichen Gepflogenheiten des Angeklagten, gegen den etwa dreißig Nachdrucksprozesse schwebten. Der Gerichtshof lehnte nach längerer Beratung den Antrag der Verteidigung ab. In dem Falle 1 und 2 (Rossi, Margherita und Rsichardt, Ich kenn' ein Auge) wurde der Thatbestand des Nachdrucks scstgeftellt, der Angeklagte jedoch frcigcsprochen, da er nach Ansicht des Ge richtshofes auf Grund entschuldbaren Irrtums in gutem Glauben gehandelt hat. (8 18, Absatz 2 des Gesetzes vom 11. Juni 1870.) Im Falle 3 (Stumme von Portici) versicherte der Angeklagte, daß er das Potpourri bereits im Jahre 1892 hergestellt habe, was sein Notendrucker bezeugen könne. Die Strafverfolgung des Nach drucks und die Klage auf Entschädigung wegen Nachdrucks seien somit verjährt. Der Gerichtshof beschloß Vertagung und Ladung des Notendruckers als Zeugen zur nächsten Hauptverhandlung. Auch im Falle 4 (Koschat, Verlassen bin i) kam es zu einer Vertagung. Der Angeklagte behauptete nämlich, daß Koschats Komposition keine Original-Komposition sei, vielmehr die Be arbeitung eines bereits vorhandenen Kärnthner Volksliedes, das er dem Gerichtshof vorlegte. Der Gerichtshof beschloß, von dem Musikalischen Sachverständigen-Berein ein Gutachten darüber ein zufordern, ob die Koschatsche Komposition in der That als eine Bearbeitung der vorgelegten Kärnthner Volksmelodie, oder viel mehr als eine selbständige Komposition zu betrachten sei. Im Falle 5 (Dregert, Zieh hinaus) lag ein Gutachten des Musikalischen Sachverständigen-Vereins vor, in dem die im Verlage von Michow erschienene Komposition desselben Textes von Gust. Steffens als -partieller- Nachdruck der Dregertschen Original kompositionen gekennzeichnet wurde. Die Bemühungen der Ver teidigung, auch dieses Gutachten zu beanstanden, scheiterten wiederum. Der Gerichtshof erkannte auf Grund dieses Gut achtens und auf Antrag des Staatsanwalts, daß Nachdruck vor- liege, und verurteilte den Komponisten G. Steffens als Ver anlasser desselben zu 30 ^ Strafe. Michow wurde freigesprochcn mit der Begründung, daß ein Verleger, wenn ihm von einem Autor eine Komposition als Originalkomposition zum Verlage angebotcn werde, nicht voraussetzen könne, daß in jener Kompo sition ein teilweiser Nachdruck eines fremden Werkes enthalten sei. Außerdem wurde dem Geschädigten (Otto Forberg in Leipzig) eine Buhe von 50 ^ zuerkannt. L. Lall. Die Aufhebung des österreichischen Zeitungs- und Kalenderstempels. — Wie hier schon früher mitgeteilt worden ist, hat die österreichische Regierung dem Reichsrat folgenden Gesetzentwurf vorgelegt: 8 1. Der Zeitungs- und Kalenderstempel wird vom 1. Januar 1900 an aufgehoben. 8 2. Die Regierung wird ermächtigt, bis Ende September 1900 für die bis dahin nicht verkauften, gestempelten Kalender des Jahres 1900, wenn dieselben keine Spur eines Gebrauches an sich tragen, den entrichteten Stempelbetrag unter sinn gemäßer Beobachtung der im 8 19 des kaiserlichen Patentes vom 6. September 1850, R.-G.-Bl. Nr. 345, festgesetzten Vorsichten bar rückzuvergüten. 8 3. Mit dem Vollzüge dieses Gesetzes ist Mein Finanz minister betraut. Die Begründung lautet, wie folgt: -Seit vielen Jahren und immer dringender und lauter wird im Abgeordnetenhause, sowie außerhalb desselben die Forderung wegen Aufhebung des Zeitungs- und Kalenderstempcls gestellt. Dieses Begehren kam im hohen Abaeordnetenhause in zahlreichen Anträgen, Resolutionen und in der XI. Session auch in der Votierung eines die Beseitigung des Zeitungsstempels bezweckenden Gesetzentwurfes zum Ausdrucke. -Auch seither wurden von Abgeordneten verschiedener Parteien in dieser Richtung Anträge gestellt und von der Regierung in der XIV. Session ein bezüglicher Gesetzentwurf eingebracht. -Allen diesen Bestrebungen liegt die Ansicht zu Grunde, daß der Zeitungs- und Kalenderstempel veraltete, mit den sozial politischen Gesichtspunkten der neueren Gesetzgebung nicht mehr vereinbarliche Abgaben bilden. -Der Zeitungsstempel bedeute — so wird nicht ohne Berech tigung argumentiert — eine Belastung, die nur kapitalskräftigere Unternehmungen selbst tragen können, während finanziell schwächere den Stempel durch die Erhöhung des Verkaufspreises auf die Konsumenten überwälzen müssen, wodurch einerseits die Bildung SeMundieKzlgstir Jahrgan,. und Entwicklung solcher Unternehmungen erschwert und mittelbar auch die mit der Presse in Verbindung stehenden Industriezweige berührt werden, anderseits die Verbreitung von Nachrichten und Kenntnissen durch die Zeitungen gerade unter der ärmeren Be völkerung behindert wird. In ähnlicher Weise wirke auch der Stempel in Ansehung jener Kalender, die unter der ärmeren, ins besondere ländlichen Bevölkerung verbreitet sind und für diese häufig fast die einzige Lektüre bilden. Bei ausländischen Zeitungen mache sich der Stempel als eine Belästigung des Verkehrs, ins besondere des Fremdenverkehrs, fühlbar und behindere auch — abgesehen von dem umständlichen, in keinem Verhältnisse zum Ertrage stehenden Apparate zur Erhebung der Abgabe — den Eintritt von Blättern, welche im Inland journalistisch nicht ver tretene Bildungsgebiete umfassen. -Für die Stellungnahme der Regierung gegenüber dieser Frage waren früher vor allem staatsfinanzielle Rücksichten maß gebend, da es sich um Einnahmen von mehr als 2>/, Millionen Gulden handelt. -Ungeachtet dieser finanziellen Bedenken glaubt die Regierung die Einbringung einer derartigen Vorlage nicht weiter hinaus schieben zu sollen und schlägt daher mit dem vorliegenden Gesetz entwürfe, der bis auf eine seither notwendig gewordene Ab änderung mit dem dem Abgeordnetenhause bereits in der XIV. Session übermittelten Entwürfe übereinstimmt, neuerlich die Auf hebung des Zeitungs- und Kalenderstempels vor. -Zu dieser Aktion hat die Regierung in Ansehung des Kalender stempels sich der Zustimmung der ungarischen Regierung versichert, die aus dem Grunde erforderlich war, weil in dem mit Ungarn bestehenden Stempel- und Gebühren-Uebereinkommen vom 2. Oktober 1868 die Uebereinstimmung der Grundlagen der Gesetzgebung über den Kalenderstempel vereinbart erscheint. -Als Zeitpunkt für die Aufhebung des Zeitungs- und Kalender stempels wird im § 1 der 1. Januar 1900 in Vorschlag gebracht. -Im 8 2 wird hinsichtlich des Kalenderstempels eine Ueber- gangsbestimmung getroffen, durch die die sinngemäße Anwendung der im 8 19 des kaiserlichen Patentes vom 6. September 1850, R.-G.-Bl. Nr. 345, vorgesehenen Gebühren-Rückerstattung für ab gestempelte, jedoch ungebrauchte nnd nicht verkaufte Kalender des Jahres 1900 ermöglicht wird.« Gegen die Besorgung von Schulartikeln durch Lehrer. — Die Vereinigung der Schreibwarenhändler von Leipzig und Umgebung hat eine mit Unterschriften von 137 Firmen des Leipziger Schreibwaren-Klein- und Großhandels bedeckte Ein gabe beim Rate und dem Stadtverordneten-Kollegium der Stadt Leipzig eingereicht. Sie ersucht um Beseitigung bezw. Aenderung des 8 20 der Leipziger Lokalschulordnung, wonach der Lehrerschaft eine Berechtigung zur Besorgung und Abgabe von Schulartikeln an die Schulkinder zusteht. Der Umstand, daß in einer Stadt wie Leipzig, dem Mittelpunkte des deutschen Schreibwarenhandels, eine Besorgung von Schulartikeln durch die Lehrerschaft zum Zwecke der Erlangung vorschriftsmäßigen Materials hinfällig er scheint, hat die Unterzeichner veranlaßt, an die städtischen Be hörden das Gesuch um Aufhebung jener Bestimmung zu richten, die dem Schreibwarenhandel in seiner gedeihlichen Entwickelung hinderlich ist. Verurteilter Kolporteur. — Der 27 Jahre alte, ledige Kolporteur Alexander Terfort von Vüchtel, vor dem schon früher im Börsenblatt gewarnt worden ist (vgl. die von H. O. Sperling in Stuttgart herausgegebene -Suchliste«), der unter den falschen Namen Fort, Jansen oder Jensen einen Wirt zu Reut lingen um 17 und einen solchen in Stuttgart um 31 für Zeche, ferner zwei Stuttgarter Buchhändler mittels gefälschter Bestell zettel um 34 ^ und 7 ^ geschädigt hat, nachdem er auch Berliner und Wiesbadener Buchhändler in gleicher Weise betrogen hatte, wurde am 13. d. M. vom Landgericht Stuttgart wegen Betrugs und Urkundenfälschung zu fünfmonatiger Gefängnisstrafe verurteilt. Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Bayern. — Am 19. d. M. fand in der Universität zu München die erste konstituierende Generalversammlung der im Sommer dieses Jahres ins Leben gerufenen -Gesellschaft zur Herausgabe von Denkmälern der Tonkunst in Bayern- statt. Die Allgemeine Ztg. berichtet darüber: Die Versammlung war von einem erlesenen Kreis von Münchener Künstlern, Gelehrten und Musikfreunden besucht. Unter den Teilnehmern bemerkten wir auch Minister Or. Freiherrn v. Crailsheim. Eröffnet wurde die Versammlung durch einen Vortrag des Privatdozenten Kustos Or. Sandberger, der sich über die der Versendung des Gründungsaufrufs vorangegangenen Vorverhandlungen und Vorarbeiten, die teilweise bis in das Jahr 1889 zurückgchen, sowie über die Aufgaben der Gesellschaft aussprach. Redner entrollte in kurzer, ungemein inhaltsreicher Darstellung ein Bild 1177