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Börsenblatt f. d. Dtschn. vuchhandrl. Redaktioneller Teil. ^ 167, 21. Juli IS 16. heit des betreffenden Geschäftsinhabers darunter leidet, das werden Sie sich alle selber ausmalen können. Und wenn Sie einen Einblick in die Verhältnisse des Sortiments getan hätten, wie es mir durch diese vertraulichen Herzensergüsse möglich gewesen ist — meine Herren, Sie würden staunen. Mir hat der Inhaber einer sehr großen Sortimentssirma gesagt, daß er sich ein monatliches Taschengeld von 30 leiste, und dabei handelt es sich um ein Geschäft, welches eines der ersten im Buchhandel ist. Meine Herren, das gibt doch zu denken. Da brauchen wir gar keine doppelte Buchführung; das sind Zahlen, die man wohl auf Grund einer einfachen Buchführung ohne weiteres Nachweisen kann. Alle Bemühungen unsererseits, hier eine Besserung zu erzielen, sind ja aus nahezu unfruchtbaren Boden gesallen, und es hat mich besonders schmerzlich berührt, daß namentlich auch bei der Redaktion des Börsen blatts so wenig Verständnis für die Notlage des Sortiments vorhanden ist. Denn ich habe jetzt wieder bei Besprechung der Gründung der Deutschen Buchhändlergilde im Börsenblatt gelesen: Die Gilde sollte sich nicht darin gefallen, die Rabattschraube ständig anzuziehen. Meine Herren, mir fehlen wirklich die Ausdrücke, um das gebührend zu kennzeichnen. Mögen die Herren einmal in das Sortiment hincin- sehen, wie die Verhältnisse da wirklich liegen, bevor solche von Sach kenntnis nicht getrübten Ratschläge niedergeschrieben werden. Nun komme ich zu einer anderen Sache. Herr Pape hat vorhin den Normalrabatt, wie er ihn sich denkt, aus 30HH festgesetzt. Ich stehe auf dem Standpunkt, daß das noch ungenügend ist: der Normal- rahatt im Sortiment muß mindestens 33^tzß betragen. Ich werde Ihnen auch die Gründe dafür angeben. Erstens ist das ein ganz normaler Satz, womit auch der übrige Detailhandel mit ganz wenigen Ausnahmen arbeitet. Jeder Inhaber eines Detailgeschäfts wird Ihnen das bestätigen, und dabei handelt es sich meist um Be triebe, die nicht einen solchen Spesenauswand erfordern, wie der Be trieb eines Sortiments. Denn in solchen Warengeschäften sind z. B. Verkäuferinnen, die monatlich 50 his 60 bekommen, und das sind schon ziemlich hohe Gehälter; wir werden wohl kaum den jüngsten Gehilfen unter 100 anstellen können. Sodann kommen viele andere Unkosten hinzu, von denen der übrige Detailhandel gar keine Ahnung hat. Wenn ich also einen Rabatt von 33^tzß annehme, so bedeutet das nun nicht etwa einen Mehrgewinn von sondern es bedeutet nur einen Mehrgewinn von ungefähr 4tzß; denn Sie werden sich er innern, daß ich vorhin sagte, daß nur die Hälfte des Umsatzes un genügend rabattiert sei. Wir würden also aus die Hälfte des Um satzes 8«/,tzh mehr bekommen, und das bedeutet auf den Gesamt umsatz 4tzß mehr. Meine Herren, ich glaube, das ist wohl keine un billige Forderung, die wir stellen. Und wenn nun von den Herren Verlegern behauptet wird, daß dann die Bücher zu hohe Preise bekommen würden, wodurch der Ab satz geschädigt würde, und daß unser Stand keine volkswirtschaftliche Berechtigung hätte, wenn wir nicht zu so niedrigen Rabattsätzen Weiterarbeiten könnten, dann kann man mit demselben Recht sagen, dann haben ihre Bücher keine Existenzberechtigung, wenn sie nur zu solchen Preisen in den Handel gebracht werden können, daß der Sorti menter dabei Hunger leidet. Ebenso wie die Verleger ihren Druckern, ihren Buchbindern usw. enorme Zuschläge bewilligt haben, aus dem einfachen Grunde, weil sie es mußten, und ohne Schädigung des Ab satzes, ebensogut ist es auch möglich, diese 8 «/ztzß in die Ladenpreise der Bücher mit hineinzukallulieren. Meine Herren, wenn ein Buch an sich einen vernünftigen Ladenpreis hat — es gibt ja Bücher, die von vornherein mit einem viel zu hohen Ladenpreis in den Handel kommen — dann ist es wirklich ganz gleich, ob es statt 10 ^ 11 Ik oder statt 8 9 ^ kostet; nicht ein Exemplar wird deshalb weniger verlaust werden! Nun bedenken Sie weiter auch folgendes. Der Krieg wird, wenn er zu Ende ist, derartige Neubelastungen für jedes Geschäft und auch für uns Ladeninhaber bringen, daß wir schon deshalb mit einer Er höhung unseres Rabatts durchaus rechnen müssen. Die Hausbesitzer, die an den Wohnungsmieten einen enormen Aussall gehabt haben, werden versuchen, diese Ausfälle wieder von den Ladeninhabern her einzuholen, da ja der Inhaber eines Ladengeschäfts seine Räume nicht so leicht aufgebcn kann wie der Inhaber einer Privatwohnung, wenn er gesteigert wird. Wie unglücklich die Sache schon jetzt mit den Mieten liegt, das können Sie daraus ersehen, daß in Berlin Unter den Linden, in der Friedrichstraße vom Bahnhof Friedrichstraße bis zur Leipziger Straße und in der ganzen Leipziger Straße auch nicht ein einziger Sortimenter mehr zu finden ist. Unter den Linden ist allerdings noch einer, die Hirschwaldsche Buchhandlung, deren Schwer punkt aber im Berlage liegt und die im eigenen Hause wohnt. Meine Herren, Sie können in diesem Haupt-Fremdenviertcl in Berlin herum laufen und können in dieser ganzen Gegend kein Buch kaufen! Das gibt doch zu denken. Und dabei ist der Sortimenter gezwungen, in guten Gegenden zu wohnen; denn sonst macht er überhaupt keine Ge schäfte. Wenn also der Buchhandel in diesen sogenannten guten Ge genden nicht mehr bestehen kann, dann haben Sie auch darin schon einen Beweis für den ungenügenden Rabatt. Ferner müssen wir berücksichtigen, daß die Lebensmittelpreise nicht so bald wieder fallen werden. Es ist eins alte Erfahrung: diese Geschäftsleute verstehen es großartig, die Preise hochzuhalten, auch wenn die Gründe dafür längst nicht mehr bestehen. Wir werden also weiterhin mit einer verhältnismäßigen Teuerung zu rechnen haben, die Angestellten werden infolgedessen höhere Löhne verlangen, der Wert des Geldes wird sinken. Und dabei sollen wir weiter mit 25tzß arbeiten! Meine Herren, das bedeutet den vollständigen Ruin des Sortiments; in wenigen Jahren ist alles zusammengebrochen. Meine Herren Verleger, fragen Sie einmal herum in den Kreisen des Berlages selbst. Ich kenne genug Verleger, die gute Freunde im Sortiment hahen, von denen sie genau wissen, wie schlecht es ihnen geht, aber nichts geschieht. Meine Herren, es ist höchste Zeit, daß ernstlich an die Bcrleger-Rabattfrage herangegangen wird, daß der Vorstand des Bcrlegervereins sich mit diesen Zuständen beschäftigt. Ich erinnere daran, daß vor einigen Jahren bei den Verhandlungen mit den Bibliotheken, als wir an das Preußische Kultusministerium herantraten, den Bibliothekenrabatt zu verringern, Herr Geheimrat Siegismund hier eine sehr interessante Rede gehalten hat, worin er aussührte, auf Grund einer Statistik in 10 Berliner Sortimentsbuch handlungen sei nachgewiesen worden, daß die Einkünfte dieser be treffenden Kollegen so gering waren, daß der Kultusminister — oder der betreffende Dezernent — schließlich gesagt hätte: »Daß es dem Sortimentsbuchhandel schlecht geht, Hahen wir gewußt; daß es ihm aber so schlecht geht, haben wir nicht gewußt«. Und das war schließlich ausschlaggebend, daß wir zu einer Einigung mit den Bibliotheken kamen. Meine Herren, das liegt nun schon 10 Jahre zurück; inzwischen sind die Verhältnisse noch wieder viel ungünstiger geworden. Ich stehe aus dem Standpunkt: 33i/zhß muß der Normalrabatt werden. Es werden noch genug Artikel übrig bleiben, die von den Ver legern aus zwingenden Gründen, welche wir alle anerkennen, nicht mit diesem Rahattsatz geliefert werden können; dazu werden namentlich die Schulbücher und einige andere Sachen gehören. Aber wir müssen verlangen, daß bei den Büchern und Zeitschriften, wo es irgend mög lich ist, und das ist auch bei der wissenschaftlichen Literatur möglich, der Rabatt auf 33 i/ztzß erhöht wird, wenn nicht der ganze Sortiments buchhandel in kürzester Frist zusammenbrechen soll. (Lebhaftes Bravo und Händeklatschen.) Vorsitzender: Wünscht noch jemand zu diesem Punkte das Wort? — Das ist nicht der Fall. Dann gehen wir-weiter. Fortfall des Rabatts. Behördenrabatt. — Das kommt wohl nachher noch bei dem Antrag zu Nr. 6 unserer Tagesordnung. — Herbstversammlung in Goslar — die ja lediglich eine Borsitzeudenversammlung gewesen ist. — Schaffung einer Sortimenterorganisation außerhalb der Kreis- und Orts- vereine. Ausschuß zur Vorbereitung einer Organi sation des Sortiments. Dazu hat Herr Nitschmann das Wort. Paul Nitschmann (Berlin): Meine Herren! In Ausführung der Beschlüsse der Abgeordnetcnversammlung des Verbandes der Kreis- und Ortsvereine in Goslar am 4. September 1915 ist gestern hier in Leipzig unter dem Namen »Deutsche Buchhändlergilde« eine Organisation des Sortiments gegründet worden, die ihren Sitz in Berlin hat und der sich bisher annähernd 950 Sortimentsbuchhändler Deutschlands, Österreich-Ungarns, der Schweiz und des neutralen Auslandes angeschlossen haben. Der Zweck der Deutschen Buch händlergilde soll sein: »Die Zusammenfassung des gesamten deutschen Sortimentsbuchhandels, seine wirtschaftliche Hebung und Vertretung nach innen und außen.« Die Deutsche Buchhändlergilde wird ihre Ziele außerhalb der Organisation der Kreis- und Ortsvereine zu er reichen suchen, um ihre volle Unabhängigkeit zu wahren. Sie wird