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Redaktioneller Teil. AS 145, 3. Juli 1920. oder ähnlichen Maßnahmen Sie die Folgen am Verlagsgewerbe in kurzer Zeit erlebe» werden. Rehmen Sie diese Ansicht von mir entgegen, mit dem Zusatz, daß ich persönlich wahrscheinlich nicht mehr lange an der Spitze der Wirtschaftsstelle stehen werde; wenn Sie also einen Rat von demjenigen hören wollen, der vier Jahre die Wirtschaftsstelle geleitet hat, die Dinge kennt und als persönlich Uninteressierter zu Ihnen spricht, so kann ich Ihnen nur sagen: Lassen Sie die Dinge gehen, so wird tatsächlich keine Möglichkeit bestehen, für das Verlagsgewerbe irgend etwas Be sonderes zu tun. Dann soll man aber auch nachher keine Klage lieder singen. Im übrigen habe ich bisher heute nur Kritiken gehört, aber keine Vorschläge, wie man es anders oder besser machen kann. (Sehr richtig!) Es wird nur geklagt und geklagt : -Wir haben kein Papier, die Wirtschaftsstelle versagt vollständig, ihre Leitung versagt vollständig». Ja, meine Herren, die Sie alles ablehnen, machen Sie doch Vorschläge, loie Sie helfen und bessern wollen. Glauben Sie doch nicht, daß Sie mit dem so genannten freien Markt etwas erreichen. (Sehr richtig!) Nur diejenigen, di« dann hingehen und das Kilogramm Papier viel leicht mit 15 bis 20 Mark bezahlen, werden Papier bekommen. Glauben Sie, daß die Papierfabriken und der Papierhandel Ihnen um Ihrer schönen Augen willen von sich aus Papier bil liger liefern werden? Ich glaube, meine Herren, Sie würden sich täuschen. Wollen Sie den Versuch wagen, meine Herren, dann tun Sie es, dann machen Sie aber nachher nicht andere verantwortlich! Hofrat vr. Erich Ehlermann (Dresden): Durch die letzten beiden Redner ist ja die Debatte wieder in eine Bahn gelenkt worden, die nach meiner Überzeugung die einzige ist, auf der wir überhaupt vorwärts kommen; denn wer der Debatte bisher gefolgt ist, wird mit Staunen gesehen haben, daß die Versamm lung eigentlich auf dem Standpunkt steht: Nm die Regierung will wieder einmal von uns etwas haben, und das wollen wir uns freundlichst verbitten. (Sehr richtig!> — Es liegt aber doch tatsächlich so, daß sich die Verhältnisse im letzten Jahre voll ständig verschoben haben. Der Vcrlagsbuchhandel hatte sich ein gerichtet mit seinem Kontingent und mit den Preisen, die er für das Papier anlegen mußte. Er konnte die Bücherpreise einiger maßen in die Höhe setzen und ist einigermaßen erträglich damit gefahren. Jetzt stehen wir jedoch so, daß das nicht mehr gehl. Die Preise sind derartig in die Höhe gegangen, daß nach meiner Überzeugung der Vcrlagsbuchhandel gar kein dringenderes Inter esse hat, als zu sagen: Bis hierher und nicht weiter! (Sehr richtig!) Wir müsse» nicht nur ein bestimmtes Kontingent ha ben, sondern wir müssen auch annehmbar« Preise haben. (Sehr richtig!) Und wenn nun die Regierung kommt und sagt: ich will den Versuch machen, und ich zeige einen Weg, auf dein dieses Ziel des Vcrlagsbuchhandels vielleicht — ich unterstreiche das V ie l le i ch t — erreicht werden kann, so, meine ich, kann der Verlagsbuchhandel gar nichts anderes tun, als der Regierung für diesen guten Willen zu danken und, wie Herr Direktor Reiß ganz richtig ausgefllhrl hat, zu sagen: so muß es gemacht werden. Die Regierung sagt: ich mache dir Vorschläge; aber in den ganzen zwei Stunden, die wir über die Sache gesprochen haben, habe ich von diesen Vorschlägen noch nicht ein Wort gehört. (Sehr richtig!) Also Sie gestatten, daß ich auf diesen Punkt noch eingehe; denn der scheint mir der springende Punkt zu sein. Allerdings will ich borausschicken: wenn die Regierung etwas machen will, dann muß sie entschlossen sein, durchzugreisen. Was Herr Or. Ullstein nicht ganz mit Unrecht gesagt hat, gilt nicht nur von der Tätigkeit der Kriegswirtschaftsstelle, sondern von der Kriegs wirtschaft überhaupt: »Werft das Scheusal in die Wolfsschlucht!« Er hat in gewissem Sinne ganz recht. Aber warum? Weil die ganze Kriegswirtschaft eine große Halbheit war. Sie hat unwissentlich, gewiß — nichts erreicht, als das Schiebertum groß, zuzüchten. (Sehr richtig!) Das muß aufhören. Wenn das Reich nicht in der Lage und nicht Willens ist, diesen Krebsschaden zu beseitigen, oder wenigstens das, was sie schafft, aus wirtschaft lich so gesunde Grundlage zu stellen, daß wir auch zum Ziele kommen, dann soll sie lieber die Hand davon lassen. Aber sie soll sich nicht einbildcn, daß Slaaisgesctz über Wirtschaftsgesetz gehe. 7 l« Das Wirtschaftsgesetz ist immer das, war sich durchsetzt, und daß man das nicht erkannt hat, war der Fehler. Man hat geglaubl, einfach niedrige Preise diktieren zu können, wenn die Nachfrage stieg. Das ist ein Unsinn, und das hat sich eben gerächt. Wein es nicht möglich sein sollte, die betreffenden Papierfabriken, mit denen ein Abkommen getroffen werden soll, wirtschaftlich so zu stellen, daß sie ungefähr denselben Ertrag erwirtschaften, den die übrigen, nicht gebundenen Papierfabriken haben, dann wird die ganze Sache ins Wasser fallen. — Das sind also Voraussetzungen, die erfüllt werden müssen, die wir aber hier nicht zu erörtern haben. Ich wende mich zu den Vorschlägen, die hier gemacht worden sind. Im großen und ganzen Halle ich es nicht für unmöglich, daß hier das Ziel erreicht wird. Ich habe imr einige Bedenken. Das erste ist das der Herabsetzung des Kontingents auf 50 Pro zent. Diese bittere Pille wird ja einigermaßen versüßt dadurch, daß man sagt: Ja, der Preis wird auch herabgesetzt. Er wird vielleicht herabgesetzt — ich will keine bestimmte Zahl nennen, weil ich es nicht beurteilen kann —, vielleicht auf weniger als 50 Prozent der jetzigen Preise. Es gibt meines Erachtens Be triebe oder Gruppen von Büchern, denen mit 50 Prozent nicht gedient ist. Die müssen unter allen Umständen ihre 100 Prozent haben, die müssen voll beliefert sein. Und ich halt« es für be denklich, wenn uns gesagt wird: Ja, wir wollen die 50 Prozent geben, aber es soll von Fall zu Fall eine Ausnahme bewilligt werden. Das öffnet der Willkürwirischaft Tür und Tor (Sehr richtig!), und ich meine, die Sach« wird dadurch nur um so be denklicher, daß nun der Kriegswirtschaftsstelle, die doch gänzlich unbeteiligt war, ein allerdings sachverständiger, aber doch für alle Fälle auch sachlich interessierter Beirat beigegeben wird. (Sehr richtig!) Wir dürfen die Augen nicht davor verschließen, daß in dem Beirat Männer sitzen, deren Integrität ich selbstver ständlich nicht im mindesten bezweifle, die aber doch unter Um ständen Konkurrenlen dessen sind, der eine Ausnamebewilligung haben will. (Sehr richtig!) Da wollen wir uns gegenwärtig halten, daß wir alle Menschen sind. Ich bin deshalb der Mei nung, daß es besser wäre, wenn erreicht werden könnte, für bestimmte Gruppen von Büchern — es wird vielleicht gar nicht einmal so schwer sein, diese Gruppen herauszusuchen — ein für allemal zu sagen: sie werden voll belteferl. Die übrigen erhalten dann ihre 50 Prozent und müssen je nach Lage des Falles glaub haft machen, daß sie einer höheren Belieferung bedürfen. Auch da werden wir nicht an eine Vorzensur über den Inhalt des Buches zu denken haben, sondern man wird sich im großen und ganzen an die wirtschaftliche Bedeutung des Buches halten müs scn. Ich will z. B. nur sagen: Bücher, die bereits den Beweis ihrer Notwendigkeit dadurch geführt haben, daß sie in vielen Auflagen erschienen sind, werden viel eher einen Anspruch erheben können, mit 100 Prozent beliefert zu werde», als eine vollkom mene Neuerscheinung, die vielleicht ebenso gut überharcht unter bleiben könnte. — Also ich möchte empfehlen, daß, wenn irgend möglich, feste Grundsätze aufgestellt, die Bücher in Gruppen ein geteilt und jenachdem 100 Prozent und weniger an dies« Grup Pen verteilt werden. Es ist Wohl selbstverständlich, meine Herren, daß es jedem Buchhändler sreisteht, nun nach diesem Vorschlag, soweit er nichl von der Wirtschaftsstelle zu billigerem Preise beliefen worden ist, am freien Markt seinen Bedarf zu ergänzen. Er ist also nichl in vollem Matze darauf angewiesen und ist nicht etwa genötigt, sich auf die 50 Prozent zu beschränken, wenn er nicht mehr be kommt, sondern er hat die Möglichkeit, diese Menge zu ergänzen. Er wird sich dann einen gewissen Durchschnittspreis zu errechnen haben. Aber das ist immerhin noch besser, als wenn er durch weg die hohen Preise bezahlen müßte. Nun ist es aber nicht möglich, den Papierhandel in der Weise an der Belieferung zu beteiligen, wie es bisher üblich war, wndern ich würde es sür richtig halten, daß es für jeden Ver leger bei dem Status bleibt, der bei ihm üblich war. Ist der Verleger gewohnt gewesen, direkt von einer Fabrik zu beziehen, so bezieht er in Zukunft auch direkt, und ist er gewohnt gewesen, durch einen Händler zu beziehen, so bezieht er auch in Zu kunst durch seinen Händler; dieser wird von der Fabrik beliefert