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Nichtamtlicher Theil. Bayerischer Buchhändlerverein. Unterm 7. August 1882 richtete der Vorstand des bayerischen Buchhändlervereins in Ausführung eines Beschlusses der Haupt versammlung vom 25. Juli 1881 an das königl. Staatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten die nach stehend unter I. abgedruckte Eingabe und erhielt in Erledigung derselben unterm 28. Januar d. I. den unter II. folgenden Be scheid, welchem die Nummer 2 des „Ministerialblattes für Kirchen- und Schulangelegenheiten" vom 26. Januar d. I. bei- gclegt war; letztere enthält die unter III. wiedergegebene Ministerial-Entschließung I. Zum k. bayer. Staatsministerium de» Innern für Kirchen- uud Schulangelcgenheitcn. Es ist ein von jeher seitens der Buchhändler Bayerns, soweit sie sich dem Berkause von Schulbüchern widmen, äußerst nachlheilig em pfundener Uebelstand, daß an den meisten Mittelschulen, namentlich Gymnasien, in der Regel erst unmittelbar vor Beginn des Unterrichts im »cuen Schuljahre von den Lehrerkollegien Beschluß gefaßt wird, welche von den in Gebrauch gestandenen Lehrbüchern beibehalten oder durch andere ersetzt, und welche im letzteren Falle neu eingesührt werden sollen. Wie wir weiterhin des Näheren darzulegen uns erlauben werden, trifft dieser Uebelstand zwar zumeist den Buchhandel, in nicht geringerem Grade aber auch die Schüler und deren Eltern, ja der Unterricht selbst leidet darunter. Der treugehorsamst Unterzeichnete Vorstand des bayerischen Buch händlervereines erlaubt sich deshalb in Ausführung eines Beschlusses der letzten Generalversammlung dieses Vereines einem hohen Staats ministerium die Bitte zu unterbreiten: Es wolle das seither an den meisten Mittelschulen gebräuchliche Verfahren bei Einführung von Schulbüchern einer Aenderung und festen Regelung dahin geneigtest unterzogen werden, daß künftighin alle bezüglichen Beschlüsse je mit Ende des Schuljahres zu treffen sind. Zur Begründung dieser Bitte seien folgende Erwägungen gestattet. Seither wurde die Frage, ob ein neues Schulbuch einzuführen sei, erst in den letzten Tagen oder am letzten Tage der Ferien, also ganz knapp vor und am Beginn des neuen Schuljahres, von dem Lehrerkollegium berathen. Es geschah dies beim Wiederzusammentritt des Collegiums vor Beginn des neuen Schuljahres. Der Buchhändler halte sich wohl schon am Ende des letzten Schul-Jahres beim Reclorate und auch vielleicht bei Professoren erkundigt, ob und welche Aenderungen in Aussicht stünden. Er harte aus die ihm erthcilte Auskunst hin seine Bestellungen gemacht und einen Borrath von Schulbüchern kommen lasten, groß genug, um dem Vedarse bei Beginn des nächsten Schuljahres zu genügen. Jetzt — in der letzten Stunde — wurde im Collegium eine Aenderung beschlossen. Die Schüler kommen und verlangen bas Buch, dessen Neueinsührung beschlossen wurde. Durch sie erfährt erst der Buchhändler von der Neueinführung. Auf der einen Seite hat er nun vielleicht Hunderte von Büchern angeschafsl, die jetzt mehr oder minder werthlos sind, so daß der Buch händler pekuniär auss empfindlichste geschädigt ist. Aus der andern Seite soll der Unterricht beginnen und es fehlt an dem neueingefüürten Lehrmittel. Es muß also von vornherein mit dem Beginne des Unterrichtes noch zugewartet werden. Zwar setzt der Buchhändler sofort Post und Telegraph in Be wegung. um das Buch möglichst rasch herbeizuschaffen. Wenn das Buch eintriffr. wird es möglichst rasch gebunden, der Buchbinder muß wohl die Nacht hindurch arbeiten und nach einigen Tagen erhalten die Schüler auch das gewünschte Buch. Allein abgesehen von den größeren Geschäftsspesen, die aus dem Buche lasten — dasselbe konnte bei der Hast nicht gut gebunden werden, es kommt oft in die Hand des Schülers, ehe noch der Einband recht trocken ist. DaS sind zweifellos Mißstände, deren Beseitigung wünschenswerlh erscheint. Es ist einzelnen unserer Mitglieder gelegentlich von maßgebenden Persönlichkeiten an einschlägigen Lehranstalten auf mündliche Dar legung dieser Uebelstände entgegengchalten worden, diese Mißstände ließen sich wenigsten» an solchen Anstalten nicht beseitigen, welche einen starken Zuzug von auswärtigen Schülern erhalten, aus welche man Rücksicht nehmen müsse, deshalb könne die Neueinführung erst beschlossen werden, wenn der Zuzug erfolgt sei. Dieser Einwand ist offenbar nicht treffend, weil die von auswärts kommenden Schüler bei der Frage von Neuanschaffungen nicht mehr und nicht minder zu berücksichtigen sind, wie die bisherigen Schüler der Anstalt, gegen welche sie doch stets nur eine schwache Minorität bilden. Es kann mit jenem Einwande nur die Rücksicht auf die Aus wahl unter dem Lehrstoffe selber gemeint sein, so daß der Lehrer mit Rücksicht auf eine Anzahl neuer und schwächerer Schüler zunächst leichtere Themata wählt, als er ohne jene gewählt haben würde. Es ist noch zu bedenken, daß ohne dringende Veranlassung eine Aenderung in den Lehrmitteln nicht leicht getroffen werden wird; die Nöthigung hiezu tritt nicht spontan aus, sie wird nach langer, restlicher Erwägung und nach sorgsältiger Abschätzung des betreffenden Lehr mittels beschlossen. Gerade diese längere Dauer der Erwägungen über die Neuein- sührung eines Schulbuches läßt cs als leicht möglich erscheinen, die oben angeführten Mißstände zu beseitigen und zwar durch die An ordnung an die Rektorate: s.) daß schon am Ende eines jeden Schuljahres die Beschlüsse über Neueinsührung von Lehrbüchern, beziehungsweise Beibehaltung der bisherigen festgestellt werden; b) daß die Buchhandlungen aus Anfrage von solchen Beschlüsten Nachricht erhalten. Hiedurch dürfte die wünschenswerthe Abhilfe zu schaffen sein. Es kommt der Buchhändler in die Lage, seinen muthmaßlichcn Bedarf ohne Hast und unnöthige Mehrkosten rechtzeitig herbeizuschaffen und den Einband sorgfältig Herstellen zu lassen; der Schüler ist im Stande, sich schon während der Ferien mit den nöthigen Büchern zu versehen und aus denselben einigermaßen vorzubereiten; die Lehrer können von den Schülern verlangen, daß sie pünktlich mit Beginn des Unterrichts im Besitze aller Lehrmittel sind. Wir dürfen nicht unterlassen zu erwähnen, daß, was wir als eine allgemeine Vorschrift hinauszugebcn bitten, bereits an verschiedenen Lehranstalten, z. B. der k. Kreisrealschule, der städtischen Handelsschule und den höheren Töchterschulen zu München mit bestem Erfolge Uebung geworden ist. Was nun an einer Anzahl von Schulen leicht möglich war, kann aber an den übrigen keine Schwierigkeiten machen, wird dagegen, einmal eingesührt, bald als Segen erkannt werden. In ähnlicher Weise, wie wir erbitten, hat auch die „Circularversügung" des königl. preußischen Ministers der geistlichen, Unterrichts- und Medicinal-Angelegenheiten an sämmtliche königl. Provinzial-Schul- collegien vom 12. Januar 1880 sub Ziffer 4 bestimmt: „Die Ein führung neuer Schulbücher kann mit dem Beginn des Schuljahres statt finden. Der Antrag aus Genehmigung muß mindestens drei Monate vor dem Schluffe des vorhergehenden Schuljahres an das Provinzial- Schulcollegium gelangt sein." Ebenso bestimmt der Erlaß des k. k. oesterr. Ministers für Cultu» und Unterricht vom 24 Juli 1879: „Wenn ein Lehrkörper ans triftigen Gründen re. an der Stelle eines an der Lehranstalt bisher gebrauchten ein anderes rc. Lehrbuch oder Lehrmittel setzen will, so hat derselbe den daraus bezüglichen Antrag spätestens drei Monate vor dem Schluffe des Schuljahres zur Entscheidung einzubringen." Unter diesen Umständen dürfte die Eingangs niedergelegte Bitte sicherlich einer geneigten Berücksichtigung theilhastig werden rc. München, Würzburg, Augsburg, Nördlingen, am 7. August 1882. Eines hohen Staatsminstteriums treugehorsamster Bayerischer Buchhändlerverein (anerkannter Verein). Theodor Ackermann. Carl Schöpping. Adalbert Stüber. Theodor Lamport. Ernst Rohmer. II. An den Vorstand de» bayerischen BuchhändlcrvereinS. Bon der unter dem Heutigen in Betreff des Verfahrens bezüglich der Neueinsührung von Schulbüchern an Mittelschulen an sämmtliche k. Negierungen, Kammern des Innern, dann die Rektorate und Sub- rcctorale der Studienanstalten des Königreichs ergangenen, im Minstterialblalte für Kirchen- und Schnlangelegenheiten veröffentlichten Entschließung folgt anruhend ein Abdruck zur Kennlnißnahme. München, den >9. Januar 1883. K. bayerisches Slaatsministerium des Innern für Kirchen- und Schulangelegenheiten vr. v Lutz