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Börsenblatt f. d. Dlschn. Buchhandel. Redaktioneller Teil. 12, 15. Januar 1921. Als dritte Buchung würde dann in Frage kommen die Übertragung des Reinvermögens auf das Kapital-Konto und Abschluß des Bilanz- Kontos. Bilanz-Konto An Kapital-Konto für das Neinvermögen k 27000.— Die beiden letzten Buchungen können nötigenfalls auch zu einer Buchung vereinigt werden. Das Bilanz-Konto hat bei der Wieder eröffnung der Konten dann folgendes Aussehen: Soll Bilanz- 1916 Juli 1. An 2 Kreditoren k 4600.— „ Kapital-Konto „ 27000.— 31500.— -Konto Haben 1916 Juli 1. Per 7 Debitoren iL 31500.— .tt- 31500.— (Fortsetzung folgt.) Das Konversationslexikon in Ungarn. Von Maurus Johannes Nevay.*) Unter allen literarischen Unternehmungen, über die der Verleger dem Publikum berichten kann, ist gewiß das Lexikon diejenige, über die er am meisten zu sagen vermag und die auch den Leser am meisten interessiert. Es ist ja das komplizierteste aller Werke, nimmt die per sönliche Mitarbeit des Verlegers am stärksten in Anspruch, bringt seine Individualität am besten zur Geltung, und das Publikum möchte gern wissen, wie dieser so vielseitige, sich auf alles erstreckende, staunens werte Buchkoloß zustande kommt. Meine Beziehungen zum Lexikon reichen tatsächlich bis in meine früheste Kindheit zurück. Im Hause meiner Eltern hörte ich immer die Namen der großen Verleger er wähnen, der Buchladen war sozusagen mein ständiger Aufenthalt, namentlich in den Ferien, wo es mir Unterhaltung und Zerstreuung bot, immer in neuen illustrierten Büchern zu stöbern. Dort sah ich auch zuerst die mächtigen Reihen von Bänden des deutschen Lexikons, die mich fesselten und meine kindliche Phantasie mit Staunen erfüllten. Als ich etwa zehn oder zwölf Jahre alt war, betrat an einem Sommer nachmittag ein alter Herr von freundlichem Aussehen unsere Buch handlung und fragte in deutscher Sprache nach meinem Vater. Ich sagte ihm, der Vater sei ins Bad gereist. Darauf stellte der Herr, dem mau an Kleidung», Sprache und am ganzen Habitus den Fremden au- merkte, sich vor: »Ich heiße Heinrich Brockhans«, nahm meine Hand, legte seine Visitenkarte hinein und bat mich, meinem Vater seinen Gruß zu übergeben. Selbst mit meinem kindlichen Verstände fühlte ich, daß das Erscheinen des großen Brockhaus jn dem kleinen Bnchladen in Eperjes ein bedeutsamer Moment war, und trotz meiner Aufregung hatte ich doch die Geistesgegenwart, zu meiner Mutter zu laufen. Ihr sagte Brockhans dann, daß er auf der Rückreise von Tötrafüred mit dem Wagen einen Abstecher hierher gemacht habe, uni meinen Vater kennen zu lernen, mit dem er seit langem in angenehmer Verbindung stehe. Er besichtigte unsere Buchhandlung, drückte seine Befriedigung darüber aus, daß sie in einer so kleine» Stadt mit einem verhältnis mäßig so großen Lager ausgestattet sei, und verabschiedete sich dann. Dieser Besuch von Heinrich Brockhans war von sehr großer Wirkung auf mich: der erste weltberühmte Mann, den ich gesehen, der mit mir gesprochen, der mir die Hand gereicht hatte. Lange Zeit, viele Monate hindurch erregte es meine Phantasie, wie wohl der Bnchladen beschaf fen sein mochte, aus dem das Brvckhaussche Lexikon herauskam. Da mals erschien die Biographie des Gründers der Firma Brockhaus, Friedrich Arnold Brockhans, aus der Feder seines Enkels. Dieser Enkel, Heinrich Eduard, war der Sohn unseres Besuchers. Mein Vater ließ das Werk kommen und schenkte es mir. Ich las mit großem Interesse als zwölfjähriger Knabe dieses Buch wie etwa Coopers »Lederstrumpf« oder andere abenteuerliche Geschichten. Jetzt, nach fast fünfzig Jahren, nehme ich das Buch von neuem vor und staune nicht darüber:, daß es damals meine kindliche Phantasie so gefesselt hat. So schwere Kämpfe hatte dieser Mann durchmachen müssen, um seiu Lc- benswerk zu vollenden! Alle diese Eindrücke, sowie die Lehren und Erläuterungen meines Vaters ließen in mir damals den Entschluß reifen, Verleger zu werden und mir die Schaffung einer ungarischen Nationalenzyklopädie, eines ungarischen Brockhaus zum Lebensziel zu setzen. Diese Sehnsucht war so stark und entschieden iy mir, daß ich, als ich während meiner Leipziger Univcrsitätsstudien von dem Rautmannschcn ungarischen Lexikon hörte, dies als den größten Schlag empfand, der mich hatte treffen können. Jn meiner Aufwallung schrieb ich meinem Vater, daß ich auf die Vcrlegerlanflmhn verzichtx, weil sich mir da keine Möglichkeit der Betätigung mehr biete. Ich wollte Pro fessor werden. Mit größter Zähigkeit erklärte mir mein Vater in jedem seiner Briefe, ich sollte mrck> durch den Rautmannschen Versuch nicht entmutigen lassen. Für den Verleger eröffne sich in Ungarn noch *) Übersetzung aus meinem Buche »Schriftsteller, Bücher, Ver leger«, Verlag der Literarischen Anstalt Gebrüder R6vai, Budapest. Siehe auch Bbl. 1920, Nr. 214. 48 ein großes Feld, und gerade das Brockhaussche Beispiel zeige, daß man mit Ausdauer kämpfen müsse. Ter Nautmannsche Versuch war nicht der erste. Schon in den Jahren 1831 bis 1834 hatte der Pestcr und später Leipziger Buchhändler Otto Wigand seine zwölfbündige Sammlung gemeinnütziger Kennt nisse herausgegcben, die eigentlich eine ungarische Übersetzung des Brockhausschen Lexikons, beziehungsweise eine den ungarischen Ver hältnissen augepaßte Umarbeitung dieses Werkes war. Die im Jahre 1845 von Anton Vällas begonnene Nationalenzyklopädie wurde nur bis zum Jahre 1848 fortgeführt. Da blieb sic beim Buchstaben I stecken. Im Jahre 1858 brachte dann Heckenast ein neues Konversa tionslexikon und schloß es im Jahre 1865 mit dem zehnten Bande ab. Es war dadurch bemerkenswert, daß cs schon schwache Holzschnitte ent hielt. Um die gleiche Zeit begann die St. Stefan-Gesellschaft unter der Redaktion Johann Töröks die Ungarische Universalenzytlopäöie. Ihre Dimensionen verloren sich jedoch derart ins Uferlose, daß man alsbald stark zusammenfassen mußte. Ter im Jahre 1876 heraus- gekommene dreizehnte Band machte dann anch schon den Eindruck eines hastigen Schlusses und großer Kurzatmigkeit. Friedrich Nautmann, ein aus Deutschland stammender, sehr gebildeter Buchhändler, wußte viel besser, was nottat, als seine ungarischen Kollegen. Mit über raschender Geschicklichkeit brachte er es »zuwege, das Lexikou in Heften zu 30 Kreuzer» erscheinen zu lassen. Der Erfolg war so groß und unerwartet, daß er Nautmann zu der nicht gerade solid zu nennenden Machination veranlaßte, das ursprünglich als Handlexikon gedachte Werk immer mehr und mehr in die Länge zu ziehen, bis das Publi kum sich endlich über diesen Mißbrauch seines Vertrauens empörte und das Nautmannsche Unternehmen noch vor Abschluß des Lexikons zugrunde ging. Die Druckereifirma Wilckcns L Waid! vollendete im Jahre 1884 die Abbeit mit dem zwölften Bande. Sie war aber lücken haft, ungleichförmig und brachte den Herausgebern den Ruin. Jn demselben Jahre noch wurden die Druckerei sowie das Verlagsunter- nehmen von der Literarischen und Buchdruckerei-Gescllschaft Pallas angekauft, deren Leiter Or. Ludwig Gerö sich sofort daran machte, eine wirklich zeitgemäße, große Enzyklopädie zu schaffen. Daß das große Pallas-Lexikon znstande kam, ist ausschließlich seiner Begabung und Tatkraft zu danken. Bezeichnend für den Zeitgeist ist aber, was der gelehrte Koloman Szily darüber erzählt: In den siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts hatte der berühmte Franz Pnlszky den führen den Männern der Wissenschaft, der Literatur und des Buchhandels in einer Fachberatung die Notwendigkeit eines solchen Lexikons dar- gelcgt. Alles stimmte zu, doch als es sich darum handelte, wer die Re daktion übernehmen und die Kosten riskieren sollte, »blickten alle zur Decke empor«. Aus der Sache wurde nichts, und wir entfernten uns mit der Überzeugung, daß die Zeit noch in sehr, sehr weiter Ferne war, wo ein ungarisches Lexikon mit Brockhaus oder Meyer konkurrieren konnte. Die Energie Gcrös besiegte alle Schwierigkeiten, unbeküm mert darum, daß in Verlegerkreiscn dem neuen Unternehmen durch aus kein günstiges Horoskop gestellt und die ganze Idee als kühn be urteilt wurde. Das war damals die goldene Zeit des deutschen Lexikons in Ungarn. Die vierte Auflage von Meyer war vollendet und, wie man behauptete, in Ungarn allein in achtzchntausend Exemplaren abgcsetzt. Zu derselben Zeit erschien die vierzehnte, die Jubiläums-Auflage von Brockhaus, und der hundertjährige Bestand dieses Lexikons konnte nicht glänzender gefeiert werden, als indem sämtliche siebzehn Bände auf einmal herauskamen. Eine phänomenale Großtat im Verlagswesen! Man hielt also ein neues Lexikon für aussichtslos. Ich allein unter meinen Kollegen war als Vertreter der Firma Gebrüder Nova! ande rer Ansicht und meinte, ein gutes ungarisches Lexikon müßte doch mindestens denjenigen Teil des Publikums erobern, der des Deutschen nicht genügend mächtig war, ferner denjenigen, der sich aus einem solchen Lexikon über ungarische Dinge unterrichten wollte, die er in einem deutschen Werke vergeblich suchen müßte. Ich bemühte mich da her, meine Gesellschafter wenigstens so weit zur Mitwirkung am Pal las-Lexikon zu bewegen, daß wir uns den Hauptanteil am Vertriebe