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keit ergeben sich aber wiederum folgende Lagen: Es fragt sich sehr, ob diese Politik überhaupt befolgt werden kann, es kann dieses durch Gcschäftsverkauf, Todesfall usw. ganz unmöglich werden, auch kann sehr Wohl die Möglichkeit bestehen, daß in einigen Jahren das Lager so niedrig zu Buche steht, daß über haupt nichts mehr zum Abschreiber? da ist. In einem derartigen Falle müßte der Verleger Herstellen und wiederum Herstellen und Herstellen, nur um etwas zum Abschreiben zu besitzen, und müßte vielleicht noch froh sein, wenn diese Werke unverkäuflich sind, denn sonst wird das übel noch größer. Es bleibt dabei aber fraglich, wie der Verleger unter Umständen diese ganz außer gewöhnliche Produktion wird bezahlen können; sicher ist, daß eine derartige Verlagstätigkeit volkswirtschaftlich wie pribatwirt- schaftlich recht zweifelhafter Art ist. Also mit einer entsprechend »großzügigen Abschreibungspolitik- kommt man über die hohen Steuersätze und ihre wirtschaftlichen Nachteile nicht hinweg, ganz abgesehen von den Nachteilen, die diese im Hinblick auf die Frage der Steuerhinterziehung mit sich bringen würde. Man könnte nun noch zu der Ansicht gelangen, daß die steuer freien Erneuerungsrücklagen und die Abschreibungen wegen Überteuernng (Einkommen-St.-G. K 59») bzw. ihr weiterer Aus bau vielleicht einen Ausweg bieten könnten. Diese Ansicht ist meines Erachtens aber irrig. In einer Entscheidung vom 13. Januar 1929 hat der Reichs finanzhof zwar ausgesprochen, daß Abschreibungen auf den Ge samtwert eines Unternehmens zulässig sind, auch in der Form von Passivposten ohne Ausscheidung für einzelne Aktivposten. An diese Entscheidung haben sich seinerzeit große Hoffnungen ge knüpft, so hat u. a. H. Worms im Bbl. Nr. 72 vom 6. April 1920 entsprechend den damaligen Anschauungen angenommen, daß aus Grund dieser Entscheidung die notwendige Auffüllung der ge lichteten Lager steuerfrei erfolgen könne. Aber die längeren Aus führungen des Senatspräsidenten vr. Strutz, unter dessen Vorsitz die wichtigere Entscheidung vom 11. Januar 1921 gefällt wurde, ergeben, daß alle diese Hoffnungen verfrüht waren (vgl. »Zeit gemäße Steuerfragen-, herausgegeben von Rechtsanwalt vr. Lion, 1921, auch »Vossische Zeitung- und »Münchener Neueste Nachrichten-, beide vom 12. März 1921). Dem Gedanken an eine Abschreibung auf den Wert des Gesamtunternehmens, die ein etwas unnatürlicher Behelf war, ist durch den erwähnten K 59» der Garaus gemacht worden, sodaß es genügt, aus ihn einzugehen. Die Erneuerungsrücklagen beziehen sich vor allem nur auf dauernd dem Betriebe gewidmete Gegenstände, also nur auf das sogen. Anlagevermögen, wie Maschinen, Gebäude usw., nicht aber auf das sogen. Veräußerungsvermögen, wie Verlagsvorräte usw. Der wirtschaftlichen Tatsache, daß ein genügend umfangreiches Warenlager für den Kaufmann genau so wichtig und notwendig ist wie ein auf der Höhe der Zeit stehender Maschinenpark für den Fabrikanten, ist also überhaupt nicht Rechnung getragen. Dieser 8 59» kann daher keine Steuererleichterung für den Kaufmann bezüglich seiner Scheingewinne bringen, aber auch mit einer ent sprechenden Umänderung könnte dieses meines Erachtens nie der Fall sein. Zur Begründung mutz ich allerdings auf die Vor schriften des K 59», seine Ausführungsbestimmungen und die Dienstanweisung dazu eingehen. Einige Zeit lang hatte man folgende, allerdings etwas naive Vorstellung von einer derartigen Steuerbefreiung. Ein Buch drucker hat beispielsweise vor langen.Jahren eine Schnellpresse für 10 OVO -kk gekauft, sie ist abgeschrieben, also indirekt sind da- mit 10 000 -kt zur Neuanschaffung gewonnen worden. Die Neu anschaffung erfordert aber sagen wir 200 OVO -«, also 190 OVO -kt mehr, als erwartet. Der Buchdrucker muß nun, um diese 190 OVO -kt zu bekommen, seinen Kalkulationen ganz andere Abschreibungs quoten oder richtiger Wiederanschaffungsquoten zugrundelegen als bisher. Und nun glaubte man, daß so gewissermaßen alle Gewinne, die erforderlich seien, um den Maschinenpark auf der Höhe zu erhalten, oder um diese erwähnte Schnellpresse neu zu beschaffen, von vornherein einkommensteuerfrei sein würden. Diese Anschauung war an sich gar nicht so unsinnig, denn bei den riesi gen Summen, die verdient weiden müssen, um einen großen Maschinenpark neu zu beschaffen, würde glatt die Hälfte der hier für benötigten Gewinne an Steuern zu zählen sein, also für die Wiederbeschafsung verloren gehen. Von alledem ist aber gar keine Rede, der Gedanke des Z 59» ist vielmehr folgender: Der Gesetzgeber ging von der Annahme aus, daß eine Ma schine heute zu Überteuerungspreisen erworben wird, daß in einigen Jahren die Teuerung zurückgegangcn sein wird und daß sodann eine derartige Maschine bedeutend billiger erworben wer- den könne. (Ich will nicht untersuchen, wie lange wir eigentlich schon auf den berühmten Preisabbau warten!) Bis aus weiteres gelten nun als Überteuerung oder als verlorene Mehrkosten 40?r des Beschaffungspreises. In unserem Beispiel heißt dies, daß von den aufgewendeten 200 000 -kk bis auf weiteres (!) 120 000 ^k als gemeiner Wert der Maschine anzusehen sind, die weiteren 80 000 -kk sind verlorene Mehrkosten. Wenn der Buch drucker diese Maschine erworben hat, könnte er somit sofort 80 000 -kk abschreiben, auf die restlichen 120 000 -kk würden nur die üblichen Abschreibungen vorzunehmen sein. Und nun läuft der ganze Trick darauf hinaus, daß der Buchdrucker die später notwendige Extraabschreibung bereits jetzt in Form von Erneue- rungsrllcklogen betätigen kann, durch welche der steuerpflichtige Bilanzgewinn genau so geschmälert werden würde, wie dies durch die sonst später erfolgenden Abschreibungen der Fall sein würde. Eine wirkliche Steuerbefreiung liegt überhaupt nicht vor, sondern nur eine Vordatierung von Abschreibungen, welche allerdings eine gewisse Liquiditätserleichterung bringen kann. Ob die Vordatis- rung aber eine wirkliche Steuerersparnis bringen wird, ist meines Erachtens zum mindesten recht zweifelhaft. Der von der Regierung indirekt erwartete Preisabbau ist doch recht wenig wahrscheinlich, wir können sicher sein, daß die Geldentwertung und damit die Scheingewinne noch ganz anders zunehmen werden; Pies wird bedeuten, daß es steuertaktisch besser ist, in den allernächsten Jahren die bilanzmäßigen Reingewinne nicht durch die Erneuerungsrücklagen zu ermäßigen, sondern die hohen, steuerlich durchaus zulässigen Sonderabschreibungen lieber in noch späteren Jahren mit noch höheren Ge winnen borzunehmen; wegen der starken Staffelung der Steuersätze wird dies bedeutend vorteilhafter sein. Auf den sehr umständlichen Nachweisungsdienst des ganzen Verfahrens will ich gar nicht erst eingehen, die Finanzämter werden hieran meines Erachtens genau so ersticken wie das weiland Reichskammergericht zu Wetzlar an seinem Aktenwust. Auch auf die vielen Fußangeln gehe ich nicht ein, beispielsweise auf die Frage, inwieweit eine Neuanschaffung eine Erneuerung des Bestehenden oder eine Er weiterung darstellt,, welche nämlich nicht unter das Gesetz fällt. Wird an Stelle einer einfachen Tiegeldruckpresse eine Zwillings rotationsmaschine angeschafft, so liegt selbstverständlich eine Er weiterung vor, aber wie liegt die Sache, wenn eine einfache Werk druckmaschine durch eine moderne Jllustrationsmaschine ersetzt wird? Aber das Schlimmste ist meines Erachtens ganz etwas anderes. Die Überteuerung ist »bis auf weiteres- aus 40°/» des Be- schaffungspreises festgesetzt worden, d. h, dieser Prozentsatz kann nicht nur geändert werden, sondern er soll auch tunlichst nach Lage der Dinge geändert werden. Nun ist die ganze Voraus setzung dieser Überteuerung ja irrig, da ein Preisabbau der Ma schinen kaum je von uns erlebt werden wird. Bei der politischen Zusammensetzung unserer Steuerproduktionsanstalt ist es durch aus nicht unmöglich, daß man sich in einigen Jahren auf den Standpunkt stellen wird, daß eine derartige Maschine von 200 OVO -kk Beschaffungspreis 1922 nunmehr 1927 300 OVO -kk oder gar 400 000 -kk wert ist, da ihre Beschaffung 1928 500 000 -kk kosten würde. Unmöglich ist gar nichts. Man wird dann froh sein dürfen, wenn man sich im Reichstag dahin einigt, daß Hin aufbewertungen nicht stattzusinden brauchen, daß aber auf die 200 OVO -kk nur die üblichen Abschreibungen angängig sind. Dies würde zur Folge haben, daß all den Industriellen, welche Er neuerungsrücklagen vorgenommen und den Finanzämtern ent sprechende eingehende Nachweisungen über ihren Betrieb gegeben haben, diese Rücklagen zum Gewinn hinzugerechnet und nach- besteuert würden; zum mindesten würde eine zeitweilige Sistie rung der üblichen Abschreibungen eintreten. Aber die Indu striellen, die von dem Danaergeschenk der Erneuerungsrllcklagen SSI