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Ä"s!-Ü«n^ A M TM. ^V^Ntcht^>gN-d?r ^ Nr. 46 (N- 23). Leipzig. Donnerstag den 27. Februar 1919. 86. Jahrgang. Diese Nummer tonnte wegen Generalstreiks erst am 12. März gedruckt und ausgegeben werden. Redaktioneller Teil. Bayerischer Buchhändler-Verein e. V. Organ des Börseuvereins. München, den 22. Februar I!)t9. Die Ereignisse vom 2l. Februar in München haben den Münchener Vorstandsmitgtiedein die Abreise nach Nürnberg unmöglich gemacht. Die für Sonntag, den 23. Februar, in Nürn- berg anbcranmtc außerordentliche Mitgliederversammlung mich daher verschoben werden und wird abgehalten, sobald es die Umstände erlauben. Bestimmung des Tages erfolgt sobald wie möglich. Der Vorstand des Bayer. Buchhändler Vereines. H. B r n ck »> a n » . E. S t a h l. >. Vorsitzender. Schriftführer. Stellenvermittlung. Wir Villen dringend, alle offenen Stellen im Buchhandel unserer Abteilung Stellenvermittlung zu mel den. damit wir den überaus zahlreich vorliegenden Gesuchen der Angestellten des Buchhandels um Vermittlung entsprechen können. Leipzig, den 25. Februar 1919. Geschäftsstelle des Börscnvcreins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig. vr. Orth, Syndikus. Die Organisation der geistigen Arbeit. Von Erwin Schlüter. Als mit Beginn der Revolution die Arbeiter- und Soldaten- räte gebildet wurden, glaubte eine Anzahl Literaten und Künstler die Zeit zur Umgestaltung des geistigen Arbeitsmarktes gekommen und gründete Räte der geistigen Arbeiter. Sie war dabei der irrigen Auffassung, daß die Arbeiter- und Toldatcn- rätc an eine Umgestaltung, an einen Neuaufbau der Volks wirtschaft etwa im Sinne der Theorien der sozialistischen Klas siker gehet, würden. Man wird es deshalb begreiflich finden, das; die Leute es ein wenig eilig hatten, das Stiefkind der Volkswirtschaft unter Dach und Fach zu bringen. Aber ihre Ansicht war insofern eine irrtümliche, als die Arbeiter- und Soldalcnräte sich zunächst die politische Macht zu sichern suchten, an SozialisicrungSmaßnahmen aber nicht dachten, vielleicht auch keine Zeit hatten, sich darum zu kümmern, weil'die politische Macht und was damit zusammenhängt ein viel schwierigeres Ding ist, als man als Außenstehender glaubt. Die Räte wollten politische VollzugSbchörden sein, die Staatsgcschäste überneh men. und die hohe Politik lag ihnen jedenfalls mehr am Herzen als ein Neubau von unten herauf und innen heraus. Aber selbst wenn es dazu gekommen wäre, dann hätte den geistigen Arbeitern jedenfalls der letzte Gedanke gegolten. Das beweisen verschiedene Notizen der sozialistischen Presse, in denen dem Rate der geistigen Arbeiter scharfe Absagen zuteil wurden. Die »Leipziger Volkszeitung« äußerte sich dahin, das; die geistigen Arbeiter — gemeint waren die Schriftsteller und Dichter — wäh rend des ganzen Krieges in so jämmerlicher Weise versagt hätten, daß sie nun nur ruhig abwarten sollten. Die neugebil- detcn Räte der geistigen Arbeiter nahmen sich denn auch die Zurechtweisung an. und man hat nichts wieder von ihnen gehört. Run ist es ja allerdings fraglich, ob die geistigen Arbeiter- rätc sich wirklich im klaren über die Riesenaufgaben waren, die ihrer harrten, und noch mehr darf man bezweifeln, daß das Rätcsystem, auf die geistige Arbeit angewendet, die rechte Form wäre. Denn der Schutzverband deutscher Schriftsteller ist ja im Grunde auch ein Arbeiterrat. Tic Organisation der geistigen Arbeit ist von jeher eine so außerordentlich mangelhafte gewesen, daß es sich gelohnt hätte, wenn der Rat der geistigen Arbeiter, da er sich nun schon zusammengesunden hatte, einmal versucht hätte, die Fragen, die sich bei näherer Betrachtung auftürmen, zu beantworten. Denn es gibt so vielerlei Verbesserungsfähiges auf dem Gebiete der geistigen Arbeit, daß auch Teilarbeiten fruchtbar wirken würden. i Wenn man die literarische Arbeit in Betracht zieht, so wird schon jedem Verleger und Schriftsteller ohne weiteres klar sein, § in welcher Richtung Reformen versucht werden müßten. Die Schwierigkeit liegt zum ersten in der gerechten Beurteilung der imaginären Werte. Jeder literarische Arbeiter weiß, daß seine Arbeit sich nicht lohnt, daß die Bezahlung seiner Tätigkeit in keinem Verhältnis zur aufgewandten Mühe steht. Wenn er ! nicht das Glück hat, einen »Reißer« zu erzielen, dann bleibt er inimer ein schlecht bezahlter Arbeiter. Seine Arbeit wird fast immer nach der Menge gewertet, nach Zeilen- oder Silbcn- zahl, und damit wird fälschlicherweise der Ideenwelt, den die Arbeit möglicherweise darstellt, überhaupt nicht in Betracht ge zogen. Es werden also einfach die Wertungsgrundsätzc der Körper« und Handarbeit übernommen. Die Summe der kör perlichen Arbeit ist jederzeit zu übersehen und läßt sich leicht nach festen Grundsätzen beurteilen. Auch die Qualität der Ar beitsleistung läßt sich, zumal da die nichtgeistige Arbeit meist eine mechanische ist, feststellen. Das ist bei der geistigen Arbeit nicht der Fall. Sie ist vielmehr ein schwankender Faktor, und ihre Leistung hängt von der Erfüllung gewisser Vorbedingungen ab. Der Charakter der freien Arbeit z. B. wird entscheidend beeinflußt durch die Art der Erziehung, den Gesundheitszustand des geistigen Arbeiters, ferner durch Angenblicksstimmungen, seine Gemütsruhe, die zudem häufig wirtschaftlichen Einflüssen unterliegt. Diese Um stände beeinflussen allerdings auch den Handarbeiter, aber in verhältnismäßig geringem Maße. Außerdem können durch sie fast nur Schwankungen in der Menge herbeigeführt werden. Aber nicht nur die geistige Arbeit selbst, auch ihre Beur teilung ist diesen ungünstige» Bedingungen unterworfen. Der Beurteiler unterliegt denselben Hemmungen wie der Schaffende, und bei der freien Arbeit, der Schriftstcllerei. wird das Urteil meist durch den Namen beeinflußt. Auch bei Lektoren von verhältnismäßig strengem Geschmack und sicherem sachlichen Ur teil findet man die Neigung, eine Eigentümlichkeit bei einem Mann mit bekanntem Namen als einen Ausfluß der Genialität anzusehen, während dieselbe Eigentümlichkeit bei einem Neu- 146