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Sinne des Handelsgesetzbuchs durchaus nicht, daß er in der Ueberzeugung einer Rechtsbethätigung, also mit der opinio necessitatis zur Ausübung gelange. Eine solche Ausübung wird nur verlangt bei den Handelsgebräuchen, von denen Artikel 1 des Handelsgesetzbuchs spricht. Nur hier handelt es sich um Handelsgewohnheitsrecht. Die Handelsgebräuche des Artikels 279 des Handelsgesetzbuchs, der in unserem Fall zur Geltung kommt, sind kein Recht und sind begrifflich verschieden von denen des Artikels 1.« Nach dieser Erwiderung sollte man ja glauben, ich hätte vom Handelsbrauch im Sinn von Artikel 279 des Handelsgesetz buchs gesprochen. Dagegen verwahre ich mich entschieden. Gleich in der ersten Ausführung (Börsenblatt Nr. 1l3) sagte ich: »Das Handelsgesetzbuch bestimmt, daß bei Handelsgeschäfte» in erster Liuie die Bestimmungen des Handelsgesetzbuchs, sodann die Handelsgebräuche und in deren Ermanglung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung kommen.« Das ist fast wört lich der Inhalt von Artikel 1 des Handelsgesetzbuchs*). Und nun war nur vom Handelsbrauch im Sinn des Handelsgewohn- hcitsrechtes, also im Sinn von Artikel 1 des Handelsgesetzbuchs die Rede; nur bezüglich dieses wurden die Erfordernisse be sprochen und gesagt, daß dies eine von der ganzen Juristenwelt geteilte Ansicht sei. Nirgends aber wurde des Handelsbrauchs im Sinn von Artikel 279 des Handelsgesetzbuches gedacht. Herr Weidling wendet sich also mit seiner Fülle von Citaten gegen eine Behauptung, die gar nicht aufgestellt wurde; er erklärt die Ausführung über den Handelsbrauch im Sinn von Artikel 1 des Handelsgesetzbuchs für falsch, weil die herrschende Meinung nicht etwa über denselben Begriff, sondern über etwas davon begrifflich Verschiedenes, nämlich über den Handelsbrauch im Sinn von Artikel 279 des Handelsgesetzbuchs anders denke. Der Leser urteile nun selbst, wo der Irrtum steckt Diese gegnerische Ausführung erscheint um so auffallender, als Herr Weidling an anderer Stelle selbst sagt, daß ich vom Handelsgewohnheitsrecht spreche, (denn er führt später aus, es sei meinerseits ein Irrtum, die Handelsgewohnheiten des Buch handels als Handelsgewohnheitsrecht aufzufassen), und als er selbst sagt, daß bezüglich des letzteren die herrschende Meinung die Von mir erwähnte Hebung verlange. Zu diesen Widersprüchen gesellt sich noch folgender. Erst ist gesagt: die geltende Meinung ver lange vom Handelsbrauch im Sinne des Handelsgesetzbuches eine solche Hebung nicht; gleich der folgende Satz aber spricht aus: »Eine solche Ausübung wird nur verlangt von den Handels gebräuchen, von denen Artikel 1 des Handelsgesetzbuchs spricht.« Also doch von Handelsgebräuchen im Sinne des Handelsge setzbuchs ! 2) Nun zu dem anderen, sachlichen Teil des juristischen Irrtums. Herr Weidling behauptet, im vorliegenden Falle komme nur Artikel 279 des Handelsgesetzbuchs zur Geltung. Hier, an der richtigen Stelle, fehlt die Fülle der Citate. Es lautet aber im Handelsgesetzbuch Artikel 278: Bei Beurteilung und Aus legung der Handelsgeschäfte hat der Richter den Willen der Kontrahenten zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Artikel 279: In Beziehung auf die Be deutung und Wirkung von Handlungen und Unterlassungen ist auf die im Handelsverkehr geltenden Gewohnheiten und Gebräuche Rücksicht zu nehmen. Wie der Zusammenhang ergiebt, ist Artikel 279 nur eine Auslegungsregel zur Erkenntnis dessen, was die Parteien ge wollt haben. Wenn es also zweifelhaft ist, was ein Kaufmann mit einer Handlung oder Unterlassung als seinen Willen er klären wollte, dann ist, um zu einer richtigen Auslegung des Willens zu kommen, auf Handelsgebräuche Rücksicht zu nehmen. Dies trifft z. B. zu, wenn festgestellt werden soll, ob die Nicht- *) Art. 1 lautet: In Handelssachen kommen, insoweit dieses Gesetzbuch keine Bestimmungen enthält, die Handelsgebräuche und in deren Ermange lung das allgemeine bürgerliche Recht zur Anwendung. beantwortuug eines Angebots als Annahme oder als Ablehnung zu betrachten sei, ob durch widerspruchslose Annahme einer Faktura die Genehmigung der letzteren zum Ausdruck komme, ob das Stillschweigen auf eine Rücktrittserklärung als Einverständnis aufzufassen sei, welche Bedeutung gewissen kaufmännische» Aus drücken zukomme u. s. w. Im vorliegenden Fall handelt es sich doch aber nicht uni die Aus legung eines zweifelhaften Willens der Parteien. Dieser war auf Lie ferung eines Werkes gerichtet. Zu einer Auslegung, zu einer An wendung von Artikel 279 des Handelsgesetzbuchs ist also kein Anlaß. Es wurde dem unzweifelhaften Willen entgegen gehandelt, nicht vertragsmäßig geliefert Jetzt verlangt der Käufer Verurteilung zu Lieferung gemäß der Vorschrift des bürgerlichen Rechts; der Verkäufer aber sagt: dazu bin ich nach Handelsbrauch nicht verpflichtet. Der Verkäufer sagt doch nicht: das war nicht unser Wille, sondern er sagt: allerdings müßte ich nach bürgerlichem Recht den gewollten Vertrag erfüllen, aber ein Handelsbrauch befreit mich von dieser Verpflichtung; er macht also nicht geltend, der Wille sei anders auszulegen, sondern er beansprucht die An wendung eines Handelsgcwohnheitsrechts, eines Handelsbrauches im Sinn von Artikel 1 des Handelsgesetzbuches. Deshalb kann auch nur dieser Artikel zutreffen. Es handelt sich nicht darum, was als Folgen des Rechtsgeschäftes von den Parteien gewollt ist, sondern welche Folgen das Recht bestimmt. 3) Aber auch die von Herrn Weidling au seine Ansicht, daß Artikel 279 des Handelsgesetzbuches Anwendung finde, geknüpfte Fol gerung ist nicht ganz richtig, wenn er sie dahin formuliert: »Nur das Thatsächliche (soll heißen der tatsächliche Handelsbrauch) ent scheidet«. Artikel 279 sagt nur, darauf sei Rücksicht zu nehmen. Der Richter hat also, wenn ihm ein solcher Gebrauch nachgewiesen wird, nicht einfach darnach zu entscheiden, die bloße Existenz des Gebrauches rechtfertigt nicht ohne weiteres seine Anwendung. Es ist vielmehr im einzelnen Falle zu prüfen, ob es Wille der Parteien war, sich diesem Gebrauch zu unterwerfen. Dazu gehört, daß beide Parteien denselben kannten und bei Ver tragsschluß beabsichtigte», als Folgen des Vertrages die durch diesen Handelsbrauch normierten vertragsmäßig festzusetzeu. 4) Zum Schlüsse dürfte vielleicht interessieren, daß in dem Prozesse, der zu diesen Erörterungen den Anlaß gab, der rechts gelehrte Vertreter des Verkäufers keineswegs geltend machte, es handle sich um einen Handelsbrauch im Sinne von Artikel 279 des Handelsgesetzbuches. Ellwangcn vr. jur. L. Heß. Wols's Vademerum. Ho. I. 8ä. IV.*) Zlväieilllseliss Vtitleiiiveuin. Lsilvsissso- sebakt u. ^biorbsillrulläö. vis lüttorutur v. 1887—90 outbaltonä. U. ^.nb. Nutorjalion ru oinor üssebiobto äor »lu- üusnra« oto. xr. 8". 159 u. 16 8. Iwiprix, 6uiIlsrmo Iwvien. In gleicher Weise wie die früher erschienenen Bände, mögen auch die mit anerkennenswertem Eifer in rascher Folge bearbeiteten, die neueste Litteratur verschiedener Gebiete umfassenden Fortsetzungen hier einer kurzen referierenden Betrachtung unterzogen sein. Der Zuwachs an medizinischer Litteratur ist verhältnismäßig ein ganz bedeutender. Der vorliegende Band umfaßt ca. 2800 Nummern und ein Verzeichnis von 522 Schlagwörtern; dazu den Anhang mit 266 Nummern. Die ausländische Litteratur scheint, soweit nicht direkt in den deutschen Buchhandel gelangt, nicht berücksichtigt zu sein. Dagegen haben Disser tationen und selbst Separatabdrucke Aufnahme gefunden. Von den summarisch am meisten hervortretenden Fächern sind dies mal zu erwähnen: Anatomie: Arzneimittellehre; Augenheilkunde; Balneologie; Biographie; Chirurgie; Darm; Frauenkrankheiten, Ge burtshilfe, u. Gynäkologie; Gehirnkrankheiten; Gesundheitswesen u. Hygieine; Harnanalyse re.; Hautkrankheiten; Homöopathie; Jrrenheil- kunde; Kehlkopf, Schwindsucht, Lunge, Phthysis und Tuberkulose; Kinder heilkunde; Krebs; Magenkrankheiten; Nierenkrankheiten; Ohrenheilkunde: *) Nr. I. Bd. I./II., vgl. B.-BI. 1886 Nr. 284. — Bd. III. (Litte ratur v. 1885 — 1887) erschien Ende Juli 1887.