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16134 «sn-nilan!. d. Dgchn. Vuchhand-I. Mchtamtlicher Teil. 284, 18. Dezember 1912. einer Präsenzbibliothek zum Zwecke ihrer Erhaltung sür die Zukunst gesammelt werden können. Das gerade ist eine der wichtigsten ganz besonderen Ausgaben der nun in Leipzig im Entstehen begrifsenen »Deut schen Bücherei». Diese Aufgabe soll sie als Präsenzbibliothek, als ein Archiv des deutschen Buchhandels, erfüllen, weil sie weder die Königl. Bibliothek in Berlin noch eine andere wissen schaftliche Bibliothek nebenher erfüllen kann. Harnack sagt von seiner Bibliothek: »In der Benutzung liegt die Hauptleistung des Instituts. Die Bibliothek hat mit allen Kräften den Bedürfnissen der Wissenschaft und den Forschern und Gelehrten zu dienen — ein Buch, das niemals gelesen wird, hat seinen Berus versehlt, und ein Buch, das zer lesenwird, hat ein würdigeres Los gefunden als ein Buch, das in .Schönheit' lebt, aber niemals gelesen wird.» Das soll ihm auch hier als zutreffend sür die Mehrzahl aller Bücher nicht bestritten werden. Es trisft aber nicht für alle Exem plare jedes Buches und ohne Einschränkung zu, nämlich nicht für die, die im Archiv gegenwärtig und dauernd der Forschung bis in spätere Zeiten zur Hand gehalten werden sollen. Des halb hatte auch Geheimrat Boysen von seinem Gesichtspunkt nicht weniger recht, als Exzellenz Harnack, wenn er in seinem Gutachten, dem der akademische Senat zu Leipzig beitrat, betonte: »Die geplante Sammlung solle sür Erhaltung der Druckwerke noch mehr sorgen, als für die Benutzung, sonst'würde durch die Einordnung in eine große stark gebrauchte Bibliothek ein erheblicher Abgang durch Verlust und Verbrauch entstehen.« Mit besonderem Nachdruck betonte Or. Ladewig im »Tag« am IS. Juli 1SI2, die schärfste Ablehnung des Gedankens, die geplante Sammlung in eine Bibliothek einzugliedern, ohne dabei die Königl. Bibliothek in Berlin zu erwähnen. Er sagt: »In sämtlichen wissenschaftlichen Büchereien ist für die Aufgaben eines Archivs kein Platz.« Das ist kein Tadel, sondern nur die Feststellung der Grenzen zweier verschie dener Gebiete. Ein Archiv erfordert eine besondere Benutzungspraxis (keine Abnutzung durch Ausleihen), eine be sondere Art der Aufstellung der Bücher und einen besonders zusammengesetzten Beamtenstab. »Eine Bücherei, die uni versell der Wissenschaft dienen und daneben auch eine absolute Sammlung der ihr völlig sernliegenden und ihr wertlosen Literatur erstreben will, kann nur ein Monstrum werden; mit jeder neuenRiesenausdehnungschwerfälligerund unbenutzbarer. Willig mithelfen wird die Allgemeinheit des Buchgewerbes dabei nur dann, wenn die Anstalt im gewissen Sinne ihm gehört, seine wichtigen Interessen vertreten und fördern will.« Er wies auch darauf hin, welche »unvergleichliche Hilfe« durch eine 4V Jahre früher begonnene Sammlung deutscher Lite ratur seit Begründung des Reiches für »jedes kaufmännische, rechtliche und literarische Bedürfnis« gewonnen worden wäre, und endlich, »was sür eine wissenschaftliche Quellenbücherei!« Es war hiernach für die Errichtung der »Deutschen Bü cherei« nun doch, wie wir schars betonen müssen, sehr hohe Zeit geworden. Ladewig schließt mit den Worten: »Diese Voraussetzungen werden an dem Welthandelszentrum sür Bücher, in Leipzig allein erfüllt. Die ganze Bewegung des Materials ist für Deutschland in Leipzig leichter, als irgendwo sonst, möglich«. Und endlich sei hier nochmals hervorgehoben, daß Karl Siegismund aus eine weitere wichtige und besondere Aufgabe der Deutschen Bücherei hinlenkte, welche in ihrer großen Be deutung für die deutsche Bibliographie liegt, und für die auch nur sie die Erhaltung in absoluter Vollständigkeit fortdauernd gewährleisten kann, wenn mit ihr die Bibliographie am gleichen Orte vereint arbeitet. Aus solchen praktisch gewichtigen Erwägungen und An schauungen beruhen die zielsicheren Richtlinien und Entschlüsse für die Errichtung der Deutschen Bücherei in Leipzig, für die der Sächsischen Staatsregierung und der Stadt Leipzig keine Opfer zu groß waren. Und der deutsche Buchhandel ist sich klar über die hohe Bedeutung dessen, was chm damit darge boten wurde. Er kennt aber auch die Pflichten seines Dankes durch angemessene Betätigung seiner Opferwilligkeit und Ar beitsbereitschaft. Der Name tut nichts zur Sache, nur der fruchtbare Gedanke, von dem sie getragen wird, ist der mächtig zündende Funke, der die schassenden Kräfte nachhaltig auszulösen vermag. Keinerlei kleinlichere Bedenken könnten ihn mehr zum kraftlosen Schemen eines nur blendenden, schadendrohenden, aber nutzlos verlöschen den Irrlichts herabmindern. »Die leidige Frage des Pflicht exemplarzwangs, die die rühmlichst bekannte Opserfreudigkeit der deutschen Verleger begreiflicherweise niederzuhalten Pflegt» — hat sich in Leipzig nicht wieder eingestellt. Hier wußte man zu genau, daß mit ihm noch nie und nirgends in Deutschland Hinlängliches zu erreichen war. Der Beginn der Sammlung wurde sür I. Januar 1813 schon ermöglicht. Für die Zeit der Errichtung ihres eigenen Hauses öffneten sich ihr hierzu die gastlichen Tore des Deutschen Buch händlerhauses, in dem ihr geeignete Räume zur Verfügung gestellt wurden. — Der Buchhandel hatte kein Vierteljahr mehr dafür zu verlieren übrig. So spiegelt sich der Vorgang in Leipzig. Das Bild, das Exzellenz Harnack sich malte, trägt manchen befremdenden Zug. Seine Verheißungen bis auf 50 Jahre hinaus sind seine Über zeugung, die auf einer der Leipziger entgegengesetzten Auffassung in mancherlei für die Errichtung der Deutschen Bücherei maß gebend gewordenen Gesichtspunkten beruht. Seine Bibliotheks- Politik und Prophetie mischen sich hier und verstärken ihm nur das Gefühl einer bitteren Enttäuschung über fehlgeschlagcne Hoffnungen, die er für sein Institut zu hegen einst doch berechtigt war. Das können wir verstehen und hier auf sich beruhen lassen. Aber Harnack versicherte auch, sich nun auf den Boden der neuen Verhältnisse gestellt zu haben, und hat die Deutsche Bücherei mit Dank begrüßt und Seite 32 gesagt, daß die Königl. Bibliothek das neue große Unternehmen gern sördern wird. Er hat das zunächst auch bewiesen, indem er einräumte, daß durch Entsendung eines Direktors der Königl. Bibliothek in den Geschäftsführenden Ausschuß der Deutschen Bücherei in Leipzig an ihren Arbeiten teilgenommen werde. An diesen Tatsachen wollen wir auch hier nichts deuteln. Der weiteren Verfolgung abweichender Linien seiner Einzeldarstellungen und Schlußfolgerungen — davon, wie sich die Tatsachen in Leipzig gestaltet haben, sind wir durch nach stehenden Briefwechsel enthoben, dessen Veröffentlichung zur Aufklärung an dieser Stelle Harnacks Genehmigung ge sunden hat. Die Königl. Bibliothek in Berlin und die Deutsche Bücherei in Leipzig müssen unbeirrt Hand in Hand gehen. Sie müssen sich gegenseitig sördern, wenn sie die volle Ernte ihrer hoffnungs voll aufblühenden, obschon getrennten Arbeitsfelder zum Segen der deutschen Nation unverkümmert einbringen wollen. Das walte Gott! Ernst Mohrmann. Zunächst geben wir nun noch zwei Stimmen der Presse über Harnacks Ausführungen wieder, die für unsere Leser in diesem Zusammenhang besonders lesenswert erscheinen, und lassen dann den am Schluß unseres Artikels erwähnten Brief wechsel zwischen Kommerzienrat Siegismund und Exzellenz Harnack vom 6. Dezember 1812 folgen. Dem Berliner Tageblatt (Abendausgabe) Nr. 586 vom 22. November 1812 wurde geschrieben: