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14282 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 265, 13. November 1912. werden. Die Bekanntmachung des Börsenvereins-Vorstandes vom 25. September 1912 gab freudig und deutlich Kunde davoll. Aus einem Phantom, einer Idee war eine erfreuliche Tat ge worden! Was sagt die öffentliche Meinung nun dazu? Wir wollen es in einigen Proben so übersichtlich wie möglich zeigen. An erster Stelle müssen wir hier der im vornehmsten Sinne hierzu berufenen Zeitschrift das Wort vergönnen, der Zeitschrift für Bücherfreunde, weil die folgen den Stimmen sich mehrfach auf ihren Artikel beziehen. vr. Erich Ehlermann-Dresden, der Anreger und Mil schöpfer des gewaltigen Institutes, unterrichtet im 7. Heft dieser Zeitschrift Jahrgang 1912 durch einen inhaltreicheil Aussatz über die Notwendigkeit einer deutschen Bücherei, ihre Aufgaben, Wege und Zielen Auf dessen umfangreiche, er schöpfende und überzeugende Darstellung können wir unsere Leser hier leider nur kurz Hinweisen. Sie müssen im ganzen Zusammenhang nachgelesen werden. Aber wenige Sätze dar aus sollen hier doch Raum finden: »Es zeigt sich, das; seit Begründung des Reichs die Schaffung einer vollständigen, zentralen Biichersanunlnng von allen dabei inter essierten Kreise», von Schriftstellern, Gelehrten, Bibliothekaren, ja selbst Behörden einmütig empfohlen und gefordert worden ist . . . Wenn nach dem Borstehenden außer Zweifel gestellt sein dürfte, das; eine deutsche Zentralbibliothek nicht nur ein Ziel ,anfs innigste zu wünschen* ist, sondern eine Notwendigkeit; das; jedes Jahr weiteren Zögerns eine weitere Schädigung ernster Kultnrintercsscn Deutschlands bedeutet: so sind zunächst die Aufgaben einer solchen Bibliothek näher zu erörtern. Erst dann wird die zweckmäßige Art der Ausführung des Planes darznlegen sein, damit die Bibliothek diesen Aufgaben möglichst vollkommen entbrechen könne und die ihrer Begründung entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden . . . Jede Bibliothek, sei ihr Etat noch so groß, hat im Bergleich zur Fülle des Vorhandenen beschränkte Mittel. Alle Bibliotheken müs se» sich daher beschränken ans ganz bestimmte Gebiete der Literatur, und ans diesen erstreben sie nicht so sehr Vollständigkeit,'als Viel seitigkeit. Denn eine Bibliotheksleitung mag so sachkundig und um sichtig sein, wie sie wolle: niemals kann sie die bei wissenschaftlicher Einzelforschnng sich ergebenden Bedürfnisse vollständig voranssehen und durch Anschaffungen im voraus befriedigen. Nun ergibt sich, daß ganze Litcraturgattungeu überhaupt nicht, oder nur durch Zu fall gesammelt werden. Es ist zum Beispiel kein Zweifel, daß die politischen Flugblätter, wie sie gegenwärtig namentlich bei Wahlen massenhaft erscheinen, für den Historiker späterer Zeiten ein außer ordentlich wertvolles Material darstellcn werden. Ebensowenig aber unterliegt es einem Zweifel, daß sie zurzeit vollständig von keiner öffentlichen Bibliothek gesammelt werden. Es ist aber auch ohne eine weitverzweigte, leistungsfähige Organisation ganz unmöglich; eine Organisation, wie sie für diesen Zweck allein wieder viel zu kostspielig sein würde usw.« Der Berliner Lokal-Anzeiger (Abendausgabe vom 28. September 1912) äußerte sich, wenn er auch von einer unvermeidlichen Beschränkung des Planes spricht, im wesent lichen mit warmer Anerkennung über die Errichtung der »Deutschen Bücherei« wie folgt: »Der deutsche Buchhandel, dessen Verdienste um die Geistes- kultnr ohnehin schon unschätzbar sind, ivill jetzt mit seiner Organi sation und seinen Mitteln für die Vollendung eines großen Werkes eintreten, welches das geistige Deutschland seit langem ersehnt. Eine große Deutsche Bücherei mit dem Sitze in Leipzig soll das gesamte deutsche und ausländische Schrifttum als ein gewaltiges Archivhans der Literatur in sich vereinigen. Die Projekte einer deutschen Neichsbibliothek, zu der die König liche Bibliothek durch Pflichtexemplare aller deutschen Verleger aus gestattet werden sollte, und andere ähnliche Vorschläge werden durch dieses Vorgehen der deutschen Buchhändler überflüssig gemacht. Bei dem praktischen Sinn und der Tatkraft, die ihren Leipziger Zen tralverein anszeichnet, wird die Deutsche Bücherei binnen kürzester Frist eine vollendete Tatsache sein.« Die Post iu Berlin (Morgenausgabe vom 26. Sep tember 1912) berichtet über die Bekanntmachung im Börsen blatt für den Deutschen Buchhandel »von dem Archiv des deutschen Schrifttums und des deutschen Buchhandels«. Auch mit dem oben charakterisierten Aufsatz des vr. E. Ehlermann beschäftigt sich die Post (Morgenausgabe vom 1. Oktober 1912) in einem längeren Artikel auszugsweise und zitiert in der Abendausgabe vom 23. Oktober 1912 einen Beitrag des Ge heimen Rats I>r. Paul Schwenke im Zentralblatt für Biblio thekswesen, der namentlich gegen die Beschränkung der »Deut schen Bücherei« auf die neueste Literatur skeptische Bedenken gellend macht. Die Tägliche Rundschau (Abendausgabe vom 25. September 1912) gibt die Bekanntmachung des Börsen blattes von der Errichtung der »Deutschen Bücherei« wieder und führt daran anknüpfend aus: »Vor 49 Jahren ist zuerst der Gedanke einer deutschen National- Bibliothek anfgetaucht, von Gelehrten und Schriftstellern, von Bi bliothekaren und Buchhändlern sind seitdem Vorschläge zur Ver wirklichung gemacht, aber gegenüber unüberwindlichen Hinder nissen wieder anfgcgebe» worden. Nun wird der Traum, den Fran zosen, Engländer, Amerikaner für ihre Literatur bereits verwirk licht haben, auch für die deutsche Literatur, die alle anderen Länder an Umfang übertrisft, Wirklichkeit. Eine möglichst lückenlose natio nale Bibliothek ersteht in Leipzig, dem Mittelpunkt des deutschen Buchhandels. Das Berliner Tageblatt (Abendausgabe vom 25. September 1912) gibt im Anschluß an seinen Bericht von der Ankündigung der »Deutschen Bücherei« des von zustän diger Seite wohlunterrichteten Kritikers einigen Besorg nissen Ausdruck, die auch hier nicht verschwiegen werden sollen, obwohl sie in Leipzig und anderwärts nicht geteilt werden können, wie aus der Stimme des Leipziger Tage blattes, die wir hier unmittelbar folgen lassen, zu hören ist. - Das Berliner Tageblatt schreibt: »Wir können zu dieser Nachricht, gestützt ans Informationen von zuständiger Seite, noch folgendes Mitteilen: Durch die Schaffung der .Deutschen Bücherei* ist im großen und ganzen das erreicht worden, was bereits dem verstorbenen Ministerialdirektor Althoff als er strebenswertes Ziel vor Augen schwebte. Tie Opferwilligkeit des sächsischen Staates und der Stadt Leipzig sind gewiß durchaus an zuerkennen. Indessen darf man dabei nicht übersehen, daß die Be deutung der Leipziger Bücherei nur eine bedingte ist. Einmal kann sie nur an Ort und Stelle benutzt werden, sodann aber und vor nehmlich sammelt sie nur Literatur von heute. Die Literatur der Vergangenheit fehlt. In zehn Jahren erst wird sie so etwas wie rückwärtige Literatur anfzuweisen haben aber auch nur für das letzte Dezennium. Aus diesem Grunde kann man nicht etwa auf den Gedanken kommen, daß die Königliche Bibliothek in Berlin durch die Leipziger Gründung an die zweite Stelle rückt. Im Gegenteil ist ihre Bedeutung, da sie über die alten Schätze der Literatur verfügt, größer, denn je. ES steht daher zu hoffen und zu erwarten, daß der preußische Staat hinter dem sächsischen an Opferwilligkeit nicht znrückbleiben und sie besser und höher, wie früher, durch staatliche Mittel unterstützen wird. Die Leipziger .Deutsche Bücherei* wird, um die nötigen Bücher zu erhalten, einmal ans dem jährlichen Unterhaltnngsfonds von 85 009 .// Bücher kaufen könne». In der Hauptsache aber ist sie auf Schenkungen angewiesen. Da ist es nun sehr praktisch, daß diese Gründung im engen Zusammenhang mit dem Börsenverein der Deutschen Buchhändler steht, der die Bücher zum Selbstkostenpreis er werben kann. Ursprünglich war an die Schaffung eines Reichs gesetzes betreffend die Lieferung von Pflichtexemplaren gedacht wor den. Ein solches Gesetz ist aber nicht nötig. In den alten preußi schen Provinzen, aber auch nur in den alten Provinzen, besteht aber bekanntlich ein Gesetz, nach dem von jeder Neuerscheinung zwei Pflichtexemplare geliefert werden müssen, und zwar eins an die Königliche nnd eins an die betreffende Universitätsbibliothek.« Das Leipziger Tageblatt (Morgenausgabe vom 26. September 1912) hatte schon einen Borbericht über die