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Mchtamtlicher Teil. — Sprechsaal. 298, 24. Dezember 1910. thekars und Direktors des städtischen Archis in Leipzig übernahm. Schon früher ein tätiger Mitarbeiter an der angesehenen Leipziger Wochenschrift »Die Grenzboten« trat er 1879 nach dem Aus- scheiden Hans Blums in die Redaktion der »Grenzboten« ein und war deren Redakteur Johannes Grunow eine tatkräftige Stütze als Mitherausgeber. 1897 schied er aus dieser Gemeinsamkeit aus. Noch im Lehrberufe war er seiner Neigung für geschichtliche Forschung gern gefolgt und hat sich mit Vorliebe der Geschichte der Stadt Leipzig zugewendet. Wertvolle Veröffentlichungen geben Zeugnis von seiner emsigen Forscherarbeit. Weiter hinaus aber tragen seinen Ruhm zahlreiche Schriften, mit denen er der bedrohlich gewachsenen Verschlechterung der deutschen Schrift sprache — ebenso dem eilfertigen und nachlässigen »Zeitungs jargon«, wie dem oft genug überbildeten Gelehrtendeutsch — derb-energisch und erfolgreich entgegengetreten ist. Folgende von seinen Schriften seien hier angeführt: Apelles' Leben und Werke (1870); — Der Leipziger Bau- meister Hieronymus Lotter (1875); — Beiträge zur Geschichte der Malerei in Leipzig v. 16.—17. Jahrhundert (1879); — Die Ver traute Gesellschaft in Leipzig (1880); — Aus Leipzigs Vergangen heit, 3 Bde. (1885; 1898; 1909); — Alumneums-Erinnerungen (1890); — Allerhand Sprachdummheiten (1891); 4. Aust. 1908); — Das Leipziger Stadtwappen (1897); — Die Leipziger Immobilien- Gesellschaft (1899; 2. Aufl. 1903); — Der Wirt von Auerbachs Keller (1902); — Geschichte der Stadt Leipzig. 1. Bd. (1905); — Kleine Chronik von Leipzig (1908). Als Herausgeber erscheint Gustav Wustmann auf folgenden Werken: Goethe, Götz von Berlichingen (1871); — Das Freischießen zu Leipzig 1659 (1884); — Als der Großvater die Großmutter nahm (Liederbuch für altmodische Leute; 1886; 4. Aufl. 1906); — Quellen zur Geschichte Leipzigs (1889—1895); — Dasselbe II. Bd. u. d. Titel: Leipzig durch drei Jahrhunderte (1890); — Die sprichwörtlichen Redensarten im deutschen Volksmunde (1891; 6. Aufl. 1894); — Der Leipziger Student vor hundert Jahren (1897); — Bilderbuch aus der Geschichte Leipzigs (1897); — Kreuchaufs Schriften zur Leipziger Kunst (1899); — Georgi (Oberbürgermeister von Leipzig), Reden und Ansprachen (1899); — Tableau von Leipzig 1783 (1902); — Neujahrsblätter der Bibliothek der Stadt Leipzig (1905—1908). Sprechsaal. Znm Entwurf des »Kurpfuscher-Gesetzes«. <Vgl. Nr. 28S, 287. 2SV, 2SS d. Bl.» Sehr geehrte Redaktion! Das Gutachten des Herrn Justizrat vr. Fuld-Mainz im Börsenblatt Nr. 295 betreffs der schweren Gefahren, die dem Buchhandel durch das am 30. November und 1. Dezember 1910 dem Reichstag in erster Lesung unterbreitete sogenannte »Kurpfuschergesetz« drohen, gibt mir Veranlassung, einige weitere Gefahrenquellen, sowohl für den Verlags buchhandel, wie für das Sortiment, kurz zu skizzieren. 1. Nach § 6 kann der Bundesrat den Vertrieb von Büchern und Zeitschriften verbieten: a) die zur Verhütung, Linderung oder Heilung von Krank heiten, Leiden oder Körperschäden bei Menschen oder Tieren dienen sollen. — Mit anderen Worten: Der Bundesrat kann jedes medizinische Buch und jede medizinische Zeit schrift, gleichviel ob sie populär oder rein wissenschaftlich geschrieben sind, vom Vertrieb ausschließen. Der Inäox librorum prodibitorum wird also auch für Deutschland ge schaffen. d) die Einfuhr derartiger Bücher und Zeitschriften untersagen. Zu diesem Zwecke bildet der Bundesrat eine fünfgliedrige Zensur-Kommission beim Kaiserlichen Gesundheitsamt, bestehend aus Juristen, Medizinern und Apothekern. — Gegen die Ent scheidungen dieser Zensur-Kommission giebt es kein Rechtsmittel, keine Berufung an die ordentlichen Gerichte. 2. Nach § 7 wird derjenige Verlagsbuchhändler und derjenige Sortimenter mit Gefängnis bis zu einem Jahre und mit Geld strafe bis zu 6000 ^ bestraft, der in Prospekten und Inseraten über medizinische Bücher oder medizinische Zeitschriften wissent lich unwahre Angaben über den Wert oder die Wirksamkeit der in dem Buch oder in der Zeitschrift seitens der ärztlichen Autoren empfohlenen Heilmittel oder Heilverfahren macht. — Handelt der Buchhändler nur fahrlässig, so wird er nur mit drei Monaten Gefängnis oder 600 Geldstrafe bestraft. Die Verurteilung des Buchhändlers kann durch Gerichtsbeschluß auf seine Kosten öffentlich bekannt gemacht und seine soziale Existenz damit vernichtet werden Hieraus ergibt sich folgendes: Bestraft wird derjenige Buch- Händler, der in Prospekten oder Inseraten von einem medi zinischen Werk etwa sagt »es sei ein vorzügliches Werk«, falls im Gegensatz hierzu die Zensur-Kommission des Kaiserlichen Gesundheitsamtes die Ansicht vertritt, daß der Wert des be treffenden Buches und die Wirksamkeit der in ihm empfohlenen Heilverfahren und Mittel nicht »vorzüglich« wäre. 3. Nach tz 8 wird derjenige Buchhändler mit 6 Monaten Ge fängnis und 1500 Geldstrafe bestraft, der durch Prospekte oder Inserate ankündigt oder anpreist: a) Bücher oder Zeitschriften, in denen Geschlechtskrankheiten besprochen werden. b) Bücher oder Zeitschriften, in denen Verfahren oder Mittel zur Behebung sexueller Impotenz besprochen werden. o) Bücher oder Zeitschriften, in denen die Empfängnis verhütung besprochen wird. ä) Bücher oder Zeitschriften, in denen die Beseitigung der Schwangerschaft besprochen wird. s) Bücher oder Zeitschriften, in welchen sich Inserate be finden, welche die unter a, b, o, ä benannten Zeitschriften empfehlen. t) Bücher oder Zeitschriften, in denen Heilmittel besprochen werden, falls deren Bestandteile oder Gewichtsmengen nicht genau angegeben sind. (Geheimmittel.) 8) Bücher oder Zeitschriften, in denen Heilverfahren besprochen werden, falls nicht schon im Inserat oder Prospekt die genaue Art des betreffenden Heilverfahrens genau ange geben ist. (Geheimverfahren.) 4. Nach § 15 wird derjenige Buchhändler bestraft, welcher mit Bezug auf gewisse medizinische Bücher und Zeitschriften seinen Prospekten oder Inseraten, gleichviel ob im Börsenblatt oder sonstwo, anfügt: »Empfehlungen, Anerkennungen, Gutachten, Danksagungen oder ähnliche Äußerungen«. Dies find — kurz skizziert — die Hauptgefahren, die das Gesetz für den Buchhandel in sich birgt. Daß bei der kautschuk artigen Dehnbarkeit aller Paragraphen noch mancherlei andere Fallstricke vorhanden sind, ist klar. Wird der Gesetzentwurf wirk lich zum Gesetz erhoben, so bedeutet das die pekuniäre Zer rüttung vieler medizinischen Verleger und die Unterstellung des gesamten deutschen Buchhandels unter eine Zensur (!)-Kom mission und unter die täglich drohende Möglichkeit des Konfliktes mit den Strafgesetzen. Will sich der deutsche Buchhandel die Einsetzung einer der artigen Zensur für medizinische Werke, der ja dann auch die Wiedereinführung der Zensur für belletristische und politische Druckschriften folgen kann und mag, ruhig gefallen lassen? Will der deutsche Buchhandel sich nicht dagegen wehren, daß er mit drakonischen Gefängnis- und Geldstrafen bedroht wird, falls er, gar nicht mal wissentlich, nein, nur »fahrlässig« in seinen Prospekten mal etwas sagt, was die Zensur-Kommission für nicht zu treffend hält? Will der deutsche Buchhandel sich denn selbst eine Züchtigungsrute schneiden, die viele seiner Verleger- und Sorti- menter-Mitglieder zugrunde richten kann? Ich meine, es läge Grund genug vor, sich zu energischer Abwehr zusammenzuschließen, eine Hauptversammlung des Börsenvereins und des Deutschen Verlegervereins einzuberufen und inzwischen eine Petition und eine ausführliche Denkschrift für den Reichstag vorzu- bereiten. Diese Denkschrift müßte jedem Mitgliede des Reichs tages, dem Staatssekretariat des Innern und seinen Direktoren und Räten, sowie dem Verein Deutscher Zeitungsverleger,Hannover, und der Vereinigung Deutscher Annoncen-Expeditionen zugestellt werden. — Da der Deutsche Verlegerverein in seinen Mitteilun gen diese Frage noch nicht zur Diskussion gestellt hat, dürfte sich auch dieses empfehlen, weil sicherlich noch mancher Verleger medizinischer Werke sich nicht darüber klar geworden ist, welcher immensen Gefahr er entgegengeht. — In den ersten Tagen des Januar hält die Reichstagskommission bereits ihre zweite Sitzung ab! Es ist Gefahr im Verzüge, Kollegen! X.