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0430 BSrl-nblott f. d. Dllchn. «uchh»nd-l. Nichtamtlicher Teil. 192, 20. August 1S1V. Wert als Mindestpreise in allen nur denkbaren Fällen der Praxis haben können, daß sie maßgebend sein könnten fitr jede Art von Satz- und Druckleistung und für jede Form der Betriebe. Die vielgestaltigen Umstände, die für die Preisberechnung einer Satz- und Druckarbeit mitbestimmend oder maßgebend sind, werden sich niemals in den Rahmen eines festen Tarifs zwingen lassen; die Preise des Tarifs können nun und nimmer eine allgemeingültige Norm ab geben zur Feststellung der erfolgten Schleuderei. Es gibt logischerweise überhaupt nur zwei Möglichkeiten für die Wirkungen eines Preistarifs mit Mindestpreisen in der Praxis: Entweder führen die Preissätze des Tarifs in ihrer Anwendung bei der Kalkulation -— wie vom Buchdrucker verein behauptet wird — denjenigen Gesamtpreis herbei, der unbedingt notwendig ist, um auch dem in den engsten Grenzen der Leistungsfähigkeit sich betätigenden Buchdrucker einen genügenden Ertrag zu gewährleisten, — dann muß es die unmittelbare Folge sein, daß dieser Preis, der von keinem Buchdrucker unterboten werden darf, alle wenig leistungs fähigen Betriebe konkurrenzunfähig macht gegenüber den Groß betrieben, die ihre in jeder Beziehung wertvolleren Arbeiten zu genau dem gleichen Preise anzubieten berechtigt sind. Oder die Preislarissätze stellen das Minimum desjenigen Preises dar, der begründet ist durch Gesamtleistungen, die den höchsten zu stellenden Anforderungen genügen (die Höhe der Preise des Tarifs scheint diese Annahme wenigstens annähernd zu rechtfertigen). — Dann ist die unausbleibliche Folge, daß diejenigen Buchdruckereien, deren Leistungen solchen Höchstanforderungen nicht gewachsen sind, mit den leistungs fähigen Betrieben gleichfalls nicht in Wettbewerb treten können, weil sie für ihre geringeren Leistungen die gleichen Mindest preise zu fordern gezwungen find. Selbst wenn also den einheitlichen Mindestpreisen des Tarifs durch die vorgesehenen Zwangsmittel wirklich all gemeine Geltung verschafft werden könnte, so würde das lediglich eine Schädigung der mittleren und kleineren Druckereibctriebe bedeuten; der Verlagsbuch handel würde naturgemäß seine Aufträge ausschließlich den Großbetrieben erteilen, die in bezug auf Schriftenauswahl, Schriftmenge und die Möglichkeit besserer und schnellster Ausführung der Arbeiten den anderen weit überlegen sind. Diesen Kernpunkt der ganzen Streitfrage hat der Verlegeroerein in allen seinen Veröffentlichungen als das Wesentliche seiner Gegnerschaft stets deutlich bezeichnet. Eine sachliche Widerlegung dieser für seine Maßnahmen allein maßgebenden Anschauung ist aber in keiner der wiederholten Auslassungen des Deutschen Buchdrucker- Vereins auch nur versucht worden. Es ist nur folgerichtig, daß ein Sittengesetz, wie der Preistarif, dessen Durchführung lediglich aus grauen Theorien aufgebaut ist und sowohl den wirtschaftlichen Notwendig keiten der Praxis, als auch der Gewerbefrecheit direkt zuwiderläuft, zur Gesetzes-Umgehung herausfordert. Die in ihrer Existenz bedrohten mittleren und kleineren Betriebe des Buchdruckgewerbes werden gezwungen, wenn sie ihren Leistungen angemessene Preise stellen wollen, Mittel und Wege zur heimlichen Umgehung des Preistarifs zu suchen. Die bisherigen Eifahrungcn haben auch bereits gezeigt, daß die scharfe Konkurrenz der Großbetriebe untereinander zur Unterbietung der Tarifpreise anreizt. Treu und Glauben im Geschäftsverkehr zwischen Drucker und Auftrag geber wird auf diese Weise untergraben, und der Unredlichkeit und dem Mißtrauen Tür und Tor geöffnet. Der Deutsche Verlegerverein und der Verband der Fach presse als berufene Vertreter dauernder und regelmäßiger Auftraggeber des Buchdruckgewerbes wollen durchaus nicht gegen feste und sachlich berechtigte Preise Sturm laufen, sie sind keineswegs gewillt, der Preisdrückerei Vorschub zu leisten, und noch weniger beabsichtigen sie, der Tarifgemeinschaft an sich Schwierigkeiten zu bereiten oder den Frieden zu stören. Sie erstreben, in der festen Überzeugung, daß es im Sinne einer gesunden Entwicklung und im wohlverstandenen Inter esse sowohl der Arbeitgeber als auch der Arbeitnehmer im Druckgewerbe liegt, die persönliche Freiheit des einzelnen Buchdruckers hinsichtlich der Preisberechnung auf Grund seiner eigenen tatsächlichen Selbstkosten und unter Berück sichtigung aller jeweils in Betracht zu ziehenden Verhältnisse nach Maßgabe seiner Leistungen. Es wäre widersinnig, wollte der Verlagsbuchhandel für das Druckgewerbe aus dessen gegen die Schleuderet an sich gerichteten Maßnahmen einen Vorwurf herleiten. Es ist auch Tatsache, daß die Vertreter des Berlages ausdrücklich erklärt haben, sie seien bereit, diese Bestrebungen zu unterstützen, und sie müßten nur das angewendete Mittel, den Preistarif, seiner unausbleiblichen Begleiterscheinungen halber verwerfen und bekämpfen. Es unterliegt ferner keinem Zweifel und wurde von er fahrenen Buchdruckern auch offen eingestanden, daß der komplizierte Tarifapparat dem rationellen Betriebe des Gewerbes schwere und drückende Fesseln auslegt. Mit einer nicht unbeträchtlichen Anzahl von Buchdruckereibesitzern teilt der Verlagsbuchhandel deshalb die Besorgnis, daß sich das Buchdruckgewerbe durch den gegenwärtigen Ausbau des Tarifwesens und besonders durch den Abschluß des so genannten Organisationsoertrages aus einen Weg begeben hat, der zu unhaltbaren Zuständen führen, die ausgleichende Wirkung technischer Fortschritte hindern und schließlich sogar die literarische Produktion selbst ernstlich in Mitleidenschaft ziehen muß. Wenn nun auch erwartet werden darf, daß die in der Hauptversammlung des Deutschen Buchdrucker-Vereins (Stutt gart 1910) beschlossene Revision des Preistarifs die Be seitigung einzelner Tarifbestimmungen und die Milderung gewisser Folgeerscheinungen herbeiführen wird, so müssen wir doch unserer festen Überzeugung dahin Ausdruck geben, daß nur eine vollständige Änderung der Grundsätze, die zurzeit für seine Durchführung maßgebend sind, die allseitig befriedigende Lösung bringen kann. Wir richten an die Buchdruckereibesitzer Deutschlands die dringende Bitte, die Anschauungen des Verlages auf Grund eigener Erfahrungen einer sachlichen Prüfung zu würdigen und in ihren Kreisen der Forderung Geltung zu verschaffen, daß den Mindest preisen des Tarifs die bindende Kraft genommen, der Tarif selbst also seines Gesetzescharakters entkleidet und seiner ursprünglichen Bestimmung als Leitfaden der Kalkulation des Buchdruckers zugeführt wird. Im Juli 1910. Die Druckpreis-Kommission des Deutschen Vcrlegervereins und des Verbandes der Fachpresse Deutschlands Dr. I. H. Bechhold, i. Fa. H. Bechhold, Frankfurt a. Main. Eduard Cramer, i. Fa. Tonindustriezeitung Pros. Seger und E. Cramer, Berlin. Jobs. Friedr. Dürr, i. Fa. Dürr'sche Buchhandlung, Leipzig, vr. Erich Ehlermann, i. Fa. L. Ehlermann, Dresden. Fritz Gersbach, i. Fa. Kameradschaft Wohlsahrtsgesellschast, Berlin. vr. Walter de Gruyter, i. Fa. Georg Reimer, Berlin. Hermann Hillger, i. Fa. Hermann Hillger, Berlin. Arthur Meiner, i. Fa. Johann Ambrosius Barth, Leipzig. Carl Ernst Poeschel, i. Fa. Carl Ernst Poeschel und Tempel» Verlag G. m. b. H., Leipzig. Artur Seemann, i. Fa. E. A. Seemann, Leipzig.