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.U 230, 2. Oktober 1912. Nichtamtlicher Teil. Mq-Ndlatt f. d. Dp-Ho Buch?»»d-I 1I68I Nichtamtlicher Teil. Genossenschaftlicher Buchverlag. In Berlin hat sich vor wenigen Tagen ein neuer »Ver band deutscher Autoren« unter dem Namen »DasSprung- brctt « gebildet. Zusammengeführt hat die jungen Schrift steller die Rot ihres Standes, die wachsende Schwierigkeit für den Anfänger, einen zahlenden oder zum mindesten nicht Zahlung verlangenden Buchverleger zu finden. Die Erklärun gen, die sie für diese unerfreulichen Zustände haben, sind von anderen und mir an dieser Stelle des öfteren schon aus gesprochen worden: neben der allgemeinen Überproduktion die durch nichts gerechtfertigte Verbilligung der Lektüre. Treffend werden die heutigen Zustände in dem versandten Merkblatt folgendermaßen charakterisiert: 1. Das Bach zu dem gewöhnlichen Ladenpreise von g—6 «1k (und mehr) hat überhaupt nur Aussicht Käufer zu locken, wenn es einen bekannten Verfassernamen führt, 2. Der Verleger des billigen Buches kann lediglich Werke be kannter Autoren bringen, deren Beliebtheit beim Publikum seststeht. Aus diesen beiden Sähen ergibt sich die traurige Konsequenz für den jungen, noch unbekannten Autor: »erfindet heuteüberhauptkeinenVerlegermehr.« Auch der häufig vorgebrachte Einwand, daß für Mei sterwerke sich noch immer Verleger gefunden hätten, wird sehr richtig mit dem Hinweis beantwortet, daß Genies selten sind, und daß noch seltener Erstlingswerke gleich Meisterwerke werden. Der junge Verein hat sich, wie der Titel schon sagt, das Ziel gesetzt, den Autoren den »Sprung« in die Welt des Er folges zu erleichtern, und zu diesem Zwecke eine Reihe prak tischer Einrichtungen getroffen. Zu diesen gehört zunächst eine P rü fun g s st e l l e für Manuskripte, der jedes Mitglied — der jährliche Beitrag be trägt 20 »L — vier Werke zur unentgeltlichen Prüfung vor legen kan«! weitere Prüfungen gegen mäßiges Honorar. Je dem Mitgliede soll über sein Werk ein Gutachten erteilt werden. Eine Ergänzung dieses Instituts bildet die Bera tung s st e 11 e, die über die bloße Prüfung hinaus praktische Vorschläge zur Verbesserung der Arbeiten machen soll. Beide Einrichtungen berühren etwas, was an dieser Stelle erst kürzlich zur Diskussion gestellt wurde: die Frage, ob es zweckmäßig für den Verleger ist, seine Ablehnung zu begründen. Ich stehe in dieser Frage auf sehr skeptischem Standpunkt. Im allgemeinen Pflegt Selbstbewußtsein und Empfindlichkeit im umgekehrt proportionalen Verhältnis zum Können der Autoren zu stehen, so daß man sich als unerbetener Kritiker leicht einer derben Zurückweisung aussetzt. Wo verlangt, ist es Wohl heute schon Sitte, daß Verleger ihre Ablehnung offen begründen. Ob aber mit Erfolg? Im allgemeinen wird man aber diesen beiden Abteilun gen eine gute Prognose stellen können, und wenn sie mit Per sönlichkeiten besetzt sind, die in der Literatur einen gewissen Namen haben, so wird ein Gutachten von ihnen Wohl auch dem jungen Autor bei der Suche nach einem Verleger von gewissem Nutzen sein. Weitere Abteilungen, eine Vertriebs stelle (geglie dert in: L. Abteilung für Zeitungen- und Zeitschriftenvertrieb und R. Theatervertriebsabteilung),sowie eine Rechtsaus kunft st e l l e haben schon bei Verbänden ähnlicher Art ihre Vorläufer, so daß es mir nicht erforderlich erscheint, sie hier ausführlich zu behandeln. Originell aber erscheint mir die Idee, dem Verbände auch eine Verlagsabteilung anzugliedern. Zwar hat schon der alte Lessing dafür Propaganda gemacht, daß die Schrift- für kirn BirchLandcr »v Jahrgcms steller sich von den habgierigen Verlegern emanzipieren soll ten, aber bis heute ist meines Wissens kein Beispiel vorhanden, daß eine derartige Gründung sich wirklich hat Hallen können.*) Die Werbeschrift äußert sich über dieses Projekt folgender maßen : »Aus den der Verlagsabteilung von der Prüfungsstelle über wiesenen Manuskripten wird die Verlagsabteilung nach Verein barung der Verlagsbedingungen mit dem Autor diejenigen Werke zum Buchverlag erwerben und als Verbandspublikation heraus geben, die der Abteilungsleitung geeignet erscheinen, dem Verlag des Verbandes einen angesehenen Nang unter den Verlagsinsti- tuten zu sichern. Um zugleich den durch den Verband verlegten Werken eine sichere Verbreitung bei einem gleichstrebenden, geistig hochstehen den Publikum zu schaffen, erhält jedes Verbandsmitglied kostenlos jährlich nach seiner eigenen Wahl eins der im Verbandsverlag erschienenen Werke. Jedes Mitglied ist ferner berechtigt, Buch erscheinungen des Verbandes zu einem Vorzugspreise in belie- *) Von der Dessauer Gelehrtenbuchhandlung bis herab zur Deutschen Schriftsteller-Genossenschaft ist noch keinem aus der Schriftstellerwelt ins Leben gerufenen genossenschaftlichen Unter nehmen zum Zwecke gemeinsamen Bücherverlags ein Erfolg be schicken gewesen, so viel Versuche auch in dieser Richtung schon gemacht wurden. Die Gründe dafür sind unschwer zu ermitteln. Die Form der Genossenschaft ist für Verlagsunternehmen schon deshalb nicht geeignet, weil sie viel zu wenig dehnbar ist, um der Geschäftsleitung einen gleich großen Spielraum zu geben, wie ihn der nur sich selbst verantwortliche Privatunternehmer hat. Setzt sich nun aber gar eine solche Genossenschaft aus Schriftstellern zusammen, deren hauptsächliches, wenn nicht ausschließliches Inter esse an dem Verlag ihrer Werke besteht, so daß die Rücksicht auf diese Interessen für eine abhängige Geschäftsleitung oft aus schlaggebender werden, als die auf den materiellen Erfolg des Gesamt- unternehmens, so wird man ihr kein günstiges Prognostikon stellen können. Der größte Teil unserer Schriststellerwelt, und besonders der jenige, der sich einer derartigen Genossenschaft anschließen würde, ist materiell nicht so gestellt, um einer Vereinigung dauernd Beiträge zufllhren zu können, ohne daß diese etwas für ihn tut. Dazu kommt, daß die Summe organisatorischer und verwaltungstech nischer Tätigkeit bei einem Schriftstellerverein von auch nur einigen Hundert Mitgliedern derart ist, daß sie nicht im Nebenamte be wältigt und billigerweise auch nicht von Einzelnen ohne Ent lohnung gefordert werden kann. Wenige Schriftsteller sind zu dem zur Übernahme derartiger Ämter geeignet, da das wirt schaftliche Denken der meisten noch in den Kinderschuhen steckt und ihre geschäftliche Befähigung oft gleich Null ist. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß einzelne Schriftsteller in eigener Sache eine Geschäftsgewandtheit, um nicht zu sagen industrielle Be gabung, entwickeln, um die sie mancher Verleger beneiden könnte. Für Ehrenämter sind aber gerade diese Leute meist nicht zu haben, es sei denn, daß sich ihnen durch deren Übernahme Gelegenheit zur Berücksichtigung ihrer eigenen Interessen bietet. An dem Mangel geschäftlicher Kenntnisse sind der Allgemeine Deutsche Schriftsteller-Verein und die Genossenschaft Deutscher Schrift steller gescheitert, und ihm fast allein ist auch die Schuld beizu- messen, daß der Deutsche Schriftsteller-Verband nie irgendwelche Rolle im Literaturleben gespielt hat. Klugerweise hat sich der Allgemeine Schriftsteller-Verein des Herrn vr. Hirschfeld auf Nechtsvertretung, Nachdruckskontrolle und sogenannte gute Rat schläge, wen die Schriftsteller mit ihren Elaboraten beglücken könnten, beschränkt, ohne bei aller Vielseitigkeit je in der Richtung einer Genossenschaftsgründung einen Versuch zu machen. Sie wäre auch aller Wahrscheinlichkeit nach der Anfang vom Ende, weil Theorie und Praxis zu oft im Verhältnis gegenseitiger Abneigung stehen. Es kann und darf auch nicht verschwiegen werden, daß das Sortiment bisher den Publikationen von Schriftstellervereiui- gungcn nicht das gleiche Interesse wie dem regulären Verlag entgegen- gcbracht hat, weil es ihm nicht nur an Vertrauen zu diesen Unter nehmen fehlte, sondern auch der geschäftliche Verkehr sich oft in Formen abspielte, die wohl neu, aber nicht gut waren. Red. 1521