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4860 Böncnblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. ^ 92, 23. April 1910. Sechste Auflage dieses seit längerer Zeit wieder vergriffenen und in jeder Nummer der Liblioxrapbis 6s la Kranes gesuchten, Sammlern unentbehrlichen Handbuches. (5. Aust. 1886.) — Wie mir soeben erfahren, sollen die vorbereitenden Arbeiten für diese Neuauflage noch ein bis zwei Jahre in Anspruch nehmen. Die Ausstellung deutscher Illustratoren im Kunstverein zu Leipzig. Im Vortragssaal des Kunstvereins hat gegenwärtig der Verband deutscher Illustratoren eine umfangreiche, den ganzen Raum füllende Sonderausstellung veranstaltet. Als hervorstechender Charakterzug der überwiegenden Mehrzahl der ausgestellten Ar beiten macht sich geltend, daß sie keineswegs als rein graphische Sonderkunst angesehen sein wollen, sondern daß sie auf ihren vornehmlichen Zweck, als Bildmaterial illustrierter Zeitungen zu dienen, zur Reproduktion geeignet, hin angesehen sein wollen. Dies zeigt sich sowohl in der technischen Behandlung wie in der Wahl der Motive. Die Forderung der illustrierten Zeitschrift ist eben eine andere als die der Mappe des Sammlers. Die erstere wird stets das Verlangen nach möglichst, starker malerischer Wirkung in den Vordergrund rücken, während drr Sammler sein Augenmerk vorwiegend auf die künst lerische Handschrift richtet und ihm demzufolge wenige zarte oder flotte und kühne Striche ebenso wertvoll sind wie eine auf starke Gesamtwirkung abzielende bildmäßige Darstellung. Daß dies Abzielen ans den Effekt unsere Illustratoren nicht zu bloßen Äußerlichkeiten veranlaßt hat, daß sie vielmehr immer be müht waren, ihre Schöpfungen auf eine bemerkenswerte künst lerische Höhe zu heben, darf rückhaltlos anerkannt werden. Selbst da, wo der darzustellende Vorwurf auf den Witz hinausläust und der Künstler leicht geneigt sein könnte, eine oberflächliche Formensprache zu sprechen, macht sich doch ein unverkennbarer Ernst, ja mitunter sogar hohes künstlerisches Streben geltend. Man sehe nur, bis zu welcher strengen Formengebung, schärfster Charakterisierung und zu welchem bedeutsamen persönlichen Stil Olaf Gulbransson in seinen Simplizissimns-Zeichnungen aufsteigt, mit welcher Lebenswahrheit E. Reinecke seine Beiträge für die »Fliegenden Blätter« auszustatten weiß; man wird gern die hohe Künstlerschaft, die sich in diesen, von anderen vielleicht gering schätzig angesehenen Gelegenheitsarbeiten offenbart, bewundern. Da uns unsere Besprechung zunächst auf das Gebiet des Humors geführt hat, so wollen wir vorerst dabei bleiben und weitere Umschau halten. Da zeigt unter anderm Rens Neinicke eine »Frauenversammlung« mit köstlichen Typen von Frauen rechtlerinnen, in denen neben freiwilligem auch der unfreiwillige Humor zu seinem Rechte kommt. Mit ungemein liebens- würdigen Zügen weiß Hans Stubenrauch seine erfrischen den Schilderungen des Kleinstadtlebens auszustatten, während Emil Rosenstand den Charme und Chic der eleganten Welt vortrefflich verkörpert. Will man einen gewissen Wahlspruch variieren, so kann man im Hinblick auf die teils von feinem, teils von drastischem Humor erfüllten lustigen Blätter von W. Caspari, E. Kirchner, Franz Jüttner und Heinrich Zille sagen: »Ernst ist die Kunst — heiter das Leben«. Den gleichen Charakter tragen auch die charakteristischen und urkomischen Tierbilder von Alfred Weserzick zur Schau, sowie das reizende Maulwursspaar von I. Bahr, das über »Miese Zeiten« jammert. Als weitere schätzenswerte Meister des Stifts, der Feder oder des Pinsels — denn ihre Darstellungen sind teils mit dem Bleistift oder der Kreide, als Feder- oder Tuschzeichnungen aus geführt, darunter viele auch farbig behandelt — finden wir vertreten: Franz Staffen mit großzügigen mythischen Darstellungen, Wilhelm Gause mit Bildern aus Tirol und einem figurenreichen Bilde »Kaiser Franz Joseph bei der Fronleichnamsprozession« im Stephansdom in Wien, Franz B. Doubeck mit Szenen »Am Strande« und einer gemütvollen »Neujahrsfeier«, Hermann Schlitt gen mit flotten, sicheren Schilderungen aus der bessern Gesellschaft, Jsmael Gentz neben anderen Darstellungen auch mit einer natur getreuen Wiedergabe einer Episode »Vor Menzels Wohnungstür«, vor der riesige Krongardisten Ehrenwache halten, Hans Martin Lemme mit poesievollen Märchenbildern, Leonhard Sandrock mit malerischen Bildern aus dem Hamburger Hafen und den Hamburger Straßen, Herbert Arnold mit einer großen drei teiligen farbenschönen Komposition »Die erzwungene Hochzeit«, die ebenfalls im Märchenlande spielt, sowie ferner unter anderen Blättern Arbeiten von Alfred Pfitzner, Georg Koch, H. Brockmüller, Hans Hartig, F. Wittig, Carl Fleege, Hans Schmidt, A. Liedtke und Hermann Abeking. Neben dem Figurenbilde kommt auch das Landschaftsbild, das des Gebirges wie auch das des Waldes und der Aue, zu seinem Recht. Wilhelm Bröker bietet eine feinsinnige bildliche Umschreibung zu Lenaus schönem Gedicht »Die Waldkapelle«, Paul W. Harnisch schildert die Reize der Berge in farbenfrischen Bildern, Moritz Pretzsch zeigt die Eigenart und Stille an einem »Märkischen Waldsee«, Carl Oenicke den Charakter der Rhein landschaft in einem stimmungsvollen Bilde von der »Pfalz«, während Wilhelm Fritz die malerischen Züge eines idyllischen Landstädtchens in einem Blick auf »Pappenheim in Bayern« veranschaulicht und Paul Geißler eine gut gelungene Radierung vom Garten und der Villa Franz von Lenbachs zeigt. Auch das Exlibris fehlt in dieser interessanten Zusammen stellung graphischer Blätter nicht, wie u. a. die Arbeiten von Hans Volkert zeigen. Ernst Kiesling. Kleine Mitteilungen. Entwurf eines Gesetzes zur Ausführung der revi dierten Berner Literarkonvention vom 13. November 1SV8. (Vgl. Nr. 37, 85, 90 d. Bl.) — Die Reichstagskommission für den künstlerischen und literarischen Urheberschutz (Ausführungsgesetz zur revidierten Berner Übereinkunft) beschloß nach der Regierungs vorlage die Beibehaltung der dreißigjährigen Schutzfrist. * Vom Züricher Goethefund. — Wie der in Weimar er scheinenden Zeitung »Deutschland« mitgeteilt wird, ist die in Zürich aufgefundene Handschrift von Goethes »Wilhelm Meister« durch Entgegenkommen des bisherigen Besitzers und im Einverständnis mit der Direktion des Goethe-Schiller-Archivs in Weimar den Goetheschen Jntestaterben unter Anerkennung ihrer Urheberrechts-Ansprüche käuflich überlassen worden; sie be findet sich bereits in den Händen des vr. Vulpius in Weimar. Später soll die Handschrift dem G oeth e-Schiller-Archiv ein verleibt werden. Beförderung postseitig abgclehnter Drucksachen durch eine private Berkehrsanstalt. — Den nachfolgenden Bericht entnehmen wir der »Bossischen Zeitung« (Berlin): Eine postalische Prinzipienfrage beschäftigte am 18. d. M. die 1. Strafkammer des Landgerichts I Berlin. Wegen Vergehens gegen § 8 der Postordnung vom 8. März 1879 und des Artikels III des Gesetzes vom 20. Dezember 1899 wurden der Abteilungs vorsteher Baber und die Inhaber der Paketfahrt-Gesellschaft Starke u. Co., Wilhelm Wolffohn und Alfred M. Kappel, sowie wegen Beihilfe der Kaufmann Karl Stiller von der bekannten Schuhwarenfirma Stiller und der Kaufmann Edgar Hosemann von der Druckereifirma Büxenstein zur Verantwortung gezogen. Die Firma Stiller hatte zur Eröffnung ihres neuen Geschäfts hauses Karten in ziemlich großem Format Herstellen lassen, die die Abbildung des neuen Hauses zeigten und auf den Termin der Eröffnung hinwiesen. Diese in einer Auflage von 98 000 Stück hergestellten Karten wurden an ebensoviele Personen adressiert und sollten als Drucksache, mit Dreipfennig marken frankiert, durch die Post befördert werden. Die Post lehnte aber die Beförderung ab, da die Größenverhältnisse der Karte nicht der in der Postordnung vorgeschriebenen Größe für offene Drucksachen entsprachen. Die Firma Karl Stiller ersuchte deshalb, da die Sache Eile hatte und die von der Post eventuell verlangte Einkuvertierung der Karten nicht zweckdienlich erschien und auch zu viel Zeit in Anspruch genommen hätte, Herrn Hvse- mann, nunmehr bei der Paketfahrtsgesellschaft anzufragen, ob sie die Beförderung dieser Drucksachen übernehmen könne und wolle. Die darüber gepflogenen Verhandlungen führten zur Übernahme dieses Auftrages durch die Gesellschaft, nachdem die Herren Wolfsohn und Kappel den Syndikus der Gesellschaft, Rechts anwalt Meyer, befragt und von ihm die Auskunft erhalten hatten, daß einer Beförderung dieser von der Post zurückgewiesenen Reklamekarten kein Hindernis im Wege stehe. So wurden denn