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297, 22. Dezember j! Nedalnoneller Teil. Die Antwort aus London traf bald ein und war zunächst in sehr ent- i gcgenkommender Weise an mich gerichtet. Herr Marston hatte sich offenbar bei den Londoner Botanikern iiber das »Vorleben« des un bekannten Reisenden erkundigt. Es machte auf mich einen drolligen Eindruck, wenn er gar leichten Herzens Zutrauen zu meinen Leistungen zu bekunden schien, indem er sich auf ein aus so fremdem Lager abge gebenes Urteil stützte: — »Wenn Sie bei Schilderungen Ihrer Reisen dieselbe Gewandtheit (»tlw 8aw6 1n6i1itis8«) an den Tag legen, wie in der Botanik, so entsprechen Sie dem, was ich brauche«, hatte er ge schrieben. Von meinen so umfangreichen Reiseberichten (seit 1864) in verschiedenen geographischen und naturhistorischen Zeitschriften — weil für den englischen Leser als nicht vorhanden betrachtet nahm Mr. Marston nicht die geringste Notiz. Unnötigerweise hatte ich mir darüber Sorge gemacht und befürchtet, sie könnten dein Wert der eng lischen Veröffentlichung zum Schaden gereichen, dem Reiz der Neuheit Abbruch tun. Davon war bei den Verhandlungen keine Rede, man hielt sich nicht mit Nebensachen auf und verzichtete auf kleinliche Be- mäkelnng. Was mir zur Empfehlung bei dem englischen Verleger sehr zu statten kam, mar der Umstand, daß vor kurzem mein Name, allerdings bei einer mir eigentlich ganz fremden Angelegenheit, in den eng- i lischen Zeitungen und in Verbindung mit Afrika rühmend erwähnt worden war. Die Times hatte einen langen Artikel von Justus v. Liebig gebracht, in dem ich als Zeuge für den Nährwert des Fleisch extrakts angerufen wurde. Diesem waren bereits damals direkt nährende Eigenschaften in Abrede gestellt und nur anregende oder rei zende znerkannt worden. Jener erste Vortrag, den ich nach meiner Rückkehr in Deutschland über die Reisen 1868 bis 1871 zu halten hatte, fand vor der Geographischen Gesellschaft zu München, und zwar im Hörsaal des chemischen Laboratoriums statt. Unter den Zuhörern be fand sich auch der Freiherr von Liebig. In dem Vortrage war unter anderem erzählt worden, wie ich im Lande der Niamniam aus dem Fleisch zweier am gleichen Tage erlegter Antilopen durch Zerhacken, Kochen, Filtrieren und schließliches Verdicken durch Eindampfen mir einen Vorrat von sehr wohlschmeckendem Fleischextrakt herzustellen gewusst und wie dieser bei bald darauf eintretendem schlimmen Nah rungsmangel zu meiner Ernährung wesentlich beigetragen habe. Am folgenden Morgen, als ich den Botanischen Garten besuchte, wurde mir dort vom Inspektor der große Chemiker selbst vorgestellt. Er hatte mich offenbar erwartet, um mir zu sagen, daß ihn meine Mitteilungen über den selbstbcreitetcn Flcischextrakt und dessen erprobten Nährwert in hohem Grade interessiert hätten, und um nun daran die Frage zu knüpfen, ob ich wohl gestatten würde, daß er darüber in den Blättern berichte. So wäscht bei der Verkettung von Verdienst und Glück oft eine Hand die andere? Es darf nicht wnndernehmen, daß ich in der Folge von Freunden und Bekannten gelegentlich manches Wort des Tadels zn hören bekam, weil ich mich zur Veröffentlichung des Reiseberichts zunächst an das Ausland gewandt hatte. Zu meiner Entschuldigung brauchte ich nur anzuführen, daß daraus weder der Wissenschaft Nachteil erwachsen, noch das Ansehen der deutschen Forschung in der Welt verringert worden ist. Georg Schweinfnrth. Kleine Mitteilungen. Über den Büchermarkt zur Weihnachtszeit schreibt Hugo Heller- Wien -n der Wiener »Zeit« vom 17. Dezember 1916: Noch weniger als im Vorjahre gibt es Heuer ein Buch der Saison. Aber es gibt nicht einmal mehr das, was man ganz im allgemeinen als literarische Mode bezeichnen könnte. Es zeigt sich, daß in der langen Dauer des Krieges wie andere äußere Organisationsformen auch überkommene geistige Organisationsformen und Bindungen gelöst und zerschlagen worden sind, ohne daß an ihre Stelle irgendwelche neue Bindungen getreten wären. Das Publikum kauft ziemlich wahllos, was der Buchhändler ihm vorlegt, oder was ihm gerade in Zeitungsanzeigen empfohlen wird. So kauft derselbe Kunde z. B. Agnes G ü nthers Roman »Tie Heilige und ihr Narr« oder Franz Karl Ginz- keys »Gaukler von Bologna« nnd Gustav Meyrink s turbulentes Buch »Das grüne Gesicht«. Neben den wenigen Neuerscheinungen wie Max Brods historischem Roman »Tycho Brahes Weg zn Gott«, den »Unerfüllten Geschichten« von Rudolf Hans Bartsch, Karl Schönherrs »Frau Snittner«,R udolf Bratt s »Tunnel - Nachahmung »Die Welt ohne Hunger«, werden merkwürdig viel Bücher »w jeder« gelesen. Es müssen offenbar neue K ä n f e r s ch i ch t e u sich gebildet haben: sonst wäre z. B. der Massenabsatz, den die längst- crschienenen nnd viclverbreiteten Romane von Heinrich Mann »Geschichte der großen amerikanischen Vermögen« vielleicht wegen ^ der mannigfachen Parallelen, die sich zn den jetzigen Vermögensbil dungen ergeben. Stark begehrt sind die kürzlich erschienenen »Lebens erinnerungen« von Eduard Sueß und Bülows Deutsche Politik, wie überhaupt nach wie vor das Interesse an politischer nnd g e - schichtlicher Literatur begreiflicherweise lebendig ist. Eine große Nolle spielt jetzt in allen Buchhandlungen die Feld- p o st l i t e r a t u r, von der viele Tausend Bände in die Schützen gräben und Etappen wandern. In solchen billigen Feldpostausgaben erscheinen jetzt ganz vortreffliche Bücher. Es gibt im Hinterlande be reits Sammle r dieser zum Teil recht schmuck ansgestatteten Feld- p o st a u s g a b e n, in denen jetzt auch Jakob Wassermann, »Das Gänsemünnchen«, Novellen von Theodor Storni n. a. er schienen sind. Auffallend ist der starke Absatz, den hochpretsige biblio phile Erscheinungen finden. Hier bleibt das Angebot hinter der Nachfrage stark zurück, da die meisten bibliophilen Verlage, wie z B. der Insel-Verlag, Georg Müller usw., ihre Verlagstätigkeit auf diesem Gebiete eingestellt oder stark eingeschränkt haben. Was aber an solchen hochpreisigen Luxusbüchern in geringer numerierter Auflage erscheint, wie z. B. »Reineke Fuchs« mit den Originalholzschnitten von Walter Klemm, die entzückenden C h o d o w i e c k i-Bücher des Verlages Kiepenheuer, wird trotz dem zum Teil recht hohen, I< 166. nnd L 266.— übersteigenden Preise vom Markte rasch aufgesangt. Auch Jl^ustrationswerke wie das schöne Pcttenkofen-Werk finden trotz des Preises von lv 180.— zahlreiche Käufer, und die von Luigi Kasimir anfangs Dezember zur Subskription ge stellte »D o l o m i t e n - M a p p e« (L 406 —, 10 Blätter) ist n ahez n vergriffen! Stark begehrt ist die eben erschienene Sammlung der Briefe Nietzsches an Overbeck. Eigentliche Kriegsliteratur, wie Schlach- tenschilöernngen n. dgl., finden nach wie vor bei den Intellek tuellen kein Interesse, wohl aber ist eine interessante Kriegslitcratur entstanden, die anch in diesen Kreisen viele Käufer und Leser findet: Schilderungen der Heldentaten unserer Flieger nnd Untersee bootsleute, teils in eigenen Schilderungen, teils in znsam- menfassender Darstellung durch Dritte, offenbar weil hier das Helden tum der Kämpfer in diesem Kriege ohne die Nebenvorstellnng des ent setzlichen Blutvergießens in Erscheinung tritt. Der erste weibliche Arzt. — Im Börsenblatt Nr. 272 vom 23. November 1916 ist unter den Personalnachrichten der Tod der Frau Or. Marie Heim-Vögtlin in Zürich mitgeteilt, mitd e m Z n- satz, sie sei die erste schweizer n d damit anch euro päische approbierte Ärztin gewesen. Das ist ein Irr tum. Bereits im Jahre 1754, also vor 162 Jahren, hat Dorothea Christiane Erxleben in Halle-Saale promoviert und dann jahrelang in ihrer Vaterstadt Quedlinburg praktiziert. Ihre Dissertation, die in der Stadtbibliothek zu Quedlinburg anfbewahrt, aber nicht ver liehen wird, hat den Titel: »vwsertatio inLUAuraliL weckten / sx^onens quock wmt8 eitv / extztdet. Dorothea Ctu-tettana Lrxledtn, natu l^eporina, t)uecklinburß6ll8i8.« Unlne Nn§ck6b. t^pi8 ckoniwi8 Ctirwtiaiwi ÜilliZSri. Die Doctoranöin wurde am 13. November 1715 als Tochter des Arztes Christian Pvlycarp Leporin in Quedlinburg geboren, vom Vater und dem Rektor der Stadtschule Tobias Eckhard zugleich mit einem Bruder, der ebenfalls Mediziner werden sollte, unterrichtet nnd durch königliches Reskript vom 24. April 1741 znm Studium der Medizin in Halle zugelasscn. Die Jungfrau Leporin scheint jedoch zu nächst nicht zur Universität gegangen zu sein, sondern wurde Schrift stellerin und ließ im Jahre 1742 bei I. A. Rüdiger in Berlin ein 330 Seiten starkes Buch erscheinen unter dem Titel: »Gründliche Untersuchung der Ursachen, da das weibliche Ge schlecht vom Studiren abhalten, darin deren Unerheblichkeit gezeiget, und wie möglich, nöthig und nützlich es sey, daß dieses Geschlecht der Gelahrtheit sich befleisse, umständlich öargelegt wird von Doro theen Christianen Leporin. Nebst einer Vorrede ihres Vaters D. Chr. Leporin, Med. Pract. in Quedlinburg.« Auch von diesem Werk befindet sich ein Stück (vielleicht das ein zige?) in der Stadtbibliothek zu Quedlinburg, nnd zwar das ans dem Nachlasse der Familie Erxleben stamyiende. Ter Absatz des Buches scheint trotz guter Besprechungen nicht bedeutend gewesen zn sein, denn auf dem Vorstoßblatt unseres Exemplars befindet sich eine für uns Buchhändler besonders interessante Notiz des Pastors Erxleben. des späteren Gatten der Verfasserin, ans der wir erfahren, wie schon vor 1547