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Redaktioneller Teil. 161, 14. Juli 1S16. Kleine Mineilnvgen. Jubiläum. — Die Firma L. L A. Brecher (vorm. Jg. Brecher) in B r ii n n kann am lsentigeil Tage auf ein 50>ährigcs Bestehen zurtick- blicken. Der Gründer der Firma, IgnazBrecher, war ein vielseitig gebildeter und ungemein tätiger Mann. Auf Anregung seiner klngen und energischen Gattin kam er von Olmütz zur Zeit der großen Brun ner Märkte dorthin und bezog nach Art der Pariser »Bouquinisten« einen Bücherstand in einem Hauseingang der Nathausgassc, der von den Aücherkäusern der Stadt gern ausgesucht wurde. Er hatte stets seltene Ausgaben und jene Auswahl von antiquarischen Werken, die besonders gesucht waren. Dies und seine überaus gründlichen Kennt nisse ans vielen Wissensgebieten zogen viele Bücherliebhabcr an. Im Jahre 1866 machte er ans dieser »fliegenden Buchhandlung- eine seßhafte, die viele Jahre in der Herrengasse bestand und jetzt seit 1907 am Kaiser Franz Josefs-Platz 9 im Hause der Mährischen Escomptebank ihren Sitz hat. Im Jahre 1884 übernahm Alois Brecher das Briinner Geschäft, und seinem großen Fleiß wie seinem angeborenen Sinn für den Berns ist es zu danken, daß aus dem ursprünglichen Antiquariat eine moderne Buchhandlung wurde. Seine Liebe M den Büchern, sein Ver ständnis für jeden Fortschritt machten ihn zu einem erfolgreichen Vertreter unseres Standes. Leider starb er schon im Jahre 1912, und seine Witive Elise Brecher führt seitdem das Geschäft im Sinne des Gatten fort. Ihr gelten daher heute unsere Glückwünsche für ein weiteres glückliches Fortbestehen des Geschäfts in hoffentlich bald eintretenden Friedenszeiten. Die Biicherversorguug der Gefangenenlager in Frankreich. Das Verlangen der deutschen Gefangenen in Frankreich nach geistiger Nahrung ließ sich anfangs leicht befriedigen. Deutsche Bücher durf ten von Deutschland ans direkt an die Gefangenen in Frankreich ge schickt werden. Erst vom Frühjahr 1915 an begannen, wie sie »Leipz. Neuesten Nachrichten« ausführen, die Schmierigkeiten, vermutlich daher, weil die Franzosen ans Mangel an nötigen Leuten die Zensur der Sendungen nicht zu bewältigen vermochten. Die Bücher wurden mit großer Verspätung oder gar nicht mehr ausgeHefert: die Klagen der Unsrigen über geistige Verödung wurden immer dringender. Da griffen die Schweizer mit einer Energie und Selbstlosigkeit ein, für die ihnen herzlicher Dank gebührt. Es bildete sich eine Schweizer Hilfsstelle »I'ro eaptivis« unter Leitung von vr. von Niederhäußern: diese übernahm die Aufgabe, die Bücher zu zensieren und an die Ge fangenenlager zu senden. Unsere deutsche Gesandtschaft stand gleich zeitig anregend und fördernd zur Seite: in dem Leipziger Naturfor scher Professor Woltereck verfügte sie über eine unermüdliche Hilfs kraft. Aus diesen Anfängen ist eine umfassende Organisation er wachsen. Man schritt zur Gründung einer Bücherzentrale in Bern, die als ein Organ der der deutschen Gesandtschaft unterstellten »Deut sche» Kriegsgcsangenenfürsorge« ins Leben trat. Ihr Arbeitsgebiet war zunächst die Sammlung und Ordnung der Büchermassen. Als dann wurde zu einer Gruppierung geschritten. Lagerbibliotheken wur den höchst zweckmäßig zusammengestellt, wobei der bekannte Schrift steller Hermann Hesse die Leitung übernahm. Bis jetzt sind auf diese Weise rund 50 000 Bücher in etwa 1800 Paketen nach Frankreich und Nordafrika expediert worden. Neben der allgemeinen literarischen Abteilung Hermann Hcsses erstand dann bald eine besondere wissen schaftliche unter Leitung von Professor Wvltereck. Die Lagerbiblio theken erhielten einen ansehnlichen Znschnß an belehrender Literatur und »Lernbüchcrn«. Die Versorgung der einzelnen Gefangenen mit Studienbüchern gewann eine stets wachsende Bedeutung: im besonderen meldeten sich hier die Studenten. Zu deren Befriedigung vor allem ist die wissenschaftliche Abteilung gegründet worden. Für die Be schaffung von Büchern trat hier das »Schweizerische Hilfswcrk« unter dem Vorsitz von Professor Maillard in Lausanne ein. Die Inter essen der deutschen Studenten wurden von besonderen Ausschüssen an den Hochschulen in Bern, Basel, Zürich wahrgcnommcn, auch Frcibnrg übernahm zwei Lager von deutschen Gefangenen. Dieses Hochschul- hilfswerk versorgte seine Schützlinge teils aus eigenen Mitteln, teils durch Bücher, die ihnen von Deutschland zugeschickt wurden, wobei die Berner Büchcrzentrale als Vermittlerin tätig war. In den letzten Monaten ist die Einzelversorgnng auch ans nichtakademische Kreise aus gedehnt worden. Endlich erfuhr die segensreiche Tätigkeit noch eine sehr wesentliche Erweiterung durch die Versorgung der in der Schweiz internierten genesenden deutschen Soldaten. Alles das ist in harmo nischem Zusammenwirken von Schweizer Männern mit unseren Lands leuten in der Schweiz zustande gebracht worden. Natürlich wurde gleichzeitig eine Organisation in der Heimat notwendig, damit die Quellen, welche von hier aus die Ströme der Fürsorge speisten, nicht versiegten. Zuerst ist dem in Berlin Rechnung getragen worden. Eine gewaltige Tätigkeit im Rahmen einer allgemeinen Fürsorge, ansge stattet mit reichen Hilfsmitteln, wurde hier unter Leitung von 1)r. Niedermeyer begonnen. Für die in Frankreich kriegsgefangenen Aka demiker hat die Universität Leipzig eine besondere Organisation ge schaffen, die im Einvernehmen mit dem Berliner Unternehmen, aber durchaus selbständig neben ihm tätig ist und neuerdings ihre Arbeit auch auf nichtakademische Kreise auszudehnen beginnt. Im September 1915 übernahm der damalige Rektor Geheimrat vr. Albert Köster das Organisationswerk: es ist heute fertig ausgebant. Eine Kommis sion unter Vorsitz des Rektors — heute Geheimrat von Strümpell leistet die nötige Arbeit. Jedes wichtige Amt in ihr ist durch einen Fach mann vertreten. Dabei werden teils die cingcfordertcn Bücher auf den schnellsten und billigsten Wegen beschafft, teils solche gesandt, die für Exa mens- und Studienzwecke besonders geeignet erscheinen. Seit dem De zember 1915 hat die in Leipzig, Nittcrstraße 8, eingerichtete Sammel stelle, die Bücher- und Geldsendungen entgegennimmt, bereits über 7000 Bücher in etwa 50 Kisten über die Schweiz in die Gefangenenlager gesandt, davon etwa ^ Unterhaltungslektüre, Lehrbücher. Alles dies wäre natürlich nicht möglich gewesen ohne großes Entgegenkommen einer ganzen Reihe von deutschen, besonders Leipziger Verlegern. Von den Universitäten und anderen Hochschulen, von der Hamburger Dichtergedächtnisstistung, dem Deutschen Lchrcrvcrcin, dem Verein Deutscher Ingenieure u. a. sind Büchcrstiftungen erfolgt: Geldmittel sind der Sammlung außer von den Genannten auch in reichem Maße vom Noten Kreuz in Stuttgart, den Preußischen und Sächsischen Kriegsministerien, dem Sächsischen Kultusministerium, dem Baseler Hilfskomitee u. a. zugeflossen. So ist vieles schon getan, aber mehr bleibt bei den ständig wachsenden Anforderungen noch zu tun, die geistige Not unserer gefangenen Landsleute in Frankreich zu lindern. Preise für Calvin-Forschungen. — Der Vorstand des Calvin- Fonds zur Förderung der Calvinstudien in Deutschland hat dem Pro fessor der Theologie v. E. F. Karl Müller in Erlangen einen Preis von 500 Mark verliehen für das von ihm hcransgegcbene Werk »Jo hann Calvins Auslegung der heiligen Schrift in deutscher Über setzung«. Zugleich schreibt der Vorstand, dessen Vorsitzender Professor I)r. Lang in Halle ist, einen neuen Preis von 500 Mark für die beste unter den in den Jahren 1916, 1917 und 1918 erscheinenden Arbeiten aus, die, sei cs in wissenschaftlicher oder populärer Form, der Erforschung und Schilderung der Geschichte, Gedanken und Ziele Calvins oder des Calvinismns oder der Veröffentlichung von Werken Calvins und seiner Geistesgenossen gewidmet sind. Ein ibcro-amcritanischcr Studienpreis. — Vom Hambnrgischen Jberv-amcrikanischen Verein wurde bei der 400. Wiederkehr des To destages von Cervantes ein Studicnpreis für deutsche Doktordisscr- tationen, Habilitationsschriften und wissenschaftliche Erstlingsver- öffentlichungcn begründet. Ter Inhalt der Arbeiten muß ganz oder vorwiegend der Pyrcnäenhalbinsel, dem spanischen Amerika oder Brasilien gewidmet sein und kann ans allen Wissenschaftsgebieten stammen. Arbeiten, die in den Jahren 1914 bis 1915 erschienen, sind bis znm 1. November dieses Jahres an den Hamburger Vorstand cinzurcichen. Das Corpus Xummoruin Italicoi-Iiltt. Der siebente Band des großen numismatischen Werkes, das vom König von Italien herausgegcben wird, ist abgeschlossen. Er umfaßt die »venezianische Münze« von den Anfängen der Republik bis zum Dogen Marino Grimani (1605). Perssnalnachrichten. Gestorben: am 11. Juli nach langem, schwerem Leiden Herr Walter Lam- beck, Inhaber der gleichnamigen Firma in Thorn. Der Verstorbene war ein Sohn des Gründers der seit 1840 be stehenden Firma Ernst Lambcck in Thorn, die Verlag und Sortiment betrieb. Anfang des Jahres 1875 sonderte der Vater das Sortiment ab. und überließ es seinem Sohne Walter, das dieser unter der Firma Walter Lambcck seitdem mit gutem Erfolge geführt hat. Im Jahre 1890 konnte er gleichzeitig mit dem Stammhansc das 50jährige Jubi läum seines Geschäfts begehen. Seit 1. Oktober 1892 ist er auch In haber der Firma Ernst Lambcck Verlag in Thorn gewesen. Gefallen: vor Verdun Herr Rudolf Schulze, ein pflichtgetreuer Mi(- arbeiter der Firma I. F. Lehmann in München, die ihm ein . treues Gedenken bewahren wird. Verantwort!. Ned. t. V.: Richard « l d e r t t. — Verla»: Der Börsen verein der Deutschen Buchhändler zu Leipzig, Deutsches Buchhändlerhaus. Druck: Ramm L Seemann. Sämtlich in Leipzig. — Adresse der Redaktion und Expedition: Leipzig. Gerichtsweg 26 (BuchhändlerhauS).