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^ 161. 14. Juli 1916. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. in Zeltbahnen vorbeigetragen; der Lehm saugt das warme Blut gierig in sich hinein; er ist durstig geworden nach uns Menschen wie eine Bestie. Aus dem Unterstand weht ein Kalenderblättchen in den Graben. Ein kleiner Wind packt es und trägts über die Brust wehr. Darauf steht: 1916 * 1. Juli * Sonnabend » Über allen Gipfeln ist Ruh', In allen Wipfeln spürest du Kaum einen Hauch. Die Vöglein schweigen im Walde. Warte nur balde Ruhest du auch. Dann wird es heute Sonntag sein, denke ich, und überall in mir wiederholt es sich; ... . Sonntag sein. Wie man ein Wort in das Echo ruft. Wir kennen ja nur »gestern«, »heute« und »morgen«, Tag und Nacht, Hitze und Kälte; und damit rechnen und zählen wir. Mancher von uns tut das bloß bis »heute«. Sonntag sein. Ich stütze den Kops auf die Knie und lehne den Rücken an die eine sonnenbeschienene Grabenwand. Von weither, von Hochoben trägt die laue Luft Glocken geläut. Wie aus einer versunkenen Stadt. entschwundenem Glück. Ich dämme die Neugier, weil ich weiß, daß es Flieger sind, die ihre Propeller klingend durch die Luft schlagen; irgendwo schräg über mir. Nicht aufschauen ..... träumen träumen, es seien die Glocken der Heimat, die zum Kirchgang rufen. Von weit, weither aus Per Stille der Mark trägt di« laue Luft Glockengeläute. — wie aus Sagenferne. entschwundenes Glück. Eine heulende Granate führt über den Sonntagshimmel . . . Das „Jahrbuch der Bücherpreise". Das »Jahrbuch der Biicherpreise«*) hat einen ersten größeren Lebensabschnitt erreicht. Mit dem Erscheinen eines Doppelbandes (Jahrgang 9. 10) für 1914 und 1915 hat es sein erstes Jahrzehnt ab geschlossen. Die Kinderkrankheiten und -unarten scheinen nun end gültig hinter ihm zu liegen. Es hat sich in den letzten drei Jahren so erheblich gebessert und gekräftigt, das; man ihm ein weiteres gedeih liches Wachstum unbedingt Voraussagen kann. Was alle Beteiligten, der Verleger, der Herausgeber, der Benutzer daran erstrebt und davon erhofft haben, jetzt ist es zur Wirklichkeit geworden. Ein zu verlässiges, ein unentbehrliches Nachschlagewerk für den Bücherkänfer und auch für den Bücherverkäufer liegt in ihm vor uns. Es versteht sich von selbst, das; in einer Bibliographie Fehler Vor kommen müssen. Die Tücke des Objekts ist allzu groß. Aber was man hier in eifrigem Suchen danach herausfinden könnte, das lohnt wahr lich nicht die Mühe, es aufzuführen. Das verbessert man stillschwei gend, den gespitzten Bleistift in der Hand. Etwas anderes wäre es, wenn man dem nachgehen wollte, wie die oft recht mangelhaft ge arbeiteten Kataloge, die als Quellen dienen müssen, in ihren Titel- aufnahmcn verbessert worden sind, wie der Herausgeber die biblio graphischen Nachweisungcn vervollständigt und ergänzt hat. In diesen unscheinbaren Zufügungen, die man als selbstverständlich hinzunehmen geneigt ist, steckt eine große, ernsthafte, nützliche Arbeit. *) Jahrbuch der Bücherpreise. Alphabetische Zusammenstellung der wichtigsten auf den europäischen Auktionen <mit Ausschluß der englischen) verkauften Bücher mit den erzielten Preisen, bearbeitet von F. N u p p. Jahrg. 9 u. 10: 1914 u. 1915. Leipzig, Otto Harrassowitz 1916. VIII, 434 S. 8°. Preis.//12.—ord. Trotzdem lassen sich noch Wünsche äußern. Es hat von vornherein in dem Plane des Buches gelegen (s. Jahrg. 1, S. IV), »alle Erschei nungen aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts (nach 1850)« wegzulassen. Ich glaube, es war schon im Jahre 1907 eine etwas zu große Zeitspanne in der Geschichte der Literatur, die unberücksichtigt blieb. Man ist — Ausnahmen bestätigen nur die Regel — bei diesem Grundsatz geblieben; jetzt sind es zwei Generationen von Schrift stellern, die in dem Jahrbuche der Biicherpreise keine Stelle finden. Dabei aber hat sich die Bücherliebhaberei gerade des letzten Jahrzehntes den jüngeren Autoren ganz besonders zugewendct; die ersten Drucke und andere hervorragende Ausgaben ihrer einzelnen und gesammelten Werte, von denen viele in unserer Literatur einen durchaus gefestigten Platz einnehmen, von dem sie nicht wieder herabsinken können, werden zu manchmal recht bedeutenden Preisen erstanden. Es ist ein Mangel des Jahrbuches, wenn auch ein grundsätzlicher, daß sie nicht darin zu finden sind. Gerade jetzt aber, wo für das Jahrbuch eine neue Reihe beginnen wird, ist der günstige Augenblick da, den Kreis zu erweitern, vielleicht eine jede zeitliche Beschränkung fallen zu lassen. Es wird eine Sache des Taktes sein, dann die rechte Auswahl zu treffen, die Spreu von dem Weizen zu scheiden. Daß das Jahrbuch in solcher Er weiterung eine ansehnliche Zahl neuer Freunde finden würde, scheint mir nicht zweifelhaft. Der Umfang brauchte dabei kaum zu wachsen. Es ist ausreichend Gelegenheit vorhanden, durch unbedenkliche Opfe rung einer ganzen Anzahl von obskuren Ausländern unseren deutschen Dichtern und Schriftstellern der neueren Zeit den ihnen gebührenden Platz zu schaffen. In dem neuen Bande sind die Ergebnisse von 66 Bücherversteige- rungen vereinigt; rund ein Drittel davon aus der Zeit des großen Krieges. Inkunabeln, die in früheren Bänden manchmal sehr zahl reich waren, sind nur selten anzutreffen; die deutsche Literatur ist im allgemeinen gut vertreten; eine große Reihe der Gothaischen Hofkalen der in deutscher und französischer Sprache fordert zum Vergleich mit dem 8. Jahrgange heraus, der sie in lückenlosen Folgen brachte. Ten größten Reichtum aber weist das Jahrbuch an Holzschnitt- und Kupfer- werken des 16. bis 18. Jahrhunderts auf. Da sind nicht nur die zier lichen und reizenden illustrierten Bücher der Franzosen zu finden, sondern vor allen Dingen aus der Bibliothek E. Foule, die vom 3. bis 6. Juni 1914 bei Albert Besombes in Paris versteigert wurde, eine ungemein reichhaltige Sammlung der seltensten Ornamentstiche. Daß dabei die Erzeugnisse deutscher Künstler eine ganz hervorragende Schätzung erfahren haben, kann uns wohl mit einigem Stolz erfüllen; die Seltenheit der Bücher und die hohen Preise, die dafür erzielt wur den, rechtfertigen die Anführung einer kleinen Auswahl davon: Brosa m e r , Hans: Ein new Kunstbüchlcin, von mancherlei) schönen Trinckgeschiren. O. O. u. I. sum 1540). Frs. 12 000.—. Fl in dt, Paul. — Dieses buch mit 40 stücken eingetheilet Fecit Paulus Flindt Nürmbergensis Ao. 1594. Frs. 5100.—. — 22 Blätter Vasen, Wasscrkaraffen, Trinkgläser nnd -Humpen. Frs. 3600.—. — 30 Blätter Vasen, Becher und Trinkhumpen. Frs. 3000.—. Flötner, Peter: Maureskenbuch. Zürich: Nnd. Wyssenbach 1549. Frs. 5400.-. Holbein d. j., Hans. — 15 Blätter Gefäße, nach Holbeins Zeich nungen in der ehem. Arundcl-Sammlung von Wenzel Holkar radiert in den Jahren 1642—47. Frs. 3100.—. Laechlin, Hans Christoph. Dis Buch mit XXX stuck eingethailt fecit Hanns Christofs Laechlin von Leutkirch. Anno 1595. Baltzar Caimox excudit Norinberg. Frs. 18 000.—. Solis, Virgil: 33 Blätter Schmuckgegenstände, Goldschmiedevor lagen, Friese und dergl. Frs. 3600.—. — 22 Blätter Vasen, Karaffen, Kelche. Frs. 2250.—. — 24 Blätter Vasen, Karaffen, Becher. Frs. 3100.—. Zündt, Matthias: 66 Blätter Goldschmiedevorlagen und dergl. 1553. Frs. 8200.-. — 21 Blätter Goldschmiedevorlage», o. I. Frs. 2300.— . Damit ist aus dem reichen und verschiedenartigen Inhalt des Buches auf einem einzelnen Gebiet eine Kostprobe gegeben, die seinen Wert manchem vielleicht besser vor Augen führt, als eine lange Reihe der schönsten Lobsprüche. Natürlich sind die Titel dort viel ausführ licher und mit Literaturnachweisen versehen. Dankenswerter Weise hat der Verleger für die Käufer des neuen Bandes den Preis der vorhergehenden Jahrgänge von .// 69.— auf ^ 45 — zurzeit ermäßigt. Ed wäre wohl zu wünschen, daß die damit gebotene günstige Gelegenheit auch fleißig benutzt würde. Das Jahrbuch selbst aber möge in den kommenden Jahrzehnten fröhlich weiter wachsen, blühen und gedeihen? Berlin-Wilmersdorf. Philipp Rath. 927