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3, 4. Januar 1918. Redaktioneller Teil. Gelegenheit zu versäumen, indem man diesen paar Sammiun- schädigte! oder künftiger Buchhändlergeschlechter abzugeben, gen . . . eine Alleinherrschaft oder wenigstens beinahe eine Ter Umstand, daß der Vorschlag so glänzend ausgenommen wor- solche einräumt . . . Keinesfalls aber darf der Staat die Schuld den ist, beweist am besten, daß der Zwiebelfisch sich in der Be aus sich laden, in dieser großen Pfingststunde der Herzen Un- urteilung des Stilkeschen Charakters völlig geirrt hat. kraut statt Weizen zu säen zum alleinigen Gewinn von ein paar! Der 8pintus rootvr des Zwiebelfischs schreibt sich das Ver- einflußreichen Millionären.« ^ dienst zu, daß durch seinen Lärm die Beschaffenheit der Auswahl Das sind Übertreibungen. Erst heißt es: Fern liegt mir in den Feldbuchhandlungen günstig beeinflußt worden sei. Er mag die Behauptung, in Ullsteins Romanen fehlten gute Bücher; Wohl etwas dazu beigetragen haben; wir wollen sein Verdienst später wird alles summarisch als Unkraut bezeichnet. Das ist nicht schmälern. Im allgemeinen regelt die Nachfrage das An- Advokatengeschwätz. Daß die Ullsteinbände nicht alle gleichwer. tig sind, weiß man; daß sie nicht alle gleichwertig sein können, liegt auf der Hand. Es sind die gelesenstcn, beliebtesten Autoren dabei. Was will denn der Zwiebelfisch? Eine Hinauflese« bibliohek? Soll sich die Firma Ullstein nicht an die begehrte sten lebenden Autoren wenden? Und werden die Ullsteinbände nicht in allen Buchhandlungen verkauft? Ist das also eine »ver brecherische« Eigentümlichkeit der Feldbuchhandlnngen? Wenn alle »berufenen Vertreter des Bnchverkaufs« Ullslcinbücher ver kaufen, warum soll der Feldbuchhandel cs nicht tun? Ist das nicht fadenscheinige Rhetorik? Warum nun die sonstigen so beliebten Sammlungen in den Feldbuchhandlungen nicht sogleich zu finden waren, das steht auf einem anderen Blatte. In der eingehenden und trefflichen Rede des Reichstags abgeordneten Schulz-Erfurt vom 8. Mai 1917 ist der Finger aus die entscheidende Stelle gelegt. Nicht die Firma ist daran schuld, daß andere Sammlungen, die erwünscht gewesen wären, zunächst keinen Eingang in die Verkaufsstellen fanden, sonder» die Ursache ist ganz anderswo zu suchen. Die Rede legt es deutlich dar: Der entscheidende, wichtigste itbelstand besteht aber darin, dass die verschiedenen Armeeoberkommandos von den zu ihren Bezirken gehörenden Feldbuchhandlnngen Abgaben verlange», die bis 35 Pro zent des Umsatzes betragen. Es Ist mir gesagt worden - und ich nehme dies auch ohne weiteres alZ richtig an —, dag die Überschüsse, die ans diese Weise ans den Feldbuchhandlnngen heransgcwirtschastet werden, wieder im Interesse der Soldaten verwendet werden, daß davon Soldatenheime eingerichtet oder ausgestattet, Bücher angeschafft werden: das will ich gern glauben. Aber cs heißt doch schließlich die Kirche »ms Dorf tragen, wenn man erst durch eine solche Belastung des Feldbuchhandels den Soldaten das Gelb aus der Tasche nimmt, »m Ihnen nachher aus diesem von ihnen selbst beigesteuerten Gelbe etwas zukommcn zn lassen. Noch wichtiger, m. H., ist folgende Erwägung: wenn die Oberkommandos schon allein bis 38 Prozent des Umsatzes an Abgabe verlangen, bann versteht man, daß die Firmen, die den Keldbuchhandcl bisher in der Hand hatten, ihrerseits ölt Prozent von den Verlegern verlangen, von denen sie ihre Bücher beziehen. Wenn das aber der Fall ist, wenn die Verlagsbuchhandlungen den Feldbuch handlungen die Bücher mit 5v Prozent geben sollen, so heißt das, daß zunächst einmal sämtliche billigen guten, volkstümlichen Sammlungen ausgeschlossen sind, weil ihre Verleger kaum 35 Prozent, geschweige denn 5v Prozent gebe» können, und daß dann nur noch solche Verlage und solche Literaturerzeugnisse bevorzugt werden, die unter Erspar nis anderer Ausgaben, vielleicht unter Ersparnis anständiger Schriftstellerhonorare, unter Ersparnis der Ausgaben siir gutes Papier und guten Druck, sich in erster Linie ans die Her stellung von Massenwarc, wenn nicht geradezu von Schundwarc be schränken. Ans diesem Grunde — wegen der hohen Abgabe, die die Armeeoberkommandos verlangen — können die bekannten wertvollen Sammlungen von Ncclam, Meyer, Quelle L Meyer, die Deutsche Dichter-Gedächtnisstiftung, die Echahgräbcrsammlnng, die Wiesbade ner Volksbücher, Teubner, Göschen und andere fast gar nicht ver trieben werden, weil sic nicht über 35 Prozent zn geben vermögen, und bas ist ein schwerer Mißstand. Hieraus erkennt man, wo der Hase im Pfeffer liegt. Zwar stellen die Militärkommandos die Verkaufsgelegenheiten und das Personal, aber die Unkosten und das Risiko des Unterneh mers waren doch so beträchtlich, daß er sich nach den Umständen zu richten hatte. Gerade nun, weil sich herausgestellt hat, daß der Gewinn, den der Gesamtbetrieb der Stilkeschen Feldbuch. Handlungen abgeworfen hat, redlich und rechtmäßig, den schwie rigen Umständen und dem aufcrlegten Vertragszwange ent sprechend erworben worden ist, durfte der Vorschlag einer Ge- schästsbeteiligung gemacht und dem Inhaber angesonncn wer den, einen Teil des Ertrags zugunsten notleidender Kriegsbe- gebot und wird auch hier wirksam gewesen sein. In den Bahn hossbuchhandlungen findet man ja keine oder kaum Klassiker: woher kommt das? Hat schon jemand einmal auf einem Bahn hose den Faust verlangt? Wer den wünscht, hat ihn schon in der Tasche — oder im Kopfe. Es wäre verständlich, wenn anfangs die Stilkeschen Feldbuchhandlnngen den Bahnhofsbuchhandlun- gen geglichen hätten; das wäre ja ein Mangel, aber kein Ver brechen gewesen. Auf die sonstigen Anwürfe des Zwiebelfischs gegen ein zelne Mitglieder des Vorstandes des Börsenvereins gehe ich an dieser Stelle nicht ein. Es lohnt nicht. Zu der Spende sagen wir getrost: non ölet; von den Notizen des Zwiebelfischs kann man das leider nicht sagen. Welche Gesinnung dort gelegentlich zutage tritt, mag eine Probe zeigen, die sich in dem oben gedach- ten »Schönen Buche« der fünf Münchener Verleger vom Jahre 1914 findet. Es heißt da: »Unshmpathische Leute zu ärgern, ist ein exquisiter Genuß. Man fange an, sie zu grüßen, devot und ehrerbietig. Sie wer den sich dem Zauber dieser Ehrung nicht entziehen können und eines Tages zuerst zu grüßen suchen, um die Wonne deiner Unterwürfigkeit vor einem größeren Kreise zu genießen, dem sie auf die Frage, wer du seiest, geringschätzig antworten wer den: ei» Verehrer. Dann aber mußt du sie wie Aufdringliche mit großen runden Augen erstaunt ansehcn, ohne ihren Gruß zu erwidern.« Eine Gesinnung, die sich so abgeschmackt ausspricht, ist min derwertig. Hier kommt die Lust, andere zu verletzen, deutlich zum Ausdruck; und wer sich, um solcher Neigung zu frönen, der Heuchelei bedient, ist ein kläglicher Geselle. Soll man auf Gruß und Handschlag eines Mannes auch nur den geringsten Wert legen, der zu so niedrigen Experimenten rät? Lessing sagt zwar: O, man ist verdammt wenig, wenn man weiter nichts ist als ehrlich. Aber was ist man, wenn man nicht einmal das ist? Da, wer öffentlich Rat erteilt, auch solchen anzunehmen hat, so möchten wir dem Zwiebelsisch »ahelegcn, die unsachlichen Angriffe gegen Ganghofer endlich einzustellen. Wenn Gang hofer weiter nichts geschrieben hätte, als den Herrgottschnitzer von Ammergau, so wäre das allein viel mehr wert, als alle die schmutzigen Possen, die der Zwiebelfisch, hier halb Faun, halb Clown, seinen Lesern auftischt. Zwar kann er sich hinter den Ausspruch blaturalür non sunt turpia verkriechen; wir können ihm aber bestimmt versichern, daß seine Neigung, persönliche Rachsucht öffentlich zu befriedigen, den allerungttnstigstcn Ein druck macht; daß er, wenn er fortfährt, sich den »exquisiten Ge nuß« zu verschaffen, eine ihm unshmpathische Person zn ärgern, Gefahr läuft, für eine literarische Schmeißfliege gehalten zu werden. Der Zwiebelfisch meint schließlich, daß die Annahme der Spende des Herrn Stilkc ein schwerer Mißgriff sei. Ich bin genau der gegenteiligen Ansicht: die Nichtannahme einer im Feldbuchhandcl erworbenen namhaften Summe, die buchhänd- lerischcn Kriegsbeschädigten, Witwen und Waisen zugute kom men könnte, wäre nicht nur ein Mißgriff, sondern geradeher- ausgesagt, eine Dummheit. Denn Herr Stille hat erklärt, daß er seine Stiftung auch dann machen wird, wenn sie die Haupt versammlung ablchnen sollte. Dann würde sie also andern Kreisen zufallen. Es gibt ja auch Leute, die dem Börsenverein und seinen notleidenden Angehörigen diese Zuwendung eines hochherzigen Mannes nicht gönnen, denen jede Stärkung des Ansehens des Börsenvereins zuwider ist, obwohl sie es nicht offen eingestehen dürfen. Diese Leute sind ja aber in sehr starker Minderheit, glücklicherweise. 7