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hätte sie noch weiter abseits treiben müssen —, sondern gemalt und findet ihre nächsten Verwandten in den Initialen spätmittel alterlicher Handschriften. Wie diese hat sie eine Neigung, breit über die Ufer zu laufen, und wie dort ist es nur die starke künst lerische Einsicht ihres Schöpfers gewesen, die sie eindämmte und in die Formen einer eigenen Schönheit Preßte«. (Zur Psychologie der Schrift S. 18.) Es ist einleuchtend, daß die »Eckmann« der anderen, so stark unsrem Zeitgefühl entwachsenen Schrift, der »Behrens« den Boden bereitete. In ihr ist jene rauhere Seite unsrer Kultur komprimiert. Der eisenstarre Geist unserer Ingenieure, die Eisen konstruktionen von Riesendimensionen aufzurichten vermögen, die die Gewalt über blitzschnelle Autos, sausende elektrische Bahnen, prustende Kriegsdampfer und nun auch lenkbare Luftschiffe in unsre Faust gelegt haben, ist in den Lettern dieser Schrift schneiden hart zur Erstarrung gebracht. Trotzdem die »Behrens« (die eben falls von der Rudhardschen Gießerei geschnitten und im Jahre 1901 herausgebracht worden ist) auf der guten Grundlage altbewährter Formen entwickelt wurde, wird man den Charakter ihres Gestalters und unsres Zeitalters immer wieder machtvoll hindurchspüren. Es sind auch hier keine Worte mehr nötig, selbst der einfache Setzer in einer winzigen Quetsche kennt die längst zu Schlagworten gewordenen Namen Eckmann und Behrens und versteht hierunter— etwas h i st o r i s ch Bewährtes. Vor einigen Monaten hat nun die Schriftgießerei von Gebr. Klingspor eine neue »B e h r e n s - Kursi v«- Schrift heraus gegeben. Urteile von berufener Seite über diese Schöpfung liegen noch nicht vor. Und wo einmal der Bann des Schweigens gebrochen worden ist, geschah es mit sichtlicher Zurückhaltung. Zunächst erschien es erstaunlich oder fast beängstigend, wie die schroffe, harte, herbe Natur dieses Künstlers sich in der kurzen Zeit seines Düsseldorfer Aufenthalts Hso gewandelt haben sollte, daß er der geeignete Gestalter einer doch immerhin leicht flüssigeren, graziöseren Kursivschrift geworden wäre. Allein der artige Besorgnisse schienen trotz der vorliegenden Kursivprobe unbegründet zu sein. Es ist selbstverständlich, daß ein Mensch mit dem hohen künstlerischen Verantwortlichkeitsgefühl eines Peter- Behrens nicht imstande ist, eine Arbeit von minderem Wert herauszugeben oder gutzuheißen. Es ist auch selbstverständlich, daß ein Künstler dieses Grades selbst bei einer Aufgabe, die ihm weniger lag, noch so viel Neuartiges und Anregendes zu geben vermag, daß viele in Hellem Entzücken auflodern werden. Allein es wäre ein Verbrechen an dem Gestalter, wenn man an seine Arbeit eben den Maßstab anlegen wollte als an das schnell vergessene Erzeugnis einer Begabung dritten oder gar vierten Ranges. So und nicht höher aber hat ihn z. B. Wilhelm Nie meyer in seinem an krauser Begeisterung reichen Flugblatt ein geschätzt. Es kann nicht geleugnet werden, daß der Ausgangs punkt der Behrens-Kursiv die ursprüngliche Behrens war. Es galt hier eine starre, spröde Type elegant und leicht flüssig zu machen — ein zäher Kampf in sich widerstreitender Kräfte, in dem nur die ungeheure persönliche Wucht eines Peter Behrens obsiegen konnte. Ein anderer wäre zweifellos an dem inneren Gegensatz dieser beiden Prinzipien gescheitert. Man muß einmal vergleichen, wie ein N, ill, IV schief gelegt und durch An hängung eines schnörkelhaften Ansatzes beweglicher gemacht wurde. Oder man sehe, wie er das 8 an den Knickstellen ausgefeilt und so seiner Starrheit entkleidet hat. Auch bei den L, O oder e, n, n wird man ähnliche Beobachtungen machen und es kann einem nicht entgehen, daß bei der Ligatur od das e im Vergleich zum d allzu bauchig geraten ist, daß das ursprünglich so straff geschlossene d in der Wandlung zur Kursiven mit den zwei unglücklich nach links unten heraushängenden Spitzen seinen Wohllaut eingebüßt hat. Wenn hier so mancherlei gequält erscheint, so spürt man in dem Ornamentschmuck wieder die Klaue des Löwen. In diesen Leisten, Wellen, Schleifen, Ringen und Kreisen steckt wirklich eine Delika tesse, die als Bereicherung unsres Akzidenzschmuckes zu begrüßen ist. Das Jahr 1900 brachte in dem amtlichen Hauptkatalog des Deutschen Reiches für die Pariser Weltausstellung noch eine von Georg S ch i l l e r für die Reichsdruckerei geschnittene Type. Schiller ist technischerFachmann; er Hatseine Schrift selbst geschnitten und wir finden, daß er in erster Linie auf Erleichterungen bei der Herstellung bedacht war. Wo sonst dem Federzug entsprechend Rundungen vorhanden waren, wie z. B. beim v, O, L, a, s, s, p sucht er gerade Linien und kantige Ecken zu schneiden. Mitunter wie beim ck, N und mehr noch beim IV wird er etwas absonderlich. Die Verteilung von lichten Räumen zwischen den fetten Vertikallinien geschah weniger im Hinblick auf ein Wortbild als auf das Aussehen des einzelnen Buchstaben. Welch kraftvoller Kern schließlich doch in dieser Typengestaltung steckte, zeigt ihre Benutzung von — anderen Schriftschöpfern. Schiller selbst hat später noch für C. F. Rühl in Leipzig eine Antiqua und eine recht gefällige Kursiv geschaffen. Eine achtbare Leistung liegt weiter in der »Walthari« von Heinz König (Gebr. Klingspor) vor. König hat das Verdienst, einem guten Werksatz nachzustreben, wenn er sich auch besonders in den Versalien bisweilen ohne eigentliche Ursache bizarre Fügungen erlaubt. Man wird ihm vermutlich auf Grund der anderen für Klingspor gezeichneten Schriften am richtigsten als einen der Gießerei attachierten Mitarbeiter einzuschätzen haben und ihm in Hinblick auf die an anderer Stelle in gleicher Weise entstandenen Erzeugnisse nicht die gebührende Anerkennung ver sagen. Eine kleine Anzahl anderer Künstler wie Paul Lang (Schriftgießerei Flinsch), Richard Grimm (Otto Weisert) und Paul Bürck (D. Stempel) haben sich, angelockt von den Erfolgen der Kollegen oder veranlaßt durch das ziemlich ergebnis lose Preisausschreiben einer angesehenen kunstgewerblichen Zeit schrift, zu Schriftschöpfungen verleiten lassen, die mehr das Produkt einer Laune oder eines aufflackernden Enthusiasmus bleiben mußten. Lang, der in seinem Vorwort mit selbstherrlichem Pathos alles Gewordene verwerfen möchte, hat nur Typen ersonnen, die wie stachlige Gräten aus dem Schriftspiegel starren; Grimm wagt ein Spiel mit einem Gewirr von Zacken, Kanten und Floskeln und Bürck, der sonst als ernster Künstler so viel Achtung genießt, wollte wohl auch nur einmal typographisch auffallen. Die Praxis hat dieseSeitensprüngeabgelehntund so tüchtige Künstler vorDanaiden- aufgaben bewahrt, die doch ohne Ergebnis geblieben wären. Von der von Max Fröhlich entworfenen »BaueIn schrift« (A. Numrich L Co.) wäre vielleicht zu sagen, daß sie sich auffallend und originell allerdings auf Kosten der Gefällig keit präsentiert. Es war schon bei derHuppschen »Neudeutsch« von der allgemein fördernden Umsicht der Schriftgießerei von Genzsch L Heyse ge sprochen. Mit der G r a s s e t - A n t i q u a hat sie bei einer sonst so starken Neigung zu englischen oder amerikanischen Schriften dem deutschen Druckgewerbe eine gediegene französische Leistung zugänglich gemacht. Die in ihrem Haus von Friedrich Bau er geschnittene »Nordische Antiqua«, mit der u. a. auch die schöne Chronik zum 75 jährigen Jubiläum des Hauses gedruckt wurde, konnte sich als Werkschrift erfolgreich einführen, weil sie bei aller Sparsamkeit durch die Verteilung der lichten Räume zwischen den schwarzen Linien eine gewisse Wohlräumigkeit be sitzt. Das Auge folgt der Zeile von rechts nach links und sucht in dieser Sehrichtung Wortbilder zu erhaschen. Eine Schrift, die dieser Physischen Veranlagung in ihrem Charakter entgegenkommt, wird wahrscheinlich vom Leser angenehmer empfunden werden, als ein Schriftzug, bei dem die optische Empfänglichkeit mit der Aufnahmefähigkeit zu kämpfen hat. Buchstaben wie a, e, m, n, u, ü entsprechen solchen Anforderungen und die Versalien sind von gleicher Art. VV -k ^ - Zahlreiche, doch meist vollständig verfehlte Ver suche zur Erlangung einer eleganten und harmonischen Schreib schrift fanden ein glückliches Ende in der von HeinrichWieynk