Volltext Seite (XML)
658 Nichtamtlicher Theil. 35, II. Februar. Zur Beschlußfassung ist die Anwesenheit der Hälfte aller Mit glieder erforderlich. Keiner der Anwesenden kann mehr als eine Stimme abgeben. 8. 8. Die Mitgliedschaft geht verloren: durch freiwilligen Austritt; durch Ausschluß auf Antrag des Vorstandes, sofern minde stens zwei Drittel sämmtlicher Mitglieder sich in schrift licher Abstimmung für denselben erklären. 8. S. Erwachsende Kosten werden am Schlüsse des Kalenderjahres zu gleichen Thcilen von den Mitgliedern erhoben. 8 10. Statutenveränderungen können nur aus Beschluß von zwei Dritteln sämmtlicher Mitglieder vorgenommen werden. Earl Christian Horvath, der Begründer der Buchhändlerbörse. Unter den deutschen Buchhändlern, einige ältere vielleicht ausgenommen, wird es wenige geben, die von Carl Christian Horvath etwas wissen, und namentlich unter der jungen Gene ration wird kaum Einer sein, welcher bei etwaiger Nennung der seit nunmehr 106 Jahre bestehenden Horvath'schen Buch handlung in Potsdam an deren Gründer denkt, welcher zugleich der Begründer einer der wichtigsten Institutionen unseres Berufes, der Buchhändlerbörse ist. Es existirt über Horvath bisher für den Buchhandel nichts Biographisches; weder im Archiv des Börsenvereins, noch in der Bibliothek desselben ist etwas über sein Leben zu finden; nur in der Frommann'schcn Geschichte des Börscnvereins finden sich einige kurze Notizen, aus die wir an geeigneter Stelle zurück- kommcn werden. Ueberhaupt würde Niemand im Stande sein, über Horvath Ausführlicheres zu schreiben, wenn nicht ein von ihm selbst ver faßtes onrrieulnm vitao noch vorhanden wäre, welches sich zur Zeit im Besitze des jetzigen Inhabers der Horvath'schen Buch handlung in Potsdam, des Herrn Hosbuchhändlers Ed. Döring, befindet; denn Nachkommen sind nicht mehr am Leben. Die Wiederkehr des Februar gibt uns denn einen will kommenen Anlaß, kurz den Lcbensgang dieses nicht unbe deutenden Mannes „eigener Kraft" vorzusühren, wie er in der Selbstbiographie dargelegt ist, die der derzeitige Besitzer die Güte hatte dem Verfasser zur Verfügung zu stellen. Carl Christian Horvath wurde am K. Februar 1752 zu Wittenberg als der Sohn eines ehemals katholischen Geist lichen geboren. Sein Vater, der als Gelehrter die Lehren der katholischen Religion nicht mit seiner Denkungsart vereinbaren konnte, hatte sich aus Ungarn (er war aus dem Zomborer Comitat gebürtig) entfernt und war nach Breslau gegangen, woselbst er sich zur lutherischen Confessio» „präpariren" und einsegnen ließ. Durch diesen Schritt verlor er freilich sein gegen 20,000 Gul den betragendes Vermögen, welches confiscirt wurde. Bon Breslau ging er über Dresden nach Wittenberg, woselbst er mit sehr kärglicher Besoldung als älazistor lezons angestellt wurde. Hier trat Carl Christian im Jahre 1757 in die Stadtschule ein und durchlief, mit einem großen Trieb zum Lernen ausgcstattct, in 6 Jahren alle Klassen der Schule. Seine Begabung und sein Fleiß trugen ihm bei dem großen jährlichen Examen stets den ersten Preis ein, welcher in einer vollständigen Bekleidung und einigen nützlichen Büchern bestand. Da sein Vater als Ungar der lateinischen Sprache besonders mächtig war und mit ihm zu Hause gewöhnlich lateinisch redete, so bekam Carl Christian darin bald eine solche Fertigkeit, daß die Professoren aus ihn aufmerksam wurden, namentlich, da er als 12jährigcr Knabe schon die Disputationen der Studenten besuchte, welche sich „jederzeit darüber freuten, daß ein so kleiner Junge ihr Zuhörer war". Während des siebenjährigen Krieges lebte die Familie in sehr dürftigen Verhältnissen; doch erfreute sie sich der großmüthigen Unterstützung mehrerer Professoren, wie Hillcr, Reinhard, Hoffman», Chladni, Langguth und anderer edler Männer. Durch diese auch wurde Carl Christian in seinem dreizehnten Jahre zum Fürstcnschüler auf der hohen Schule zu Meißen vorgeschlagen und ihn, eine Freistelle zugcsichcrt. Bereits hatte er vor dem Baron v. Hohenthal seine Ausnahmeprüfung bestanden, als sich sein Vorhaben, zu studiren, plötzlich änderte. Der Buchhändler und Rathsherr Ahlfcldt in Wittenberg hatte nämlich den Rector Messerschmidt gebeten, ihm für seine Handlung „einen Burschen z» verschaffen", und dieser empfahl ihm den jungen Horvath als großen Bücherfreund und tüchtig vor gebildeten Menschen. Carl Christian nahm eine bezügliche Anfrage des Rectors sehr lebhaft ans und entschloß sich kurzer Hand, Buchhändler zu werden. Er stellte sich auch alsbald Ahlseldt vor und wurde, nach seinen eigenen Aufzeichnungen, von diesem alten ehrwürdigen Manne gefragt: Erstens, Ob er Lust zum Buchhandel habe? Zweitens, Ob er Lateinisch verstände? Drittens, Ob er Griechisch lesen und Viertens, Ob er orthographisch schreiben könne? Horvath erbot sich sogleich, eine Probe abzulegen, und diese fiel zur Zufriedenheit aus. Es wurde nun bestimmt, daß Carl Christian vier Wochen lang täglich ein paar Stunden sich in Ahlseldt's Handlung „Umsehen" und „sich mit den Palleten, woran die Verfasser geschrieben wären, sowohl im großen als kleinen Format be kannt machen solle." Nach zwei Tagen fragte Ahlseldt unseren Horvath, ob er sich schon im Lager zurecht finden könne; dieser bejahte es und holte aus Geheiß zur Probe mit größter Schnellig keit einige bestimmte Pallete herbei. Das befriedigte seinen Prinzipal derart, daß er ihm eine weitere Probezeit erließ und ihn sogleich als Lehrling in sein Haus ausnahm. Wenige Monate daraus, im October 1776, starb Horvath's Vater, und, da er seine Mutter schon sehr frühe verloren, stand er nun ganz allein in der Welt und hatte nichts, als was ihm sein Lehrherr gewährte; und dafür mußte er sechs Jahre bei demselben bleiben. Während dieser Zeit erwarb er sich immer mehr und mehr die Liebe und Zufriedenheit des Prinzipals, sodaß er schon 1768 und von da an jedes Jahr bis 1772 zur Besorgung der Meß- geschäfte nach Leipzig geschickt wurde. Hierdurch wurde der junge Horvath mit vielen Buchhändlern persönlich bekannt, und mehrere boten ihm Stellung in ihren Häusern an. So auch der Buchhändler Pauli aus Berlin, mit welchem ein Abschluß zu Stande kam. Zu Michaeli 1772 siedelte Horvath nach Berlin über und arbeitete sich im Pauli'schen Geschäfte bald so ein, daß er fast unentbehrlich wurde. Sein Salär, welches anfänglich nur 40 Thaler ohne Meßgeschenk und Weihnachten betrug, stieg im Laufe der Jahre aus 100 Thaler. Nachdem Carl Christian bereits fünf Jahre im Pauli'schen Geschäfte verlebt hatte, wurde in ihm lebhaft der Wunsch rege, fremde Länder zu sehe», namentlich Holland, England und Frank reich. Er hatte auch dort recht vortheilhafte Stellungen in Aussicht, als er jedoch seinem Prinzipal Pauli seine Pläne eröffnete,