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11038 Börsenblatt s. d. Ltschn. Buchhandel Nichtamtlicher Teil. 223, 26. September 1910. Nichtamtlicher Teil Der Notationstiefdruck von vr. Eduard Mertens. Die Nummern 85, 87 und 194 des Börsenblattes vom 15. und 18. April und 23. August d. I. haben einige vor läufige Mitteilungen über das bei allen Fachleuten aufsehen erregende Mertenssche Rotationstiefdruckoerfahren gebracht. Inzwischen ist bekannt geworden, daß für die Firma Vobach L Co., Leipzig, für die Frankfurter Zeitung, für das Hamburger Fremdeublatt, für die Freiburger Zeitung und für eine Anzahl weiterer Verlagsfirmen Maschinen zur Anwendung des Mertensschen Druckverfahrens im Bau begriffen sind. Damit ist für diese erstaunliche wertvolle Erfindung der Eroberungszug eingeleitet, dem ein Sieg auf der ganzen Linie sicher sein dürfte. Bei der Wichtigkeit des Mertensschen Jllustrationsdruckes für Zeitungen, Zeitschriften und Bücher wird es nicht unerwünscht sein, nähere Einzelheiten über das Wesen dieses Druckes zu erfahren. Das dankenswerte Entgegenkommen der Deutschen Mertens gesellschaft in Freiburg i. B- ermöglicht uns, unseren Lesern folgende Ausführungen unterbreiten zu können, die sich hauptsächlich an den Vortrag anlehnen, den Herr Max Ortmann in Freiburg i. B- vor kurzem auf der Haupt versammlung des Deutschen Buchdruckervereins in Stuttgart gehalten hat. Herr Ortmann ist Freund, buchdruck- und zeitungstechnischer Berater von vr. Mertens und Mitbesitzer der Freiburger Zeitung, die bisher als erste Zeitung mehrere Nummern mit Illustrationen nach dem Mertensschen Ver fahren gebracht hat. Diese Nummern der Freiburger Zeitung (März, Mai, August d. I.) bringen die verschiedenartigsten Gegenstände, wie Architekturen, Annoncenbilder, Stilleben, Porträts, Marinen, Röntgenbilder, Städtebilder mit Fluß läufen, Modebilder, Abbildungen von Maschinen usw. Während man zum Bilderdruck bisher Holzschnitte, Metallhochätzungen, lithographische Steine, Zink- oder Aluminiumplatten, gravierte oder tiefgeätzte Kupferplatten gebrauchte, kommen für das neue Mertenssche Bilderdruck verfahren hohle Eisenzylinder in Anwendung, die mit einem dünnen, nur einen Bruchteil eines Millimeters starken galvanischen Kupferniederschlag versehen sind. Die Eisen zylinder selbst bleiben wie die Druck- und Plattenzylinder einer Rotationsmaschine ständig in Verwendung und erleiden keine Abnutzung. Sie sind durch geeignete Vorrichtungen leicht beweglich. Der dünne galvanische Kupferniederschlag muß erneuert werden, wenn auf dem Eisenzylinder neue Bildergravüren hergestellt werden sollen. Der Kupfer niederschlag ist sehr dünn, die Bildergravüren sind also ebenso billig herzustellen wie die jetzigen Kupferautotypien; selbst wenn zuweilen nur ein Bild auf einen Druckzylinder käme, würde der dadurch entstehende Unterschied reichlich in anderen Fällen ausgeglichen durch die vorteilhaftere Herstellung mehrerer oder vieler Bilder auf einem Zylinder. Das Galvanisieren der Eisenzylinder für den Mertensschen Rotationstiefdruck wird übrigens durch eine neue Erfindung erspart und durch ein einfacheres und sicheres Verfahren er setzt. Die mit der Deutschen Mertensgesellschaft durch Lieferungsverträge verbundenen Elmores-Metall-Aktiengesell- schaft liefert nämlich jetzt Kupfermäntel von einigen Milli metern Wandstärke, die sich durch eine sinnreiche und äußerst einfache Maschine vollkommen gleichmäßig auf die als Druck zylinder dienenden Eisenkerne aufziehen lassen. Durch eine weitere und einfache Einrichtung wird erreicht, daß der Um fang des Kupferzylinders stets mit dem Umfang des ent sprechenden Plattenzylinders der Zeitungsrotationsmaschine übereinstimmend bleibt. Das Abheben der Kupfermäntel und Neuaufziehen ist jedoch nicht für jede Atzung erforderlich. Die Tiefe der Bild ätzung für Tiefdruck ist so gering, daß ein Zudrücken der Bilder auf dem Tiefdruckzylinder und nachfolgendes Schleifen genügen, um die Zylinder von neuem für den Druck brauchbar zu machen. Der Kupferverbrauch ist durch diese Möglichkeit und durch die Elmoresche Erfindung so gering, daß er bei der Kalkulation kaum in Betracht gezogen zu werden braucht; auch dann nicht, wenn nur ein kleines Bild von einer breiten Walze drucken soll. Es ist Übrigens zulässig, statt der Zylinder in ganzer Papierbreite auch schmälere Zylinder auf die Eisenkerne auf zuziehen und mit Vorteil in den Tiefdruckmaschinen zu benutzen. Die verkupferten Eisenzylinder sind die Träger der für den Photogravürdruck nötigen Bildergravüren. Die erste Verrichtung zur Herstellung von Photogravüren auf einem solchen Zylinder besteht in dem Lichtempfindlichmachen seiner Oberfläche. Dieses Lichtempfindlichmachen oder Emulsionieren der Zylinder hat lange Zeit große Schwierigkeiten und jahre lange Versuche nötig gemacht, da die gebogene Walzenober fläche ein gleichmäßiges Aufträgen der dünnflüssigen Emulsion verhinderte, vr. Mertens benutzt jetzt dazu ein von ihm vervollkommnetes Verfahren von Rolffs. Dieses äußerst sinnreiche Verfahren ist folgendes: Auf den Support einer Drehbank, auf der sich der lichtempfindlich zu machende Zylinder befindet, steht ein Flüssigkeitsbehälter, aus dem durch einen Schlauch oder durch eine Glasspitze ein feiner Strahl einer lichtempfindlichen Flüssigkeit, z. B. Chromleim, aus fließt. Die Ausflußöffnung ruht zwangsläufig auf der Zylinderoberfläche und macht deren eventuelle exzentrische Bewegungen mit, während die Walze sich dreht und der Support fortschreitet. Durch die schnelle Umdrehung der Walze wird ein spiralförmiges Überziehen der Walzenober fläche bewirkt, wobei die Spiralen so nahe beieinander liegen, daß die Flüssigkeit der einzelnen Spiralen zusammen fließt. Dadurch wird ein vollkommen gleichmäßiger Überzug selbst einer großen Walze in kaum einer halben Stunde er zielt. Die Druckzylinder können, mit der lichtempfindlichen Schicht präpariert, in den Druckereien vorrätig gehalten werden, was namentlich von Zeitungen geschehen wird, die auf schnelle Veröffentlichung aktueller Bilder Wert legen. Die zweite Verrichtung, die mit einem Mertensschen Bilderdruckzylinder vorzunehmen ist, ist das Kopieren und Entwickeln der Bilder. Zur Herstellung der Bilder werden photographische Rasterfilms gebraucht, für die Tiefdruck gravüren jedoch keine Negative, sondern Diapositive. Während größere Druckereien diese Diapositive in ihrer eigenen photographischen Abteilung Herstellen lassen können, werden sich für andere die heutigen Klischeeanstalten vorteil haft damit befassen. Sicher wird sich wohl auch bald eine Industrie herausbilden, die den Druckern und Verlegern solche Films, besonders von aktuellen Bildern, herstellt und anbietet, ähnlich wie es heute die Jllustrationsgesellschaften mit den Klischees tun. Die photographischen Films werden auf den lichtempfindlich gemachten und durch eine Schablone mit typographischer Maßeinteilung versehenen Zylinder gelegt; dieser wird, während er sich dreht, einige Minuten an der Sonne oder durch elektrisches Licht belichtet. Die Films haften ohne jedes Bindemittel auf dem licht empfindlicher! Zylinder. An denjenigen Stellen der photo graphischen Films, die Licht durchlassen, wird die Emulsion des Bilderdruckzylinders in Wasser unlöslich, während die gedeckten Stellen löslich bleiben. Bei dem darauffolgenden Abwaschen mit Wasser entsteht somit eine getreue Kopie der