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248, 23. Oktober 1928. Redaktioneller Teil. Börsenblatt f. d Dtschn. Buchhandel. hohe Summe, die ihm Gutenberg gezahlt hatte und ihre langjährige Verbindung: es muß wohl etwas Besonderes gewesen sein, das Dünne Gntcnberg leistete, Buchstabcn- stempelmodelle. Doch hier beginnen schon die nicht beweisbaren Vermutungen. Auf eine besondere »Ahentur« läßt auch die Art der Geschäftsverbindung Gutenbcrgs mit Andreas Dritzehn, Andreas Heilmann, Hans Nisse schließen. Sie standen bereits mit ihm in einer Handelsgesellschaft für die Spicgelfabrikation zusammen, als sie 1438 ihren Vertrag erweiterten, um gemeinsam alle Geheimnisse Gntenbergs auszunutzen. Sie wollten sich gegenseitig mit ihren Kenntnissen unterstützen, die von ihnen verabredete Gewinnvertei lung — Gutenberg sollte die Hälfte, Nisse ein Viertel, den anderen beiden gleichmäßig das letzte Viertel znkommen — zeigt, daß Guten berg an Erfahrungen und Geschicklichkeiten den Hauptanteil ein brachte. Die Geldbeiträge sollten wohl nach dem Fortgange der Arbeiten gezahlt werden. Der Gesellschaftsvertrag sollte fünf Jahre währen. Starb einer der vier vorher, so sollte alle »Kunst, geschirre und geinacht Werk« der Gesellschaft verbleiben, des Verstorbenen Erben sollten nach Ablauf des Gesellschaftsvertrages mit 100 Gulden abgefunden werden. Außerdem sollten Heilmann und Dritzehn Gutenberg je 125 Gulden Honorar in drei Terminen zahlen. Andreas Dritzehn hatte am ersten Verfallstage nur 40 Gulden ge zahlt; er war erkrankt und starb um Weihnachten 1438, seine Erben, die Brüder Georg und Klaus Dritzehn, verklagten die Gesellschaft, in die sie ausgenommen werden wollten, wofern ihnen nicht die von ihrem Bruder eingeschossenen Summen, nach ihrer Behauptung meh rere hundert Gulden, zurückerstattet würden. Diese Behauptung be stritt Gntcnberg, er machte geltend, daß er selbst von Andreas Dritzehn noch 85 Gulden zu fordern hätte. Dazu verwies er auf noch nicht fällige 100 Gulden Abfindung und erklärte sich be reit, den Nest von 15 Gulden hcrauszuzahlen. Das Gericht, der Große Rat der Stadt Straßburg, gab der Gesellschaft und ihrem Geschäftsführer Gutenberg Recht. Er schob den Gesellschaftern den Eid darüber zu, daß die amtliche Beurkundung ihres Gesellschafts vertrags nur wegen der Krankheit und des Todes des Andreas Dritzehn unterblieben sei. Gntcnberg sollte auch noch beschwören, daß die 85 Gulden ausständen. Das geschah, die Brüder Dritzehn ver loren die Sache. Wenn Gntcnberg die 15 Gulden, ohne sich auf den Gesellschaftsvertrag zu berufen, sogleich herauszahlte, so beseitigte er hiermit nicht nur vielleicht bestehende Zweifel über seine eigene Haftung durch eine Aufrechnung sich ausgleichender Forderungen, er wehrt auch den Brüdern Dritzehn den' Eintritt in die Gesell schaft, ans den diese mit dann doch erforderlichen erheblichen Kapital investierungen nicht solchen Wert gelegt haben würden, wenn das Geschäft ihnen nicht aussichtsreich erschienen wäre. Ob die Buchdruck- erfindnng das eigentliche Unternehmen der Straßburger Gesell schaft war, weiß man nicht. Die ältesten bekannten, sicher bestimm baren Buchdruckwerke sind seit etwa 1445 in Mainz entstanden, seit dem Gntcnberg in seine Vaterstadt zurückgekehrt war. sOb in Avignon gemachte Buchdruckversuche irgendwie mit Gntenbergs Straßburger Tätigkeit Zusammenhängen, ob deren Ergebnisse nicht völlig geheimgeblieben waren, bleibe dahingestellt. Uber die Umrisse der werdenden neuen Technik können manche Straßburger unter richtet gewesen sein, auch wenn sie von dem Gießinstrument, dem Schlüssel der Typographie, nichts wußten.) — Der Fnst-Gntenberg-Streit, der 1455 in Mainz verhandelt wor den ist, ging mittelbar um das erste Großbnchdrnckwerk, den 42zeiligen Bibeldruck, dessen Meister sich damals smindesteus) in zwei gegen ihn geführten Prozessen zu verteidigen hatte, wie die Angaben des sog. Helmaspergerschen Notariatsinstrumentcs zeigen. Es ist ein Protokoll, das ein hierfür bestimmter Beamter, Ullrich Helmasperger, am 6. November 1455 aufnahm, um zu beurkunden, daß der Kaufmann Fust den ihm durch ein vorangegangenes Urteil zugefchobenen Eid geschworen habe. Ans den Parteibehauptungen und Urtcilsgründen, die in dem Protokoll teilweise wiederholt sind, ergibt sich, daß dem Mainzer Buchdrnckereibesitzer Gutenberg von seinem Geschäftsfreunde Fust der Kredit gekündigt worden war. Fust hatte Gutenberg, zur Einrichtung oder Erweiterung der diesem gehörenden Werkstätten, 1450 ein Darlehen von 800 Gulden gewährt, das er mit 6°/, Zinsen s250 Gulden) zurückforderte. In dem schriftlichen Vertrage war Fust als Sicherheit die Gutenberg-Werk- stätte verpfändet worden. Das Darlehen war zurückznzahlen, wenn Fust und Gntcnberg uneinig werden sollten. Eine sehr dehnbare Bestimmung, die wohl nur aus einer sonstigen engen Interessen gemeinschaft zwischen den beiden zu erklären ist. Eine solche bestand. Fust und Gutenberg hatten sich in einer Vcrlagsgesellschaft zu einem gemeinsamen Werk der Bücher zusammengefnnden, zu dem Bibel druck und vielleicht noch weiteren Druckwerken, die für Rechnung der Gesellschaft in der Gutenbergoffizin hergestellt wurden. Guten- 1174 bcrg vereinigte in seiner Person die Leitung des Gutenberg-Fust Verlages und der Gntenberg-Werkstätte, diese mag, modern aus gedrückt, für jenen die Lieferfristen nicht eingehalten haben. Fust verlangte von dem Geschäftsführer Gutenberg Rechnungslegung über die Erzeugnisse ihrer Vcrlagsgesellschaft, an deren Gewinn und Ver lust sie beide ihren Einlagen entsprechend beteiligt waren. Diese Forderung war ihrer Entstehung nach unabhängig von dem Dar lehen aus dem Gesellschaftsvcrtrage geltend zu machen. Anscheinend waren Fust und Gntcnberg über ihrem Auseinanderrechnen in Miß helligkeiten geraten. Die Darlehnsforderung wurde von Gutenberg anerkannt, die Einwendungen, die er wegen der Zinsen machte, blieben unerheblich. Nur wollte Gntcnberg festgestellt sehen, daß bas Darlehen mit dem Gcsellschastsvertrage nichts zu tun habe, während Fust anscheinend anderer Meinung war. Als sie ihren Verlag gründeten, für den 1455 eben der Bibeldruck fertig wurde, hatten sie, nach der Behauptung Gntenbergs, ausgemacht, daß Fust als Gesellschafter jährlich 300 Gulden für Lohnzahlungen, Mietzins, Papier und Pergament, Tinte jDruckfarbe) usw. einzuzahlen habe. Vielleicht war aber auch nur bestimmt worden, daß Fust, entsprechend den tatsächlichen Aufwendungen, jährlich bis zu dieser Höhe für die Zahlungen einzustehen habe, mit denen er, nach der Angabe Gntenbergs, im Rückstände war. Dagegen hatte Fust 1452 noch einmal 800 Gulden, als Einlage in die Gesellschaft, gezahlt. Fust rechnete nun wohl 1455 die beiden Zahlungen von 800 Gulden als seine Einlagen in die Gesellschaft und auch auf seine jährlichen Zuschüsse — das wären für fünf Jahre 1500 Gulden gewesen — auf. Zur Rechnungslegung erklärte sich Gutenberg bereit, als Fust die von ihm vorgeschobenen runden Summen, zusammen 2026 Gulden s- Darlehen 800 Gulden > 250 Gulden 6A Zinsen, und Einlagen in die Vcrlagsgesellschaft 800 Gulden -j- 140 Gulden 6?L Zinsen, und außerdem noch 36 Gul den Zinseszins, die er, Fust, bei seinen Gläubigern habe auslcgen müssen) 1455 zurttckverlangte. Unersichtlich ist hier wiederum, wes halb Fust den Gesellschaftsvcrtrag kündigen konnte. Er wird viel leicht nur für eine Reihe von Jahren geschlossen worden sein. Die Zinsen- und Zinseszinszahlungen für die Einschüsse Fusts in die Ge sellschaft lehnte Gutcnberg ab. Das Gericht hatte jedoch entschieden, Gutenberg habe als Geschäftsführer der Gesellschaft Rechnung abzu- legcn, ergäbe sich hierbei ein Gewinn, so käme daran Fust sein ver hältnismäßiger Anteil zu, ergäbe sich weiterhin, daß Fust mehr als 800 Gulden in die Gesellschaft cingebracht habe, so sei der nicht im Interesse der Gesellschaft verbrauchte Uberschuß zurückzuzahleu. Auch die Fustschen Zinsforderungen wurden anerkannt, wenn sie Fust durch Eid oder sonst ausreichende rechtliche Kundschaft beweise. Da die Akten nicht weiter reichen, bleibt der Ausgang des Fust-Guten- berg-Streitcs unbekannt. Fust hatte geschworen und gewonnen. Die Summen, von denep Zinsen zu berechnen waren, hatte er auf 1550 Guldeu ermäßigt, vermutlich, weil inzwischen die Rechnungslegung erfolgt war. Fust konnte also nun die Forderungen aus der Dar lehnshingabe und der Gesellschaftsbeteiligung, die getrennt geblieben zn sein scheinen, vollstrecken lassen, wenn Gutenberg nicht zahlte, aus jener die verpfändete Wcrkstätte zur Zwangsversteigerung brin gen und in ihr erwerben, wenn er nicht überboten wurde. Auch seine zweite Forderung konnte er in das Vermögen Gutenbergs voll strecken lassen. Und dabei versuchen, neben dem eigenen Anteil an der Auflage des Bibeldruckes auch noch den Gntenbergs an sich zu bringen. Mau weiß indessen nicht, wie hoch der Fustsche Gesamt anteil an der Vcrlagsgesellschaft war, ob er ihn in voller Höhe ein geklagt hatte. Und man kennt auch nicht die Höhe des Anteils, der Gutenberg, welcher möglicherweise noch anderen verschuldet war, zu kam. Der Abt Tritheim hat nach Angaben Peter Schössers ver merkt, daß schon beim Beginne des Bibeldruckes über 4000 Gulden verbraucht waren. Das deutet auf sehr erhebliche Kapitalinvestie- rungen in die Gutcnberg-Unternehmungen — sei es Verlag, sei es Werkstätte — hin. Fust hatte nicht mehr gefordert, als ihm zukckm, er hatte auch keine Wucherzinsen berechnet. Ob er die von ihm Gntcnberg gezahlten Gelder entliehen hatte, ist unerheblich. Es ist anzunchmen, daß die seinen Kapitalsorderungen anhängenden Zins forderungen teilweise bereits mit einem Vollstreckungsvcrfahren, dem sog. Schadennehmen gegen den säumigen Schuldner, zusammen hingen, bei dem der Gläubiger audcrswo, so von gewerbsmäßigen Geldverleihern, die ihm selbst geschuldeten Summen auf Kosten seines Schuldners aufnahm, der ihm hiermit für den Verzugsschaden haftbar wurde. Fust versuchte vielleicht, deu Zugriffen anderer Gläubiger Gntenbergs zuvorzukommcn. Daß er Gntcnberg um Arbeitsgewiun und Werkstätte betrügen wollte, ist eine retrospektive Betrachtung des Jahres 1450 aus dem Jahre 1455 in der Perspek tive des Fust-Gutenberg-Prozesscs. Dazu hätte sich Fust mit geschäft licher Kühnheit und großem Vertrauen sicherlich nicht 1450/52 Guten-