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5050 Nichtamtlicher Teil. 152, 4. Juli 1900. ox logo Heinze hätte eintreten können, wenn ein erwachsener Norinalincnsch sich in seinem Sittlichkeitsgefühl verletzt gefühlt hätte, sondern schon dann, wenn jugendliche oder zimperliche Personen sich verletzt gefühlt hätten. Staub. Nachträgliches zur -Isx Heinze». — In der -Deutschen Juristenzcitung- (Berlin, Otto Liebmann) Nr. 12 vom 15. Juni 1000 kommt der Neichstagsabgcordncte Amtsrichter I)r. Müller (Fürth-Nürnberg) auf die vom Reichstage in sehr eingeschränkter Fassung angenommene -lax Heinze. zurück, die bei Erscheinen des Artikels noch nicht, wie inzwischen geschehen, zum Gesetz erhoben mar. Er schreibt: Nach heißen Kämpfen wurde die sogenannte -Isx Heinze» in Form eines auf einem Kompromisse beruhenden Initiativantrages nngenommcn. Aus dem viel bekämpften 8 184a, dem sogenannten -Schaufenster-» oder besser -Ausstellungsparagraphcn», wie er in dritter Lesung von der Mehrheit des Reichstages angenommen war, wurde die Bestimmung, die für Kunst und Kunsthandel höchst gefährlich erschien, gestrichen, daß, -wer Schriften, Abbildungen oder Darstellungen, welche, ohne unzüchtig zu sein, das Scham gefühl gröblich verletzen, zu geschäftlichen Zwecken an öffentlichen Straßen, Plätzen oder an anderen Orten, die dem öffentlichen Verkehre dienen, in Aergernis erregender Weise ausstclle oder an schlage, mit Gefängnis bis zu 6 Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 600 bestraft werden solle.« (Ziffer 1.) Der minimale Nest, der noch von der Norm des 8 184a blieb und der für ungefährlich in der Praxis gehalten wurde, wenn er auch einen juristisch ganz unhaltbaren Begriff neu schafft, enthält die Bestimmung, daß, wie ausgeführt, derjenige bestraft wird, der die eben qualifizierten Schriften, Abbildungen oder Darstellungen einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt überläßt oder anbictet. (Ziffer 2.) Ich fiitdc nun in der Presse Bedenken praktischer Natur gegen die Beibehaltung dieses Nestes des 8 184a, die dahin gehen, es könne das, was durch Streichung der oben erwähnten Ziffer 1 des ursprünglichen 8 I84a erreicht wurde, durch ein Hintertürchen wieder cingcführt und der Kunsthandel, der im Schaufenster ja auch eventuell Personen unter 16 Jahren die Werke -anbiete-, neuerlich gefährdet werden. Diese Acngstlichkeit, die ein gewisses Mißtrauen in die Klugheit und Gründlichkeit des deutschen Straf richters dokumentiert, erscheint ungerechtfertigt. Dies alsbald sest- zustelle», erscheint im Interesse der zukünftigen deutschen Recht sprechung notwendig. Ich sehe davon ab, daß cs eine pflichtvergessene Oberflächlich keit wäre, wenn der Strafrichter von dem monatelangen in der deutschen Legislative bisher einzig dastehenden, leidenschaftlichen Kampfe nicht die mindeste Notiz nähme: einem Kampfe, dessen erreichtes Hauptziel es war, den Kuusthandel und dessen öffent liche Ausstellungen nicht noch mehr zu gefährden, als dies die in letzter Zeit sehr extensive Interpretation des bisherigen 8 184 (s. z. B. Entscheidung des II. Strafsenats des Reichsgerichts vom 24. November 1800. 2630. 09) unternimmt. Die Ziffer 1 des in dritter Lesung im Reichstage angenommenen Gesetzes wurde — wie wiederholt betont sei — in dem neuen Kompromiß-Initiativ antrag gestrichen, um ausdrücklich zu dokumentieren, daß solche die deutsche Kunst und Litteratur gefährdenden Maßregelungen der Ausstellungen in Schaufenstern oder sonstwo ungerechtfertigt seien. Die oben erwähnten ängstlichen Gemüter übersehen aber auch weiter, daß in dem jetzigen 8 184 Ziffer 2 sich folgende Bestimmung findet: -Mit Gefängnis re. wird bestraft, iver unzüchtige Schriften re. einer Person unter 16 Jahren gegen Entgelt überläßt oder an- bictct.» Man wählte absichtlich in 8 184a denselben Wortlaut wie in 8 184 Ziffer 2, mit dem einzigen Unterschiede, daß 8 184 die unzüchtigen, 8 184a die nur das Schamgefühl gröblich ver letzenden Schriften rc. trifft. Man niuß daher, wenn man in 8 184a die Ausdrücke -überlassen oder anbictcn- interpretieren will, auf 8 184 Ziffer 2 zurückgreifen (siehe Bericht des Reichstags, Drucksachen Nr. 312 S. 38). Da 8 184 Ziffer 1 denjenigen bestraft, der unzüchtige Schriften rc. seilhält, verkauft, verteilt, .... ausstellt oder anschlägt oder sonst verbreitet u. s. w., so hat der Verfasser dieser Zeilen in der Sitzung des Reichstages vom 6. Februar 1000 bei Be gründung des Antrages, das Schutzalter von 18 Jahren in 8 184 Ziffer 2 auf 16 Jahre herabzusetzen, ausgeführt, daß diese Ziffer 2 des 8 184 überhaupt überflüssig sei, da der Begriff des Ver- breitens in Ziffer 1 vollkommen genüge und denjenigen des -llebcrlassens gegen Entgelt» bereits enthalte. Daraus erwiderte Staatssekretär Or. Nieberding wörtlich folgendes: -Zur Klarstellung dieser Bestimmung muß ich übrigens dem Herrn Vorredner gegenüber hervorhcben, daß es sich hier um den Verkauf von Schriften aus Lüden oder im sonstigen gewerb lichen Verkehr gar nicht handelt; dieser Verkauf ist ja durch die Nummer 1 dieses Paragraphen vollständig auch für die jungen Leute gedeckt. Hier handelt es sich um die entgeltliche Abgabe unzüchtiger Schriften an junge Leute in solchen Fällen, die außerhalb des gewerblichen Verkehrs liegen. Solche Fälle können Vorkommen; ich erinnere Sic an den Vertrieb von Schriften durch Hotelportiers, Leute auf den Bahnhöfen; auch sonst finden sich der Gelegenheiten viele, wo derartige Anfech tungen an die Jugend herantreten, ohne daß ein eigentliches Erwerbsgeschäft dabei mitspielt.» Es handelt sich sonach um eine rein private, nicht geschäfts mäßige Ucberlassung. Dieselbe Anschauung sprach sodann der Abgeordnete Roeren als Redner der Mehrheit des Reichstags aus, indem er äußerte: -Den Verkauf in den Geschäften regelt Ziffer 1 In Ziffer 2 handelt es sich um die nicht gewerbs mäßige entgeltliche Ucberlassung.- Die Bestätigung dieser An schauung beider gesetzgebender Faktoren ergiebt sich auch aus Seite 31 und 32 des Berichts. Das übrigens auch die -Ueberlassung- eine Verbreitung i. S. der Ziffer 1 ist, braucht nicht nochmals dargethan zu werden (s. auch den Bericht Seite 32, z. V. Ziffer 2, ivo selbst der Ausdruck -überlassen» und -verbreiten- in gleicher Bedeutung gebraucht ist und mit dem Ausdrucke gewechselt wird); aber so viel steht nach diesen Ausführungen zu § 184, die ausdrücklich auf den 8 184a. Anwendung zu finden haben, fest, daß von einer Bedrohung des Kunsthandels in dem befürchteten Sinne durch Konstruierung des dolus ovontualis ohne srakte Rechtsverletzung nicht die Rede sein kann. Das Mißtrauen, daß eine solche Auslegung auch nur möglich sei, zeigt, wohin wir steuern, und welch schwere Wunden eine extensive, dem Volke unverständliche Judikatur dem deutschen Richterstande bereits geschlagen hat. Amtsrichter 4>r. Müller, Mitglied des Reichstags, Fürth-Nürnberg. Schutz eines Zcitungstitcls in Frankreich. — Die Papierzeitung berichtet nach dem »Uullotin dos imprimours- über folgenden Rechtsfall, den das Pariser Handelsgericht kürzlich ent schieden hat: Die Zeitung -I-a Usvuo pour tous- hatte wegen Konkurses des Verlegers zu erscheinen aufgehört. Ein Jahr später gab ein anderer Verleger eine Zeitung mit gleichem Titel heraus. Der frühere Verleger reichte Klage ein, und das Gericht verbot dem neuen Verleger die Benutzung des erwähnten Zeitungs titels, da der ursprüngliche, in Konkurs geratene Verleger die Zeitung wieder herauszugeben beabsichtige. In der Begründung dieses Urteils stellte das Gericht, ivie »üullotin dos imprimours» mitteilt, folgende Rechtssätze aus: Der Titel einer Zeitung hat bezüglich des Eigentumsrechts dieselbe Bedeutung wie die Firma eines Handelshauses. Die gesetzmäßige Eintragung ins Handelsregister ist eine öffentlich-rechtliche Maßregel und für das Eigentumsrecht nicht maßgebend. Das Eigentumsrecht am Titel wird nur durch die Heraus gabe der Zeitung gewahrt. Es erlischt nur durch Nichtbenutzung. Die Annahme, daß ein Privatrecht nach einjähriger Nicht- bcnutzung der Allgemeinheit anheimfalle, ist durch kein Gesetz be gründet. Ob ein Privatrecht infolge Nichtgebrauchs erloschen ist, muß in jeden, einzelnen Fall nach den besonderen Umstände» be urteilt werden. Deutscher Juristen tag. — Der deutsche Juristentag, der in den Tagen vom 11.—13. September d. I. in Bamberg ver handeln wird, wird u. a. folgende Fragen zur Beratung bringen: Inwieweit sind an die Veröffentlichung von Briefen ohne Zu stimmung des Vcrsassers oder seiner Erben Nachteile zu knüpfen? Soll der Verleger berechtigt sein, das Verlagsrecht ohne Zu stimmung des Autors zu übertrage»? Empfiehlt es sich, die strajrechtliche Verfolgung des Urheber rechts nach dem Vorbilds des österreichischen Gesetzes vom 26. De zember 1805 (8 51) aus wissentlichen Eingriff einzuschränken? Wie ist im Strafprozeß der Gerichtsstand der begonnenen That bezüglich der Vergehen der Presse zu regeln? Elsässischc Actiengcscllschast für Buchhandlung und Publicität in Straßburg i/Els. — Die ordentliche General versammlung findet am Dienstag den 17. Juli, vormittags Off, Uhr, Alter Wcinmarkt 1, in Straßburg statt. Vorsitzender des Aus sichtsrats ist Herr Fritz Kicffer. Neue Bücher, Kataloge rc. für Buchhändler: Inttoratur-XusxuA aus Uoioüs - Nodixinal - rlnroi^or. VorluA von L. Xono^on ia Uoipxix;. XXV. lallr^ang. I^r. 13, 20. 3uni 1000. 40. 8. 233—252. dir. 3005—4250 u. Iittorarisollo Uo- sprsoüunAgn, XnMiqon oto. Verlags-Verzeichnis von E. F. Thienemanu, Pädagogischer Verlag in Gotha. 1000. 8'. 54 S.