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»V 274, 25. November 1S12. Fertige Bücher. »Srlendl«, s. d. )>!chn. B-chh°°d-I. I49K3 '//—// l I l Groiesche Sammlung von Werken zeitgenössischer Schriftsteller I I Hans ^erd. Gerhards In der Ioduiensiraße 1 Bitte empfehlen Sie: Äoman. 275 Seiten, Gßtav, geheftet M. 3»—, gebunden M. 4.—. Der Ratzeburger Hans Ferd. Gerhard hat bisher nur Novellen und Legenden veröffentlicht, die ich nicht Kenne. Nun legt er, schon ein Fünfunddreißigjährigor, uns feinen ersten Roman vor. Nnd daß ich es gleich sage: dieser Hamburger Roman ist ein Kleines Kunstwerk von Rang, von originaler Selbständig keit, von feinstem dichterischen Reize. Gerhard schildert uns das Schicksal des Hauses L. A. Liebelöh in der Jodutenstraße Seine Gestalten, die Liebelöhs. Mittlers und wie sie sonst heißen, sind alle so Klar gestaltet wie selten in modernen Romanen; lieb sind dem Dichter die stillen, sanften, demütigen Träumernaturen. Nnd darauf ist auch der zarte Ton des ganzen Buches gestimmt: die Sprache, auch wenn sie wilde Szenen schildert, behält doch etwas von jener vibrierenden Weichheit, die wirklichen Edel menschen eigen ist. — Aber ich breche ab; ich müßte noch lange sprechen, wollte ich alle Vorzüge dieses Buches nennen. Ich weiß, Gerhard wird auch so seine Freunde finden; alle, die gerne zu Storm. zu Raabe gehen, alle, die die Sperlingsgasse lieben, werden auch durch die ^odutenstraße schreiten, werden oft. oft in ihr verweilen, und dabei besitzt Gerhard nicht etwa, das sei noch gesagt, die barocke Technik des Draun- schweigers, sondern die reine Kunstform Storms. Hamburger Nachrichten GustavAalke^MeStadtnuidengoldenenTürmen H Die Geschichte meines Lebens. 479 Seiten, Gßtav. ^ ^ Mit dem Bildnis des Derfasfers. Geheftet M. 4.—, gebunden M. 5.—. * Dieser Lebensroman ist eine große. Klare Me lodie der Innerlichkeit. Aus ergreifender Schlicht heit und Eitelkeitsfreiheit heraus entwickelt sich ein für deutsche Kinder so typischer Lebensausstieg poetisch und rein, ohne alle Selbstgefälligkeit, mit jener zarten Keuschheit, die die Weihe des Ideals erfahren hat. Nnd diese Melodie geht mit uns weiter ins Leben hinein, lange und immer noch, wenn wir das Buch schon geraume Seit geschlossen haben. Diese Melodie ist eine stützende Kraft, wie eine helfende Hand, die wir in den Stürmen des Tages oft ergreifen, um den Glauben an die Schön heit des Menschentums nicht zu verlieren. Darum schweigen wir vom Stofflichen in diesem Bande, in Der Dichter hat es vermocht, den gegebenen, durch die Phantasie nicht zu verändernden Stoff seines eigenen Lebens so Künstlerisch zu runden, jo plastisch zu gestalten, daß wir in seiner „Stadt mit den goldenen Türmen" eineDichtung erhalten haben, die wir ob ihrer rein Künstlerischen Werte zu den reifsten Früchten des neueren deutschen Schrifttums zählen müssen. Eine Dichtung, deren Wert ganz unabhängig davon ist, daß hier ein anerKannterDich- ter seine eigene Lebensgeschichte erzählt. Denn er erzählt sie mit solcher geruhsamen Schlichtheit, jo frei von jeglicherDichtereitelkeit, daß sie eine gerade zu typische Schilderung der Entwicklung eines deut schen Knaben zum Jüngling, der Reife dieses Jüng lings zum deutschen Mann geworden ist. — Es hätte Keinen Sinn, den Inhalt dieser leisen, aber ungemein eindringlichen Darstellung hier eingehend nachzu erzählen; die Hauptphajen der Lebensgeschichte des Dichters dürfen zudem hier in Hamburg wohl als bekannt vorausgesetzt werden. Es Kommt ja auch, wie ich schon wiederholt betonte, gar nicht auf das Stoffliche an, sondern auf seine künstlerische For dern natürlich auch der literarisch interessierte Leser und „Fachmann" auf seine Rechnung Kommt, und wir sagen nur: Lest die Lebensgeschichte, nicht weil sie die Gustav FalKes ist, sondern weil sie die eines deutschen Mannes ist, der das Können besaß, sie als deutscher Dichter zu erzählen; dringt ein in die Seele dieser Selbstbiographie, die Keine Anekdoten und Intimitäten enthüllen will, sondern die unter einem feinen, duftigen Schleier das Wachsen und Werden eines Herzens zeigt; und gebt auch dieses schönste Buch FalKes euren Frauen und Töchtern, euren Söhnen in die Hand, denn die Reinheit dieser Lebensschilderung ist ein unverlierbares Vorbild, ein läuterndes Erlebnis. ^ Berliner Neueste Nachrichten mung, diese Formung, die in ihrer Anschaulichkeit an Gottfried Keller gemahnt, deren leise, reine Melodie den Leser nach den ersten Seiten gefangen nimmt und ihn nicht wieder aus ihrem wohltuenden Bann läßt, bevor er nicht die letzte Seite in sich ausge nommen hat. Gewiß, es ist sein eigenes Leben, das Gustav Falke erzählt, und wundervoll ist die Keusch heit, mit der er sein Innerstes enthüllt, ohne es zu entkleiden, gewinnend die Ehrlichkeit, die ihn jeder Selbstbeschönigung oder gar Selbstverherrlichung aus dem Wege gehen läßt, vorbildlich die Zartheit, mit der er düstere Stellen seines Familiengemäldes so weit wie nötig aufhellt. Gewiß, es ist das Leben Gustav FalKes, das er selbst hier vor uns entrollt; aber welcher Deutsche glaubte nicht oft genug sich selbst gezeichnet, wenn er von den Kindlichen Erleb nissen, von den Streichen und Verliebtheiten des Sohnes des goldtürmigen Lübeck vernimmt, wenn ihm die Leiden des Duchhändlerlehrlings in Ham burg, die Torheiten des Jünglings, der im thürin gischen Städtchen zum ersten Mal die Freiheit der Selbständigkeit genießt, geschildert werden? Hamburger Nachrichten ^ s G. Grotesche Verlagsbuchhandlung Berlin S. W. 11 s I //« 1948*