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14952 SSrlcEaU f. b. Dtlchv. Buchh-od-l, Nichtamtlicher Teil. 274, 25. November 1912. hier immer das richtige zu treffen, ist neben umfassenden Kenntnissen eine nicht geringe Geistesgegenwart notwendig. Taine gibt in seiner berühmten Charakteristik Napoleons I. eine wundervoll anschauliche Darstellung von den drei riesigen Atlanten, die, seiner Meinung nach, das Hirn dieses Mannes bargen und die alles enthielten, was über Frankreich und Europa damals überhaupt irgend jemandem bekannt war. Der tüchtige Buchhändler sollte über ein ähnlich organisiertes Ge hirnschubfach verfügen, das er nach Belieben ausziehen kann, um das darin befindliche Notizbuch aufzuschlagen. Dieses ! Notizbuch sollte einmal das gesamte Lager des betreffenden! Geschäftes, im übrigen aber eine Ergänzung nach der Seite der außerdem noch wichtigen Literatur hin enthalten. Natürlich! gehört dazu ein gutes Gedächtnis. Aber gute Gedächtnisse , sind nicht so selten, wie es in unserer nervösen und sich gehen-! lassenden Zeit manchmal den Anschein hat, und es ist wirklich i nicht schwer, ein paar Tausend Büchertitel im Kopf zu haben. ^ Selbstverständlich soll der Buchhändler das Gute nach Mög-> lichkeit bevorzugen. Aber er darf nicht vergessen, daß er da ist, z um seine Kunden zu bedienen, und nicht, um sie zu bevor-! munden. — Es ist weder klug noch ideal, sondern einfach un angemessen, wenn man jemand, der einen leichten Unterhal-1 tungsroman haben will, mit aller Gewalt den grünen Heinrich aufredet. Ich kannte einen Kollegen, der ein unentwegter Ver ehrer Conrad Ferdinand Mehers war, und ich erlebte, daß er einer Dame, die ein Konfirmationsgeschenk für ein Mädchen suchte, auf das dringlichste die Hochzeit des Mönchs empfahl. Sie antwortete empört: »Das ist nichts, das sieht man schon am Titel!« Als sie den Laden verlassen hatte, glaubte sich der junge Kollege über sie und ihre mangelhaften literarischen Kenntnisse aushalten zu dürfen. Sehr mit Unrecht. Denn die Hochzeit des Mönchs ist in der Tat schon dem Titel nach an- stößig als Konfirmationsgeschenk, und der auf seine Kenntnisse so stolze Verkäufer hätte das wissen müssen. Schließlich ist zu fordern, daß sich der Verkäufer über die Bezugsbedingungen der empfohlenen Werke im klaren ist. Das ist nicht ganz einfach, aber doch nicht so schwer, wie es aus sieht. Namentlich dann, wenn unter mehreren gleichartigen Werken ausgewählt werden soll, hat der Verkäufer nach Recht und Pflicht dasjenige zu empfehlen, das den größten Gewinn bringt, oder dessen Absatz aus einem sonstigen Grunde be sonders erwünscht erscheint. Der Buchhändler hat alle Ur sache, sich in acht zu nehmen, damit der Bücherliebhaber in ihm nicht den Geschäftsmann behindert. Es gibt Zeiten — zu Weihnachten, zu Semester-Anfang in Universitätsstädten und zu Beginn des Schuljahres —, wo eine drangvoll fürchterliche Enge auch in den sonst so ruhigen Buchläden herrscht. Da heißt es, rasch arbeiten und abfertigen, und hier kommt eine Kunst besonders zu statten, die noch recht wenig ausgebildet ist: die Fähigkeit, mehrere Kunden zu gleicher Zeit zu bedienen. Das ist gerade im Buchhandel ver hältnismäßig leicht zu bewerkstelligen und ist jedenfalls in Not fällen dem einfachen Ttehenlassen neuer Kunden vorzuziehen, selbst wenn die Abfertigung des einzelnen sich dadurch etwas verzögert. Ein wichtiges Kapitel ist die beständige Instandhaltung des Lagers, die rechtzeitige Nachbestellung des Verkauften, die sofortige Auffüllung bemerkter Lücken, die sofortige Weg räumung der borgelegten Sachen und das regelmäßige tägliche Einräumen. Es macht einen außerordentlich ungünstigen Eiw druck, wenn es immer wieder heißt: die Nummer fehlt im Augenblick, oder: das Buch ist bestimmt da, ich kann es im Augenblick nur nicht finden (diplomatisch Veranlagte sagen wohl, es sei gerade zur Ansicht verschickt). Es ist ein Ding der Unmöglichkeit, dieses weitschichtige Thema im Rahmen eines kurzen Aussatzes anders als anden tungsweise zu behandeln, ganz abgesehen von den Schwierig keiten, die in der theoretischen Erörterung solcher enormpraktischen Aufgaben naturgemäß immer liegen. Jedenfalls erscheint es dringend wünschenswert, daß diesem so außerordentlich wich tigen Zweige der Ausbildung unseres buchhändlerischen Nach wuchses eine etwas größere Aufmerksamkeit gewidmet werden möge, als dies bisher geschehen ist. Die mangelhafte Vor bildung des Verkausspersonals ist keine Eigentümlichkeit des Buchhandels allein. Sie bildet eine ständige Klage aller De tailhandelsberufe. Für den Buchhandel wird sie aber beson ders verschärft dadurch, daß gerade gutgeführte Sortimente vielfach grundsätzlich keine Lehrlinge mehr einstellen, und diese eigentliche Ausbildungszeit mehr und mehr in Verlags und Kommissionsgeschäften absolviert wird. Man ist in großen Städten bereits vielfach mit der Gründung von Ver käuferschulen vorgegangen. Es wäre sicherlich der Erwägung ivert, ob der Buchhandel nicht ebenfalls einen Versuch nach dieser Richtung hin unternehmen soll. 8 ixt«s. Verbote und Verbotsaufhebungen deutscher Bücher in Rußland. (Vgl. Nr. 28, 7V, 91, 188, 144, 203, 211, 2S8 u. 2S8 d. Bl.) Juli 1912. 4. Ganz verbotene Bücher. Benzmann, Hans: Die soziale Ballade in Deutschland. Typen, Stilarten und Geschichte der sozialen Ballade. V, 128 S. 8". München 1912, C. H. Becksche Verlagsbuchhandlung. 2 89 Brunner, vr. Max: Entwickelung, Wesen und Ziele des Monismus. 49 S. 8". Magdeburg-Leipzig 1912. Taschenkalender, Monistischer. 1912. 2. Jahrgang. 129 S. München, Verlag des Deutschen Monistenbundes. Geb. 1 > Thoma, Ludwig (Peter Schlemthl): Kirchweih. Simplicissimus- Gedichte. (Kleine Bibliothek Langen. 111. Bd.j 199 S. 1k". München (1912), Albert Langen. 1 ^l, geb. 1 59 H. Zangwill, Israel: Die jüdische Kolonisation. (Die Jka und Baron Hirschs Millionen.) 47 S. 1k°. London. L. Teilweise verbotene Bücher. Nichts. 0. Ganz oder teilweise verboten gewesene, jetzt von neuem durchgesehene und erlaubte Bücher. Nichts. Kleine Mitteilungen. Rücknahme oder Umtausch von Bücher», die nicht vom Verleger bezogen sind. — Das Ersuchen vieler Sortimenter an die Verleger, Bücher zurllckzunehmen oder umzutauschen, die sie vom Bar- oder Grosso-Sortiment -- manchmal auch in Partieen — bezogen haben, entbehrt jeder rechtlichen Grundlage. Der Deutsche Berlegerverein hat sich deshalb veranlaßt ge sehen, um dem llberhandnehmen solcher Forderungen vorzubeugen, zu dieser Frage grundsätzlich Stellung zu nehmen. Es ist unbillig, dem Verleger die Rücknahme oder den Um tausch von Büchern, insbesondere von Schulbüchern, zuzumuten, die vom Bar- oder Grosso-Sortiment entnommen worden sind: unangebracht ist es für den Kall der Ablehnung solcher Gesuche, dem Verleger Unkulanz vorzuwerfen. Besonders in der Schulbllcherzett bestellen einige Sortimenter ihren Bedarf, wenn bas Bar- oder Grosso-Sortiment nicht gleich liefert, auch beim Verleger, in der Hoffnung, daß der Verleger die ihnen liegen bleibenden Bücher zurücknehmen wird. Sie erschweren dadurch dem Verleger das richtige Disponieren über die Vorräte, das namentlich beim Zuendegehen von Auflagen sowieso schon große Schwierigkeiten macht. Ferner genießen die Bar- und Groffo-Sortimenter bei ihren Bezügen hie und da Vorzugsbedingungen, mithin würde der Ver-