Volltext Seite (XML)
-P 274, 25. November ISI2. Nichtamtlicher Teil. «»u-nbl-u I. » rilchn. «u»;»,,!!-!. I485I annimmt. Wenn jemand den Laden betritt und ein bestimmtes Buch nennt, das er zu kaufen wünscht, so ist das mit möglichster Beschleunigung zu holen. Das ist eine selbstverständliche Forderung, die aber nicht immer er füllt wird. Der Buchhändler hat es mit einem gebildeten Publikum zu tun, das seine Ungeduld so lange als möglich zu meistern sich bemüht, und man hat manchmal den Ein druck, daß diese Tugend auf eine harte Probe ge stellt wird. Wer sich hier gehen läßt, und das tun manche, die sich für ausgezeichnete Verkäufer halten, der wird in der Regel auch versagen, wenn es gilt, einen wirklich schwierigen Kunden zu bedienen. Und hier zeigt sich erst, was einer kann. Denn es ist keine Kunst, einem liebenswürdigen schwachen Büchernarren mehr Liebhaberausgaben aufzuhän gen, als er bezahlen kann, Wohl aber ist es eine Kunst, einem schwer zu behandelnden mißtrauischen Käufer Vertrauen ein- zuflößen. Wie überall gibt es natürlich auch unter den Kun den des Buchhändlers sogenannte »Ekels«. Ich entsinne mich noch recht gut eines berühmten Professors, bei dessen An blick jedermann, vom Ches bis zum jüngsten Gehilfen, blitz schnell hinter dem Ladentisch zu verschwinden Pflegte. Ich selber bin regelmäßig mit verschwunden, denn es war wirklich kein Vergnügen, sich dieser knarrenden, mürrischen Stimme und diesen mißtrauischen, hinter scharfgeschliffenen Brillengläsern funkelnden Augen auszusetzen. Bis ich eines Tags nicht mehr ausweichen konnte und merkte, daß der Gefürchtete gar nicht so schlimm war, wie er ausfah. Ich habe später auch her ausbekommen, was ihn gegen die Buchhändler eingenommen hatte. Es war lediglich die Ungeschicklichkeit, mit der man glaubte, ihm Neuerscheinungen seines Fachgebietes empfehlen zu sollen, als er zum ersten Male den Laden betrat. Der Chef hatte das Malheur gehabt, ihm nichtsahnenderweise die neueste Auflage eines Werkes von seinem intimsten wissen schaftlichen Gegner als »das hervorragendste Werk auf diesem Gebiete« vorzulegen. Es gibt Kunden, die schwer erträg lich sind ; solche, die sich nicht entschließen können; solche, denen nichts gut genug ist; solche ,die prinzipiell schlechte Laune haben, und andere mehr. Aber wenn im vertrauten Kreise über solche Kunden räsonniert wurde, so hätte ich manchmal die jammernden jungen Kollegen in ein Geschäft führen mögen, das nur mit Damenkundschaft zu tun hat. Welche Zeit wird beim Ankauf eines Hutes, eines Kostüms, aber auch nur einer einfachen Bluse, einer Gürtelschnalle verschwendet, auch wenn sie nur fünfundsiebzig Pfennige kostet! Da heißt es Geduld üben in einem Umfange, von dem wir kaum einmal eine Ah nung bekommen. Im übrigen wird ein gewandter Verkäufer auch mit einem unentschlossenen Käufer (denn die unentschlos senen sind die schlimmsten) fertig werden, ohne daß es ihn übermäßige Zeit kostet. Im äußersten Falle bleibt es ein bewährtes Mittel, dem Kunden eine genügende Auswahl zur Verfügung zu stellen, mit der Bitte, selbst genau zu prüfen; es folgt dann in der Regel ein rascher Entschluß, ohne daß das Gefühl aufkommt, als werde man nicht gut bedient. Denn dieses Gefühl darf nie und unter keinen Umständen auf- kommen. Ein Vergnügen und ein Genuß ist es, Buchhändler zu sein, wenn man es mit einem kauflustigen und orientierten Käufer zu tun hat, dessen Liebhabereien man genau kennt. Und Gott sei Dank fehlt es keineswegs an solchen. Unsere Produktion ist ja so reich und mannigfaltig, über all betätigt sich ein solches Streben nach Vollkommenheit inDruck und Ausstattung, ungezählte vortreffliche Zeitschriften tragen täglich immer wieder den Gedanken der Bücherliebhaberei, worunter wir keineswegs nur die Freude an kostbaren Bü chern verstehen möchten, in immer weitere Kreise, daß es hier immer wieder neue Möglichkeiten für den tüchtigen Ver käufer gibt, gelegentliche Besucher zu dauernden und regel mäßigen Kunden zu machen. Die eigentliche Bibliophilie ist ja binnen wenigen Jahren aus einem Stiefkind das Schoßkind des Sortiments geworden. Hoffentlich wird es nicht einmal zum Schmerzenskinde. Denn es ist kein Zweifel, daß hier manchmal des Guten zu viel getan wurde. Die Sitte der numerierten Exemplare ist vielfach zur Unsitte geworden, und man soll nicht glauben, daß die wirklichen Büchersammler, deren es viel weniger gibt, als die überhastete Produktion anzunehmen scheint, sich darüber nicht im klaren wären. Hier ist für den guten Verkäufer eine gewisse Zurück haltung durchaus geboten, wenn er sich die Absatzwege nicht selbst verstopfen will. Es hat wenig Sinn, junge Studenten, die kaum das Gymnasium verlassen haben und womöglich nied rige Ratenzahlungen leisten, zum Kaufe teurer Luxusausgaben zu verleiten. Der gute Verkäufer wird überharlpt seinen Ehr geiz darin suchen, gerade mit schwer zugänglichen Kunden größere Geschäfte abzuschlietzen. Denn eine alte Erfahrung lehrt, daß gerade die am kauflustigsten sind, die das wenigste Geld dazu haben, Und die, die es haben, markieren die Spar samen. Wenn es gelingt, einen vermögenden Industriellen zu veranlassen, statt einer billigen eine der schönen Monu mentalausgaben eines Klassikers seinem Sohne auf den Weih nachtstisch zu legen, oder seiner Tochter statt einer häßlich ausgestatteten Sammlung erbaulicher Lieder, eine schön ge druckte und gebundene Ausgabe der Bibel oder der Psalmen zur Einsegnung zu schenken, so ist der Zweck dieser Ausgaben besser erfüllt, als wenn sie von Sammlern erworben werden, die dieser raschen Laune rasch wieder überdrüssig werden. Zwischen dem guten Kunden und dem guten Verkäufer stellt sich ja im allgemeinen rasch eine gewisse Vertraulichkeit her, die ihre Ursache hat in dem Vertrauen, das der Kunde dem Verkäufer gern entgegenbringt, der es zu erwecken weiß. Und dann ist er dankbar für jede Aufmerksamkeit. Es ist im allgemeinen nicht besonders schwierig, jemanden für ein bestimmtes Literaturgebiet zu interessieren. Denn wir sind in der glücklichen Lage, wirklich jedem etwas bringen zu können. Und es hängt nur von dem persönlichen Geschick ab, das besondere Interesse des Publikums zu Wecken und zu pflegen. Viel zu großes Gewicht wird im allgemeinen auf die Fach wissenschaften der betreffenden Kunden gelegt. Ganz ab gesehen von der hier immer lauernden Gefahr für den Buch händler, sich gründlich zu blamieren, darf er nicht vergessen, daß die Wissenschaft für ihre Diener ein müheseliger, auf reibender Beruf ist und daß sie oft froh sind, wenn sie nichts mehr von ihrer Wissenschaft hören und sehen, gerade wie es manchen tüchtigen Buchhändler gibt, der außerhalb des Ge schäfts lieber Kegel schiebt, als sich mit Büchern zu befassen. Es gilt hier sozusagen das geistige Steckenpferd zu entdecken, das so ziemlich jeder dieser hochvermögenden Herren zu reiten pflegt. Die meisten Fälle, in denen der Verkäufer Gelegenheit hat, sein mehr oder weniger großes Verkaufstalent zu zeigen, sind jene, in denen der Kunde irgendein Buch zu irgendeinem bestimmten Zweck wünscht, sei es nun für die Reise, zur eige nen Unterhaltung oder zu einem Geschenk, jedenfalls aber ohne zu wissen, welches. Hier wird man vorerst seinen psycholo gischen Scharfsinn dadurch zu beweisen vermögen, daß man sich über die Persönlichkeit des Käufers und über den Preis, der angelegt werden dürfte, klar zu werden sucht. Im übrigen sind natürlich dahingehende Fragen erlaubt, ja notwendig, nur soll man den Kunden nicht mit Fragen peinigen, denn der Unentschlossene will durchaus beraten, aber nicht ausgefragt werden. Es gibt eine so große Anzahl allgemeiner Geschenk werke, die für jedermann gegeignet und interessant sind, daß es sich eher empfiehlt, mit einer Vorlage unverzüglich zu be- ginnen; aus der Art und der Begründung einer Ablehnung ist unschwer zu ersehen, was sonst noch in Frage käme. Um >!Us»