Volltext Seite (XML)
169, 24. Juli 1903. Nichtamtlicher Teil. 5733 hatten sonach zu ihren Papieren bereits versponnen gewesene Fasern (Lumpen von Geweben) verarbeitet. Ähnlich jener berechtigtes Aufsehen machenden Veröffent- lichung ist jüngst ein neues Buch desselben Verfassers (Professor I. Wiesner) bei Gerold's Sohn, Wien 1902, erschienen, betitelt »Mikroskopische Untersuchung alter Ostturkestanischer und anderer asiatischer Papiere-,") das für die Geschichte der Papiererzeugung von unschätzbarem Wert ist. In ungleich mühsamerer Arbeit, egenüber den Faserstoffbestimmungen des Faiyumer Materials, at der Verfasser an kleinen Papierabschnitten, die ihm von Pro fessor Hoernle in Oxford aus den Bower-Manuskripten (chinesischen Ursprungs) zur Untersuchung gesandt wurden, den Ursprung des Fasernmaterials festgestellt und hierbei die Art der Bearbeitung des Faserstoffes, die Leimung und die Bestandteile der Tinte (oder Schriftfarbe) bestimmt. Im Jahre 1889 waren von einem englischen Offizier Bower aus den Ruinen einer längst verlassenen Stadt in Ost-Turkestan eine große Anzahl auf Papier geschriebener Manuskripte ans Tageslicht gezogen worden, die in England entziffert wurden. Das Alter dieser Handschriften konnte zum Teil bis auf das vierte Jahrhundert zurückgeführt werden, und aus den Schrift zeichen durfte man schließen, daß die Papiere chinesischer und indischer Herkunft waren. Nach Wiesner war nun durch Wattenbach und dessen Werk: »Das Schrtftwesen im Mittelalter- (Leipzig 1875) die Ansicht ver breitet, daß die Chinesen in alter Zeit Papier aus Baumwolle bereiteten. Diese Meinung sei aber durchaus irrig. Wiesner sagt Seite 6: »In den verläßlichen Quellen über alte chinesische Papierrohstoffe fehlt die Baumwolle; die Baumwoll- pflanze wurde in China überhaupt sehr spät, Jahrhunderte nach Erfindung des Papiers, eingeführt, nämlich während der Re- oierung Kuhilai CHLns 1257—1294, in welcher Zeit sie aus Äia'bar, im südlichen Indien, nach China gebracht wurde.« Die Frage, ob die Chinesen als die Erfinder des Hadern papiers anzusehen seien, bezeichnet Professor Wiesner als noch ungelöst. Nach Karabacek haben die Chinesen anfänglich nur Baumrinden (Bastfasern) zur Papierbereitung benutzt; erst viel später (940 n. Chr.) soll das chinesische Hadernpapier aufgekommen sein. Diese Annahmen werden durch die Arbeit Wiesncrs be stätigt. Die mühsamen Untersuchungen der ältesten ostturkestanischen Papiere aus dem vierten und fünften Jahrhundert n. Chr. zeigten nur roh verarbeitete Bastfasern, aus der Rinde dikotyler Pflanzen (von Broussonetia, Böhmeria u. a. zum Teil unbestimm barer Herkunft). Diese Bastfasern, die nur vermischt in allen den alten Papieren Vorkommen, waren auf rein mechanischem Wege, sehr roh zu Papierbrei verarbeitet worden. Aus spätern Zeiten (fünftes bis achtes Jahrhundert) liegen Papiere mit gut abge schiedenen Rohfasern von ebenso gemischtem Material vor. Die Rohfasern sind durch Maceration besser isoliert und z. T. sind sie vermischt mit zerstampften Hadernfasern von Leinen und Hanf. In seiner Zusammenfassung der Hauptergebnisse aller vorge nommenen Untersuchungen berichtet Verfasser wörtlich: »Die alten ostturkestanischen (chinesischen) Hadernpapiers unterscheiden sich nicht nur durch die neben der Hadernmasse auf tretenden Rohfasern, sondern auch durch die starke mechanische Zerstörung der Hadernfasern von den alten arabischen Papieren. »Durch die vorliegende Untersuchung wird gezeigt, daß die Anfänge der Hadernpapierbereitung bei den Chinesen zu finden sind und ins fünfte und vierte Jahrhundert und wahr scheinlich noch weiter zurückreichen. »Die chinesische Hadernpapierbereitung ist über ihre anfäng liche niedere Stufe nicht hinausgekommen; erst die Araber haben, von den Chinesen in die Papiermacherkunst eingeweiht, die Erzeugung des Hadernpapiers gefördert und auf jene Höhe gebracht, auf der diese wichtige Erfindung im Mittel- alter von den europäischen Kulturnationen übernommen wurde. -Die ältesten Papiere chinesischen Ursprungs sind un- geleimt. Im fünften bis siebenten Jahrhundert treten bereits Papiere auf, die nach besonderer Methode beschreibbar gemacht wurden und zwar ourch Anwendung von Gips als Schreib- gruud, später durch Leimung mittels einer aus Flechten dar gestellten Gelatine, endlich durch Stärkekleister. Das älteste mit Stärke geleimte ostturkestanische (chinesische) Papier stammt aus dem achten Jahrhundert. Auch die Araber veredelten zu Ende des achten Jahrhunderts schon ihre Papiere durch Stärke- *) 4Vissvsr, Urot. Ur. ckulius, MIrrosleopisobs UutsrsaobuvA alter ostturüsstanisobsr uvck amlsrsr asiatisolwr kapisrs, nobst bistoloAisobov Beiträgen 2vr milrrosüopisobsn UapisravtsrsuobanA. s^us: Usnlesebriktsu äsr Laissrliolwn Haäswis äsr 4Viss6nsobaktsn.j 50 8. mit 80 IÜA. Ar. 4". 4Visv 1902, 6. Otsrolä's 8obu in Lamm, kreis 4 — Börsenblatt sür den deutschen Buchhandel. 70. Jahrgang. leimung. Im vierzehnten Jahrhundert ging diese Kunst in Europa verloren. Die Stärke wurde durch Tierleim ersetzt, bis in der Mitte des neunzehnten Jahrhunderts mit der Maschiucnpapier- fabrikatiou die Stärkeleimung wieder aufkam. Diese aber ist eine Erfindung der Chinesen.« Verfasser vermißt unter den Faserstoffen, die zu den unter suchten alten Papieren verwandt wurden, diejenigen Faserarten, die jetzt das Material für chinesische Papiere liefern: die Bambus rohr- und Reisstroh-Fasern. Seit wann diese Faserstoffe von den Chinesen zu Papier verarbeitet werden, konnte sonach vorläufig nicht festgestellt werden. Da diese Fasern in modernen Papieren (unter andern auch bei solchen, die zu Fälschungen alter Manu skripte dienten) gefunden wurden, so ist anzunehmen, daß die Er findung des chinesischen Bambus- und Reisstroh-Papiers in eine viel spätere Zeit fällt. Die zur Untersuchung gekommenen Papiere indischen Ur sprungs stammen aus dem siebzehnten und achtzehnten Jahr hundert und bestehen aus mechanisch sehr angegriffenen kurzen Fragmenten von Rohfasern (wahrscheinlich Bastzellen von kbz'mels.eaossn ---- Seidelbastpflanzen). Einen der Schlußsätze (8.) des hochgeschätzten Verfassers möchten wir aber doch nicht als annehmbar bezeichnen. Ver fasser meint die Chinesen auch als die »Begründer« der jetzt zur Herrschaft gelangten Zellulosepapierfabrikation betrachten zu sollen, weil ihr Macerationsvcrfahren (Rindenbaste zu Papier zu bereiten) auf demselben Prinzip beruhe, die Faser zellen aus dem Verbände durch chemische Mittel zu lösen, wie die Verfahren zur Erzeugung von Zellulose. Wir meinen, daß zwischen der Praxis der Chinesen und Japaner, Baum bast (durch Macerieren oder Einlegen der abgeschnittenen Pflanzenstengel unter stehendes Wasser) zu gewinnen, um diesen Bast dann durch Schlagen oder Stampfen zu Papier verarbeiten zu können, und der Gewinnung der Zellstoffe aus Stroh und Holz durch Kochen in Natron- oder Sulfit-Lauge, recht große Unterschiede bestehen, wenn auch zuzugeben ist, daß der Grund gedanke, die Gewebe der Pflanzen zu lösen und die Fasern von ihrer zerstörbaren Umgebung zu befreien, auch hier zur An wendung kommt. Für die Erkenntnis der geschichtlichen Entwicklung der Papiermacherkunst ist das Werk Professor Wiesners von hoher Bedeutung, wie es auch sicher auf die praktische Papierprüfung von Einfluß sein wird, indem die Erforschung des Ursprungs jener Rohfasern der alten chinesischen Papiere wahrscheinlich zur näheren Untersuchung an sonst ferngelegenen Faserstoffen führt, über die bislang nur wenig bekannt war. Jedenfalls haben diese Untersuchungen dazu beigetragen, das Werk Professor Wiesners -Die Rohstoffe des Pflanzenreiches - (Leipzig, W. Eugelmann) wo von 1901 die siebente, 1902 die achte Lieferung erschienen ist, zu vervollständigen. Soweit wir (und mit uns das Papier- und Buchgewerbe) an diesem letztem Werke ein besonderes Interesse aben, werden wir demnächst auch über dieses Werk, speziell über en letzten Teil des achtzehnten Abschnitts, der von den Papier fasern handelt, noch zu berichten versuchen. Leipzig, Papierprüfungsanstalt. Winkler. Kleine Mitteilungen. Telegraph. — Vom internationalen Telegraphenkongreß in London ist über die Zulassung von Telegrammen in verabredeter Sprache folgendes vereinbart worden: Außer den bisher schon zu- gelassencn Wörtern sollen alle Wörter, gleichviel ob gebräuchlich oder künstlich gebildet, verwendet werden dürfen, die so beschaffen sind, daß sich ihre Silben nach dem Gebrauche der deutschen, eng lischen, spanischen, französischen, holländischen, italienischen, portugiesischen oder lateinischen Sprache aussprechen lassen. Die Wörter der verabredeten Sprache können wie seither bis zu zehn Buchstaben enthalten. Unter diese Bestimmung fallen also: sämtliche Wörter des vom Internationalen Bureau der Telegraphcnverwaltung in Bern herausgegebenen Wörter verzeichnisses, ferner alle Wortbildungen, deren Silben eine solche Abwechselung von Vokalen und Konsonanten auf weisen, daß sie so, wie sie geschrieben find, nach dem deutschen Sprachgebrauch oder nach dem Gebrauch einer der andern vor erwähnten Sprachen ausgesprochen werden können. Dagegen sind in der verabredeten Sprache solche Wörter nicht zulässig, die eine in der vorgenannten Sprache nicht aussprechbare Anhäufung von Konsonanten oder Vokalen enthalten. Von derartigen Wörtern würden wie bei den Buchstabengruppen der chiffrierten Sprache je fünf Buchstaben als ein Wort gerechnet werden. Wörterbildungen, die durch sprachwidrige Zusammenziehung zweier oder mehrerer Wörter der offenen Sprache entstanden sind, werden in Tele grammen mit verabredeter Sprache nicht zugelassen. 761