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9306 Börsenblatt s. b Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. 219, 19. September 1907. Übereinkunft etwa Anlaß nehmen, die Beibringung einer Be scheinigung über die Erfüllung dieser Förmlichkeiten zu fordern, ist in Artikel 4 ausdrücklich die gerichtliche Geltendmachung der Urheberrechte von dem Nachweis der Erfüllung irgend welcher Förmlichkeiten unabhängig gemacht worden. Hingegen ist diese radikale Lösung nicht ausdrücklich auf die Bedingungen zum Schutze ausgedehnt worden, für die also gegebenenfalls noch immer der jetzige Artikel 2 der Berner Konvention (Erfüllung der Bedingungen im Ursprungs land) zu gelten hätte. Freilich sind in den beiderseitigen Gesetzen keine ausdrücklichen Bedingungen normiert. Die von Artikel 7 der Berner Konvention aufgestellte Bedingung des Vorbehalts auf Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln bleibt bestehen. Der Vorbehalt des Aufführungsrechts wird ab geschafft. Das neue deutsche Gesetz von 1907 hat auch die früher an den Schutz der Photographien geknüpften Be dingungen beseitigt, so daß der genannten Einschränkung der praktische Hintergrund fehlt. 5. Die abgeleiteten Rechte und ihr weitergehender und rückwirkender Schutz. Die Ergänzung d. h. Verbesserung des Rechtszustandes im Verbände ist nach zwei Richtungen, hinsichtlich des über- setzungs- und des Aufführungsrechts, durchgeführt worden, jedoch ausdrücklich nur für die zum ersten Male auf dem Gebiete der beiden Vertragsstaaten herausgegebenen Werke. a) Übersetzungsrecht. — Der Fortschritt erhellt am deutlichsten durch die Gegenüberstellung der Lösung der Berner Konvention und derjenigen des Vertrags: Revidierte Berner Konvention, Art. 5. Den einem der Verbands länder avgehörigenürhebern oder ihren Rechtsnachfolgern steht in den übrigen Ländern während der ganzen Dauer ihres Rechtes an dem Original das ausschließ liche Recht zu, ihre Werke zu übersetzen oder die Übersetzung derselben zu gestatten. Jedoch erlischt das ausschließliche über setzungsrecht, wenn der Urheber davon nicht innerhalb zehn Jahren, von der ersten Veröffent lichung des Ociginalwerkes an gerechnet, in der Weise Gebrauch gemacht hat, daß er in einem Aerbandsland eine Übersetzung in der Sprache, für welche der Schutz in Anspruch genommen werden soll, sei es selbst ver öffentlicht hat, sei es hat ver öffentlichen lassen. Vertrag von 1907, Art. 2. Z 1. Den Urhebern von Werken, weiche zum ersten Male in dem Gebiet eines der beiden vertrag schließenden Teile veröffentlicht worden sind, steht im Gebiete des anderen Teiles während der ganzen Dauer ihres Rechtes an dem Originalwerke das aus schließliche Recht zu, ihre Werke zu übersetzen oder deren Über setzung zu gestatten, ohne daß es erforderlich wäre, daß der Urheber von seinem aus schließlichen Recht der Übersetzung innerhalb der im Artikel b der Berner Übereinkunft vorgesehenen Frist von zehn Jahren Gebrauch gemacht hat. Wie ersichtlich, ist nunmehr durch den Vertrag die völlige Gleichstellung des Übersetzungs- mit dem Verviel fältigungsrecht proklamiert und die Benutzungsfrist von 10 Jahren ausdrücklich fallen gelassen worden. Diese Fassung zeigt aber auch sogleich den Irrtum derjenigen, die annahmen, die Franzosen könnten in Deutschland ein ebensolange dauerndes Übersetzungsrecht wie zu Hause geltend machen (50 Jahre post mortem auctoris, nach dem Gesetze des Ür- sprungslandes) und die Deutschen könnten ihrerseits in Frankreich einen derart verlängerten Übersetzungsschutz (nach dem Gesetz des Einfuhrlandes) beanspruchen. Das Übersetzungsrecht besteht während der ganzen Dauer des Rechts am Originalwerke. Wir haben aber oben gesehen, daß das Vervielfältigungsrecht nach dem Grundprinzip der Berner Konvention weder nach einer einheitlichen Schutzdauer, noch nach Maßgabe der Schutzdauer des Einfuhrlandes, sondern nur nach der Kombination der ungleich langen Schutzfristen berechnet wird, wobei die kürzere, iu casu die Frist von 30 Jahren x. m. a., die Norm ab gibt. Die verfehlte Auslegung, die eine Verlängerung des Übersetzungsschutzes um 20 Jahre über diese Schutzfrist hinaus ergeben hätte und daher verschiedene deutsche Verleger, namentlich solche von französischen ins Deutsche übersetzten Memoirenwerken, ernstlich beunruhigte, wurde ausdrücklich abgewiesen durch eine offiziöse Einsendung in die »Nord deutsche Allgemeine Zeitung« (Nr. 21 vom 26. Mai 1907) und fast gleichzeitig widerlegt vom Verfasser dieser Abhandlung.*) Auch für Frankreich besitzen wir ein Dokument, welches das hierin geltende Recht mit aller Klarheit darstellt; es ist dies der Bericht des Senators Millaud, der sagt (S. 4), der Artikel 2 gebe durch Beseitigung der Benutzungsfrist von 10 Jahren den Autoren beider Länder ein Übersetzungsrecht, das so lange dauere wie das Recht am Originalwerke, c'cst-L-äirv, sn kalt, — fügt er bei — uns äurcc äc trcnts ans ä äatsr äs la mort äc l'autcur. Um diese kürzere Frist noch be sonders zu betonen, setzt Senator Millaud folgenden be zeichnenden Nachsatz hinzu: »Es schien den Unterhändlern gegenwärtig nicht möglich, die Schutzdauer über die vom deutschen Gesetze gewährten dreißig Jahre aus zudehnen.« Lt nunc cruäimini. Die Gleichstellung beider Rechte hatte in den gegen seitigen Beziehungen schon durch den Notenaustausch von 1903 bestanden, und zwar, wie wir oben nachgewiesen haben, vom 13. Juli 1903 an; sie bezog sich damals sogar auf die von Deutschen oder Franzosen in irgend einem Lande heraus gegebenen Werke. »Der Notenwechsel verliert mit der Auf hebung der bisherigen deutsch-französischen Übereinkunft seine rechtliche Grundlage«, sagt die deutsche Denkschrift; somit fallen auch die damals an denselben geknüpften Folgerungen betreffs rückwirkender Kraft (s. o.) dahin. Die rückwirkende Kraft der neuen Bestimmung ist selbständig im neuen Vertrag geordnet und zwar durch Übergangsbestimmungen, »die aus Gründen der Billigkeit und zum Schutze wohlerworbener Rechte zu treffen waren«. (Denkschrift.) Hauptgrundsatz ist das in Artikel 14 der Berner Konvention aufgestellte Prinzip, wonach die Aus dehnung des Schutzes allen vorhandenen Werken zukommt, die am 31. August d. I. in ihrem Ursprungsland noch nicht Gemeingut waren. Wenn jedoch vor diesem Tag eine Über setzung erlaubterweise ganz oder teilweise erschienen ist, so darf der Übersetzer sie weiterhin vervielfältigen, verbreiten und aufführen. Es gilt somit als Regel der absolute Schutz des Über setzungsrechts an allen bis jetzt in Frankreich erschienenen Werken, für die der bis 30 Jahre p. w. a. dauernde Schutz in Deutschland noch nicht abgelaufen ist: 1. wenn bis zum 31. August 1907 gar keine Übersetzung erschienen ist, 2. gegen über jeder neu hinzukommenden dritten Person, die nur noch mit Erlaubnis übersetzen darf. Ausgenommen ist einzig und allein die Übersetzung, die am 31. August 190? ganz oder teilweise erschienen war und die einen Freibrief erhält, also fortbestehen darf. Der Situation entsprechender wäre es gewesen, nicht vom Erscheinen »vor dem Inkrafttreten dieser Über einkunft«, sondern vom Erscheinen »vor dem Noten austausch vom 2. Juni /13. Juli 1903« zu sprechen, da es ja nach jenem Notenaustausch keine neue ungenehmigte Übersetzung mehr hat geben sollen. Man betrachtete offenbar die Zeit vom 13. Juli 1903 bis 31. August 1907 als eine Art Übergangsstadium. Die deutsche und die französische Fassung zeigen nun aber in dieser Vorschrift eine bedauerliche Abweichung: Nicht *> S. Börsenblatt Nr. 120 vom 27. Mai 1907: -Der neue deutsch-französische Literarvertrag und die Dauer des Übersetzungsrechts-.