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Redaktioneller Teil. 38, 16. Februar 1916. gart infolge des Eingreifens des Buchhandels die Bücher- frage in einer für unseren Berus erfreulichen Weise in Fluß gekommen. Zum Kapitel der Bllcher-Liebesgaben darf hier auch Wohl die Aussprache erwähnt werden, die die Firma Robert Lutz mit einem hiesigen Pfarrer im Schwäbischen Merkur wegen ihrer Kriminal-Romane hatte. Sie waren von besagtem Herrn in einem »Eingesandt« unter der Spitzmarke »Auch Verbrecher-Romane ins Feld?» angegriffen worden, worauf die Firma Lutz ihre Schützlinge unter Hinweis auf Fürst Bismarck, Blllow, den Physiker Bunsen und Heinrich Lhotzky kräftig verteidigte. Der Württembergische Goethcbund hat in diesem Jahre einen Jahresbericht für die beiden Jahre 1. Oktober 1913/14 und 1914/15 mit dem Plan der Veranstaltungen im Winter 1915/16 herausgegeben, nachdem im vorigen Jahre weder ein Jahresbericht erschienen war, noch eine Mitgliederversammlung stattgefunden hatte. Wenn der Mttgliederabgang im letzten Jahre trotz des Weltkrieges nur 749 betrug (bet einem Stand der Einzelmttglieder von 5076 am 1. Oktober 1914t, wenn über 60 Vereine angeschlossen blieben, so ist das gewiß auch ein Zeichen der wirtschaftlichen Kraft unseres Volkes und zu gleich ein Beweis, wie sest der Goethebund, der jetzt im 16. Geschäftsjahre steht, Wurzel geschlagen hat. Für den Winter 1915/16 sind 10 Volksvorlesungen, 30 Theatervorstellungen (dar unter 1 Oper, 5 Schauspiele) und 6 Volkskonzerte vorgesehen. Die Landesmutter Königin Charlotte von Württemberg hat angeordnet, daß auf Mosten ihrer Privatkasse jeder Ver- Mundete in württembergischen Lazaretten ein Buch im Werte von l erhält. Wirkt der Goethebund für die Vertiefung der inneren deutschen Kultur, so hat uns der Württembergische Verein für Handelsgeographie in seiner am 1. Dezember v. I. eröfsneten Sonderausstellung »Kunde des Auslanddeutschtums« im Lindenmuseum einen erhebenden Ausblick auf den Stand der deutschen Kultur im Auslande geboten. Sie ist als Vorläufer eines.Museums für Kunde des Auslanddeutschtums gedacht, das in der schwäbischen Landeshauptstadt errichtet werden und dermaleinst, wenn sich alle Träume verwirklichen, ein Gegen stück zum Deutschen Museum in München und zum Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg werden soll. Bis dahin wird ja nun noch viel Wasser den Neckar hinunterflietzen, aber was hier für den Anfang geboten wird, ist so vielverhcißend, daß man an dem glücklichen Fortgang nicht zweifeln kann. Die ersten Keime der Ausstellung, das sollten wir Buchhändler uns merken, sind in der Leipziger »Bugra« zu suchen. Dort sah eines der Vorstandsmitglieder unseres Stuttgarter Vereins für Handelsgeographie die von Herrn vr. jur. et plül. Hugo Grothe zusammengestellte Abteilung für Auslanddeutschtum und sagte sich, daß dies alles und noch mehr auch in Stuttgart ausgestellt werden müsse, wo man sich längst mit derartigen Plänen getragen hat. Herr vr. Grothe hat die Überlassung der Gegenstände jener Leipziger Sonderausstellung nach hier vermittelt, und jetzt in der Kriegszeit empfinden wir ihre Bedeutung doppelt. Mannigfaltige Gedanken löst diese Aus stellung aus: ein Hochgefühl über die Bedeutung des Deutsch, tums im Auslande und Ingrimm über die Verfolgungen, die es sich jetzt gefallen lassen muß. Beim Betrachten der aus gestellten Photographien, wie z. B. des Eisenbahnwagens mit der deutschen Inschrift »Schantungbahn« und der riesigen Eisenbrücke über den Hoangho, beide hervorgegangen aus der Nürnberg-Augsburger Maschinenbau A.-G., oder des plasti schen Modells der Baulichkeiten der deutschen Medizin- und Ingenieurschule für Chinesen in Schanghai, begreifen wir erst recht, daß John Bull vor Neid bersten mußte, wenn er das Wachsen der deutschen Industrie im Auslande sah. Die aus gestellte reiche Literatur unserer wackeren Kollegen in den baltischen Ostseeprovinzen läßt die Hoffnung wachsen, daß die deutsche Kultur dort allezeit eine Heimstätte finden wird und die deutschen Fahnen bald in Riga wehen werden. Die feste Gewißheit nehmen wir aus der Ausstellung mit, daß England mit diesem Kriege noch schlimmere Erfahrungen machen wird! 172 als damals, da er die Marke Macke ia Llermanz-- einführte, die schließlich ein Ruhmestitel der deutschen Industrie wurde. Wie Hohn erscheinen uns die Abbildungen der Denkmäler deutscher Kulturpioniere in Japan. Mit besonderem Inter esse wird der Buchhändler die Bilder aus der Prtvatkolonie Neu-Württemberg in Rio Grande do Sul, dem Kolonisations- Unternehmen von vr. Hermann Meyer in Leipzig, betrachten. In Anschluß an diese Ausstellung seien auch hier, nach den Gedenkarlikeln des Schwäbischen Merkur, zwei Männer erwähnt, die als Pioniere des Deutschtums, zugleich als eifrige Schriftsteller sich ein bleibendes Gedächtnis in Württem, berg gesichert haben: August Kappler und Christoph Hofsmann. August Kappler, am 10. November 1815 in Mannheim ge boren, verlebte in Stuttgart den Rest seines Lebens, dessen größten Teil er über See zugebracht hatte. Er ist der geogra phische Pionier für Holländisch. Guiana, für Surinam ge worden, und seine Werke hierüber sind in Stuttgart er- schienen (»Holländisch-Guiana«, 1881 bet Kohlhammer,- »Suri nam«, 1887 bei Cotta). Schon 1865 hat er im »Ausland« die Gründung eines geographischen Museums angeregt. Christoph Hoffmann, am 2. Dezember 1815 geboren, ist der Gründer der deutschen Templergemeinden in Palästina (Haifa, Jaffa, Sarona und Jerusalem), die künftig, nach dem Welt kriege, eine noch größere Bedeutung für das Deutschtum er halten werden; es waren religiöse Gründe, die diesen pieti- stischen, schwärmerischen Schwaben zur Auswanderung per- anlaßten. Aus dem Jahresbericht der Württembergischen Btbelanstalt sei als für die Krtegszett besonders bemerkenswert hervor gehoben, daß für die Gefangenen in Lager und Lazarett das Matthäusevangelium und der Psalter in französischer und russischer Sprache gedruckt worden sind. Das fünfundzwanzigjährige Jubiläum der Union Deutsche Verlagsgesellschaft, die am l. Januar 1890 durch Ver einigung der Firmen Gebr. Kröner, Hermann Schönletn und W. Spemann gegründet wurde, ist nach außen hin im Ge tümmel des Weltkriegs sang- und klanglos vorübergegangen, da nach einer Zeitungsnotiz die Geschästsleitung mit Rücksicht aus den Krieg von einer Jubiläumsfeier abgesehen hatte. Den Angestellten wird der Tag dennoch in bester Erinnerung verbleiben durch die reiche Jubiläumsgabe von 125 000 Mark, die »an sämtliche Angestellten und Arbeiter, die aus den bor- ausgegangenen 25 Jahren noch in ihren Diensten stehen, ein schließlich der im Felde sich befindenden, sowie der Familien der mittlerweile gefallenen Angestellten und Arbeiter« zur Verteilung gekommen ist. Da sür später ein Jubiläums, katalog in Aussicht genommen ist, so wird sich noch Gelegen heit bieten, auf diese für den Stuttgarter Buchhandel und -die Stuttgarter Druckkunst so bedeutungsvolle Firma zurück- zukommen, deren »Weltkrieg« sür den Sortiments- und Kolportagebuchhandel einen ungewöhnlichen Erfolg gehabt hat. Im Etngangsflur der »Union« hat seit Beginn des Jahres der erste Opserstock in Württemberg Aufstellung ge funden, eine kunstvolle Arbeit des Bildhauers Rudolf Stöcker. Solche Opferstöcke sollen im ganzen Lande ausgestellt werden, als weitere Mahner an die Opferwilligkeit zur Linderung der Kriegsnot. Und nun zum Schluß noch eine kleine Friedens-Episode des alten Jahres aus dem Weltkriege! In Mtchel- bach a. d. Haide ist im November v. I. eine durch Stuttgarter Architekten umgebaute Kirche eingeweiht worden. Der kleine schwäbische Ort war früher 300 Jahre lang brandenburgisch, und in Erinnerung hieran hatte der Ortsgetstliche anläßlich der Beendigung des Umbaues ein Huldigungsschreiben an den Kaiser gelangen lassen. Seine Antwort bestand in dem Ge schenk einer stlberbeschlagenen, mit eigenhändiger Widmung versehenen Altaibibel, die, mit einem Glückwunsch des Preußischen Gesandten in Stuttgart, am Morgen des Festtages cintraf. Diese Liebesgabe des Kaisers an eine kleine schwä- bische Gemeinde inmitten der Wirren des Weltkriegs zeigt in schöner Weise die Pflichttreue unseres obersten Kriegsherrn. Nesendächler.