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3396 Nichtamtlicher Theti. 187, 14. August. 20,000 M. ergibt nach Abzug von nur 15 ?b Rabatt einen Brutto gewinn von höchstens 2500 M. Rechnen wir die vermehrte Ar beitskraft und die erhöhten Geschäftsspesen, Porti re., so wird wohl an Reingewinn wenig übrig bleiben. Dazu kommt aber noch der Verlust an dem früheren Umsatz, dessen Resultat durch den Rabatt mit geschädigt wird; von der Entwerthung eines solchen Geschäfts gar nicht zu reden; denn wer will ein Sortiment kaufen, das keinen Nutzen mehr abzuwerfen im Stande ist! Die Gefahr für die innere Entwerthung des Sortiments, die auch der Wies badener „Protest" zutreffend andcutet, ist ein nicht zu unter schätzender Factor in dem gegenwärtigen Kampf. So mancher Sor timenter sieht sich im Handumdrehen um die Früchte seiner sauren Arbeit gebracht, die vielfach ganz wesentlich mit darin liegen, daß ein rentables Sortiment zu einem civilen Preis weiter verkauft werden kann. Wie manche Geschäftsinhaber waren nur dadurch in den Stand gesetzt, ihre Verpflichtungen gegen den Verlagshandel ehrenvoll zu erfüllen, daß sie, vor gänzlichem Ruin, wenigstens das Geschäft noch anständig verkaufen konnten! Und wenn der „Pro test" behauptet, die Kundschaft hänge nicht mehr an der Firma, sondern an der Person, so ist dies nur insofern richtig, als eine un genügende Persönlichkeit auf die Dauer das Geschäft nicht in Blüthe erhalten wird. Im Uebrigen ist es dem Publicum ganz einerlei, ob der Besitzer in Zukunft Hinz oder Kunz heißt. Wir haben oben die Continuationsliften den Nerv des Sor timenters genannt. Nehme man diese aus dem Geschäft und der Rest, auch wenn das schönste Lager vorhanden wäre, ist nichts mehr Werth. Selbstverständlich ist aber eine Continuationsliste nur noch Maculatur, wenn die Artikel mit 10—20U Rabatt geliefert werden müssen. Und nun gestatte man uns im Anschluß hieran noch ein Wort über das sogenannte „Verbandscircular" und die Erklärung einer Reihe der angesehensten Leipziger Verlagshandlungcn. Wir wissen nicht, ob 10, ob 20, ob 100, oder mehr Unterschriften bei der Com mission eingegangen sind, begreifen aber, daß die unbedingte Unterschrift für viele Verlagshandlungen nicht leicht ist, für manche am Ende ganz unmöglich, obwohl sie der Sache mit Wohlwollen zu- gethan sind. Der Satz, daß die Schleuderet, d. h. die unmäßige Preisherabdrückung neuer Bücher ein nicht zu duldendes Uebel ist, das, wie der Schwamm im Hause, das ganze Gebäude des Buch handels über kurz oder lang zu Fall bringen muß, hat unseres Wissens bis jetzt noch keinen Widerspruch erfahren; er wird auch nicht wohl widerlegt werden können, und so glauben wir auch, daß viele Verlagshandlungen, die sich dem von der Verbands-Commis sion vorgeschlagenen Schritt nicht activ anschließen können, doch passiv anschließen werden. Wir bedauern aber, daß ihnen in dem Circular nicht die Möglichkeit gegeben ist, diesem Standpunkt Aus druck zu geben. Wäre es nicht zweckmäßig gewesen, durch einen Schlußsatz diejenigen Verlagshandlungen, welche sich den Wort laut der Erklärung oder gar die beigegebenen Motive nicht in allen Theilen aneignen können, zu einer motivirten Antwort heraus- zusordern? Es würde dies geeignet gewesen sein, manchen Mißver ständnissen vvrzubeugen, oder sie zu beseitigen. Andererseits vermißten wir bis vor kurzem aus Seite der Verlagshandlungen in ihrer Gesammtheit die richtige Stellung zu der seit Zähren nun einmal brennenden Frage der „Schleuderei". — „Ja wir erkennen das Uebel als solches an, wir sehen seine Ver derblichkeit ein, aber wir können euch nicht helfen; helft euch selbst; die Provinzialvereine sind das geeignete Mittel, dagegen anzu kämpfen; ordnet eure Angelegenheiten erst im eigenen Hause und dann kommt wieder." Das sind so ungefähr die oft gehörten Be merkungen aus den Kreisen des Verlags. Daraus erwidern wir Folgendes: In Wiesbaden besteht, wie Jedermann im Buchhandel! wissen kann, ein Verein von Buchhändlern, der den ehrlichen Willen hat, sich in den Büchcrpreiscn nicht zu unterbieten, in colle- gialischcm Verkehr Differenzen auszugleichen ic. -c. Dort sitzt gleichzeitig ein Störenfried, der sichs zur Aufgabe gemacht zu haben scheint, gerade dieses Einvernehmen der College» im entgegen gesetzten Sinne auszubeuten. Derselbe erläßt eine» „Protest", gerichtet an den Verlagshandel; dieser „Protest" findet im Börsen blatt eine öffentliche Verbreitung und erfährt von Seiten der Ver leger, an die er doch gerichtet ist, und die wiederholt zugestandcn haben, daß die Schleuderei ein Uebel sei, — noch nicht einmal die gebührende Zurückweisung, sondern im Gcgentheil, die abweisende Erklärung hervorragender Leipziger Verlagshandlungen gegen über dem Vcrbandscircular wird im gleichen Börsenblatt (etwa als zuslimmende Antwort aus den Protest?) mit abgedruckt. Wir wollen gern zugeben, daß diese Zusammenstellung eine ganz ab sichtslose gewesen ist; aber man möge sich nicht wundern, wenn sie im Lande bemerkt wird und wenn dadurch Vorurtheile gegen Leipzig genährt werden. In Zukunft also etwas vorsichtiger, Ihr Herren in Leipzig!*) Wir glauben überhaupt, es wäre in dieser brennenden Frage, die nun einmal von der Tagesordnung nicht mehr wegzubringen ist, richtiger gewesen, wenn die Verlagshand lungen, statt sich das Terrain Fuß für Fuß abkämpsen zu lassen, die Frage selbst beim Schopf ergriffen und sie einer befriedigenden Lösung entgegcngeführt hätten. Es existiren in Leipzig, in Berlin, in Stuttgart Verlegervereine. Was hätte es geschadet, wenn diese Vereine eine Conserenz mit Zuziehung hervorragender Sortimenter, auch der Groß-Sortimenter und vielleicht einiger Commissionäre, zur Untersuchung des Uebelstandes und zu dessen möglichster Be seitigung zusammengerusen hätten, statt die Erledigung solcher Fragen dem Börsenverein, oder gar den an sich unmächtigen Local- vercinen zu überlassen! Ein solcher Schritt hätte vor allem gezeigt, daß der Verlagshandcl in seiner Gesammtheit das Uebel der Schleuderei als dem Gemeinwohl des Buchhandels, Sortiment wie Verlag, schädlich erkennt, und hätte einer Verschärfung der Gegen sätze zwischen diesen beiden Factoren des Buchhandels von vorn herein die Spitze abgebrochen. Hoffen wir, daß das Versäumte durch eine recht umfangreiche, und sei es auch nur moralische Unter stützung des Verbandscirculars wieder gutgemacht werde. Wir sind nicht so sanguinisch, zu glauben, daß damit das Uebel ganz aus der Welt geschafft wird, aber es wird mehr und mehr sich in Schlupfwinkel verkriechen müssen und zuletzt wird es vielleicht doch noch gelingen, auch diese letzten Schlupfwinkel zuzustopfcn. Und nun noch ein kurzes Wort über den zweiten Theil unserer Plauderei: Springer contra Hendschel. Es ist uns einerlei, ob Jemand lieber mit dem Telegraph oder mit dem Reichs-Kursbuch reist, ob das Papier dort besser ist oder hier; auch mit dem Post vertrieb an sich gedenken wir uns hier nicht zu beschäftigen. Was uns veranlaßt, diese Angelegenheit in Parallele zu stellen mit der Angelegenheit Keppel L Müller contra Limbarth, ist lediglich ein Punkt in dem Springer'schen Circular vom 19. Juli, wo es nämlich heißt: „Geschädigt können hierdurch nur meine Concurrenten werden und die will und Muß ich schädigen**), wenn ich selbst emporkommcn will — das liegt eben in der Concurrenz." Wir fragen: Liegt das wirklich in der Concurrenz, daß der Gegner *) Aus diese wunderliche Hypothese kann die Red. d. Börsenbl. hiermit die beruhigende Erklärung abgeben, daß die Ausnahme der ge nannten zwei Artikel, wovon der eine ans Leipzig, der andere aber ans Wiesbaden kam, lediglich nach der äußeren Sachlage erfolgte und ihr Zusammentreffen in einem und demselben Blatte durchaus nur aus einer Zufälligkeit beruht. *") Das Wort „schädigen" vom Verfasser dieses Artikels im Satz gesperrt.