Volltext Seite (XML)
114 Nichtamtlicher Theil. L? 8, 12. Januar. Nichtamtlicher Theil. Aus der Frankfurter Fastcnmcssc 1569.*) Ju den sechziger Jahren des sechzehnten Jahrhunderts heira- thcte ein gewisser Michel Harder, ein geborncr Zwickauer, die Wittwe eines Frankfurter Bürgers und trat dann selbst in den Bür gerstand der alten Stadt am Main ein. Und das Geschäft, das er daheim getrieben, betrieb er nun auch in Frankfurt; denn daß er Buchdrucker früher gewesen und auch weiterhin blieb, bezeugen aus uns gekommene Urkunden. Doch auch eine Buchhandlung besaß Harder. Freilich, die Bücher, die aus seinen Pressen hervorgingcn, gehörten nicht zu den schwerwiegenden wissenschaftlichen Werken, dem Mobiliar der Ge- lchrtenstubcn. Was er druckte und von fremden Drucken verkaufte, zählte vielmehr zu der Gattung, die durch die Reformation stark in Schwung gekommen war: Bücher volksthümlichen Inhalts, Erzäh lungen und Schwänke, Arzneibücher, Rechenbücher, darunter das von Adam Rise, Kochbücher und Verwandtes, Schriften zur Unterhal tung und Belehrung der mittleren und unteren Stände, denen die von den Reformatoren ausgehende Anregung Streben und Neugier gleichmäßig geweckt hatte; daneben jedoch auch Erbauungsbüchcr verschiedener Gattung, Bibclausgaben, des Erasmus oollvguia und Anderes, vor allem aber die Hauspostill „ober die Sontags vnd der sürnemeften Feste Evangelien durch das gantze Jar, von v. Llar- tino I-atbero seligen gepredigt". Mit solcher Literatur also wohl ausgerüstet haben wir uns Michel Hardcr's Gewölbe zu denken zur Zeit, da die Messe be ginnt. Der Mann selbst steht zwischen den Stößen gedruckter Bogen, der Besucher und Käufer gewärtig. Und vor ihm auf dem Packtisch liegt neben Bindfaden, Maculatur und Packmesser ein neues Schreib heft, dabei eine frisch geschnittene Feder. Ein Glas mit Dintc voll endet die geschäftliche Ausrüstung des Gewölbes. In besagtes Schreibheft pflegt Michel Harder in jeder Messe das einzutragen, was die Geschäftsfreunde von ihm entnehmen. Er schreibt eine leidliche Hand; was er schreibt, läßt sich wohl lesen, aber unfehlbar ist er nicht. Er macht hier und da einen Fehler, dann tilgt er ihn, sofern er ihn bemerkt, aber das ist nicht immer der Fall, und dann läßt er ihn eben stehen. Wohl findet er ihn aber, wenn er die verkauften Bücher und die gezahlten Beträge in sein großes Ge schäftsbuch cinträgt. Denn wir haben in dem Heft, das sich in der laufenden Messe mit zahlreichen Posten füllt und in der nächsten Messe nur noch zum Vermerk von Abschlags-. oder Bollzahlunge» dient, im klebrigen aber von einem neuen unbeschriebenen Heft ersetzt wird, doch wohl nur das Schmierbuch der Firma Harder zu sehen, aus dem sich dann in den ruhigen Stunden der Nichtmeßzcit das Hauptbuch der Firma entwickelte. Die Fastenmcssc des Jahres 156g begann für Michel Harder's Meßmcmorial**) am 2g. März. An diesem Tag also nahm unser Laer L 60. Irrels 1 Dbte. 10 x-t. **) Der Ausdruck „Memorial" für Hardcr's Buch ist nicht ganz zu treffend. Memoriale nannte man im 18. Jahrhundert und wohl auch früher von seinem Geschäftsfreund sich ausbat. Und noch heute versteht der Berliner Buchhändler unter „Memorial" das Buch, in das der Berliner Sortimenter den Berliner Verlag einschreibt, den er nicht auf Zettel vom Verleger will einholen lassen. Harder selbst nennt sein Hest ein „Register". Es handelt sich also um ein Verzeichnis; der von Harder in der Messe verkauften Bücher nebst beigefügten Preisen. Dafür mochte die aus dem Kausmannsleben genommene Bezeichnung „Memorial" immerhin in Er- 4° 12H (Hellers 21 ll „ 33 „ 24 8 zck 19 7 I0lb 20 (Schillinge) (Heller) Frankfurter Buchhändler sein neues, für die Messe hcrgestelltes Hest und schrieb auf das erste Blatt: „Register Fastcnmeß Anno Kg .Inz-olängoo äen 29. Slurtii." Der Erste, der erschien, seine Einkäufe zu machen, war der Buchhändler Kilian Han von Frankfurt a/M., und Michel Harder schrieb nun weiter „Ililinu Hau von lkrauolrtnrt von inirNiobsILaräoru oiuxtauAau «is folget, lürstlicbeu" und nun folgen die elf einzelnen Artikel, die Kilian Han kaufte. Es sind die nachstehenden: 1 Liberins Uazuns. . . 1 üleusebeukresser . 1 kVasserbreuuer Voglers 1 karacelsus eomplet . . 1 tlross Llaueteubuob . 1 Ille in Lluueteubaob . 1 Nockelbaeb .... 1 Lebiltberger .... Man sicht, Kilian Han muthete seinem Geldbeutel nicht allzu viel zu. Von den elf Büchern, die er aus Harder's Gewölbe mit nahm, kostete das wohlfeilste 7 Heller, das thcuerstc, der Paracelsus, 8 Schillinge. Und als Michel Harder unten die Summe zog und zu dem Behuf erst die Heller zusammenzählte, ergab sich ihm der Be trag von 16614 Heller. Unter die Heller schrieb er sodann den Be trag der Schillinge (auch der Gulden, sofern deren in der betreffen den Rechnung Vorkommen). Und darunter steht dann auf Kilian Han's Conto das aus Hellern und Schillingen sich ergebende Soll in der Höhe von 18 /§ 7 L. Nach Kilian Han, der einem auf Drucken damaliger Zeit nicht selten vorkommenden Frankfurter Druckergeschlechte angehörte, er schien in der Fastenmessc 1569 dann weiter Jvsias Mcchel von Basel, Andreas Eschcnbergcr von Nürnberg, Ernst Vögelin von Leipzigk und Andere. Sie alle hatten größeren oder geringeren Be darf an Büchern der von Harder gepflogenen Richtung, nahmen was sie brauchten in einfacher oder mehrfacher Anzahl, kamen auch Wohl zum zweiten Male wieder, weil sie beim ersten Besuch das oder jenes zu kaufen vergessen hatten. Michel Harder aber, der auch Maculatur und Manufcripte verkauft zu haben scheint — daraus deuten zwei Conten seines Meßregisters —, zog dann am Schluß der betreffenden Seite regelmäßig die Summe nach Gulden, Schil lingen und Pfennigen — auch Batzen kommen vor —, je nach dem das nöthig war — und verzeichnet?, wenn ihn der Geschäfts freund in die erfreuliche Lage versetzte, eine Geldcinnahme vor sich fehen zu dürfen, auch Zahlungen in seinem Register. Aus diesem ergibt sich zunächst kein Anhalt dafür, daß Harder Tauschgeschäfte gemacht hat. Es weist nur Bücher auf, die zu einem höchstens durch Jrrthum veränderten, sonst aber streng scstgehaltcncn Preise angcsetzt und den Geschäftsfreunden, sofern diese nicht baar bezahlen, in Rechnung gestellt werden. Diese selbst war eine halb jährige, auch wohl eine ganzjährige. So entnimmt Georg Müller einige Bücher mit der Verpflichtung, sie „auf ein Jar zu bezalcn". Aber Harder besann sich dann eines Klügeren und änderte den Sinn dieser Worte durch Einfügung des Wortes „halb" und hing unten am Schluß die Bemerkung an: „Soll alles so auff ein Jar vnd auch ein halb Jar genommen gütlich uachstkommcnde Herbstmeß 69 laut seiner Handtschrifft laut (?) nach allein abzug 84 fl. bezalt