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Schaffung der Sonderrabatte gerichtete Gegenbewegung mehr an Bedeutung gewonnen habe, so seien doch die Anschauungen des Verkehrslebens noch nicht so gewandelt, daß Sonderrabatt all gemein als unsittlich angesehen werde. Daran könne auch die Tatsache nichts ändern, daß eine Reihe von Handels- und Ge werbekammern — wie z. B. die von Dresden, Chemnitz u. a. — das Sonderrabattsystem als den Kleinhandel schwer schädigend bezeichneten. — In dem jetzt entschiedenen Falle war der Dresdener Verein gegen Unwesen im Handel und Gewerbe die beklagte Partei und Kläger der Verein Dresdener Geschäftsinhaber. Der beklagte Verein, dessen Vorsitzender der bekannte Mittelstands- sührer Rechtsanwalt vr. Kohlmann in Dresden ist, hatte nämlich für Anfang Mai 1911 in Dresden öffentliche Versammlungen ein- berufen, in denen dem kaufenden Publikum nachgewiesen werden sollte, daß die Gewährung von Sonderrabatten an einzelne Käufer- klassen unzulässig und unsittlich sei und eine Schädigung der andern Käufer bedeute. In den Ankündigungen war außerdem gesagt, es werde sich bei diesen Versammlungen nicht vermeiden lassen, die Namen der Dresdener Geschäfte zu nennen, die Sonderrabatt gewährten. Der Verein Dresdener Geschäftsinhaber erwirkte gegen den Schutzverein zunächst eine einstweilige Verfügung, durch die diesem sein Beginnen untersagt wurde. Später strengte der Geschäftsinhaberverein auch noch die ordentliche Klage an, mit der dem beklagten Schutzverein verboten werden sollte, »unter Namensnennung von Geschäftsleuten in öffentlichen Versamm- lungen Behauptungen des Inhalts aufzustellen, die Gewährung von Sonderrabatt sei unzulässig und unsittlich und schließe eine Schädigung der übrigen Käuferschaft in sich«. Der beklagte Verein bestritt zunächst, daß der Verein der Dresdener Geschäfts- inhaber überhaupt zu dieser Unterlassungsklage legitimiert fei. Denn den Verbänden zurZ Förderung gewerblicher Interessen stehe ein Klagerecht gemäß § 13 des Gesetzes nur in den Fällen des § 1 oder § 3 des Wettbewerbsgesetzes zu, nicht aber in einem Falle wie hier, wo die Klage sich auf § 14 des Gesetzes stütze, der nur dem Verletzten selbst ein Unter sagungsrecht gegen unwahre Wettbewerbsbehauptungen gewähre. In der Sache selbst machte der beklagte Verein erneut geltend, der Sonderrabatt sei unsittlich und diese Behauptung sei also nicht »unwahr«. Das Landgericht Dresden hatte der Klage der Dresdener Geschäftsinhaber mit der Begründung stattge geben, eine Kritik des Sonderrabattsystems, wie sie der Beklagte geübt habe, sei zwar an sich nicht unzulässig, nur dürften Dritte dabei nicht namentlich genannt werden. Die Klagebefugnis stehe dem Kläger in Vertretung seiner durch die Behauptungen des Schutzvereins verletzten Mitglieder zu. Das Oberlandes gericht Dresden wies die dagegen eingelegte Berufung des Beklagten zurück. Es mißbilligte zwar die Ausführungen de- Landgerichtes, mit denen dieses die Klagebefugnis des Klägers begründet hatte, hielt sie aber aus anderen Gründen für gegeben. Der Unterlassungsanspruch des Klägers, dem Beklagten zu ver bieten, in Versammlungen und öffentlichen Mitteilungen die Namen von Geschäftsleuten zu nennen in Verbindung mit Be hauptungen des Inhalts, das Sonderrabattsystem sei unsittlich und führe zu einer direkten Schädigung der übrigen Käuferschaft, erfülle zwar, falls diese Behauptungen nicht erweislich wahr seien, in erster Linie nur den Tatbestand des § 14 des Wettbewerbs gesetzes, es sei aber unrichtig, wenn der Beklagte behaupte, dann sei der Kläger überhaupt nicht zur Klage legitimiert, weil das Klagerecht gewerblichen Verbänden nach § 13 des Gesetzes nur bei Verletzung von § 1 oder 3 des Wettbewerbsgesetzes zu stehe. Nach der ganzen Tendenz des Gesetzes, nach seiner Entstehungsgeschichte, nach der Begründung des Entwurfes und der Kommissionsberatung sowie nach der das ganze Ge setz beherrschenden Bedeutung des in § 1 geschaffenen General klausel (Verstoß wider die guten Sitten) müsse vielmehr an genommen werden, daß das Klagerecht gewerblicher Verbände, wenn § 1 des Gesetzes erfüllt sei, nicht deshalb ausgeschlossen sein solle, weil auch § 14 des Gesetzes, und vielleicht dieser in erster Linie, gegeben sei. In der Sache selbst müsse das Berufungs gericht auf seiner Auffassung bestehen bleiben, daß das Sonder- rabattsystem nichts Unsittliches enthalte und daß die dagegen eingesetzte Bewegung noch keinen so großen Boden gewonnen habe, daß sowohl Käufer als Verkäufer darin etwas Unsittliches sähen. Auch die Ausführungen der verschiedenen Handels kammern bezeichneten die Gewährung von Sonderrabatt nur als einen den Kleinhandel »schwer schädigenden« Mißstand, nicht aber als eine Unsittlichkeit. Die Behauptungen des Be klagten, daß Sonderrabatt unsittlich sei und die Käufer schaft direkt schädige, seien also zurzeit noch unwahr. Der Beklagte möge zwar gemäß seiner Tendenz bei Aufstellung dieser Behauptungen im guten Glauben gewesen sein. Aber auch ihm und seinem Vorsitzenden könne nicht entgangen sein, daß die von ihnen erstrebte Wandlung im Geschäftsleben tatsächlich noch nicht eingetreten sei. Vor allem aber habe sich der Beklagte niemals anmaßen dürfen, Geschäftsleute namentlich bloßzustellen; dieses Unterfangen sei ein auch im erlaubten Jnteressenkampfe unerlaubtes Mittel, dessen Unterlassung sowohl dem beklagten Verein wie auch dessen Führer Rechtsanwalt vr. Kohlmann gegenüber verlangt werden dürfe. Die von dem Beklagten beim Reichsgericht eingelegte Revision wurde als unbegründet zurückgewiesen. Das Reichsgericht stimmte dem Berufungsgericht darin bei, daß dem klagenden Verein Klage befugnis gemäß Z 13 des Gesetzes dann zustehe, wenn § 1 des Geseyes verletzt sei, und zwar auch dann, wenn in erster Linie der Tatbestand des § 14 des Gesetzes gegeben sei. Ohne Zweifel verstoße es nun wider die guten Sitten, wenn die Beklagten ihre unwahren Behauptungen unter Namensnennung von Ge schäftsleuten aufgestellt hätten. Und zwar müsse sich auch der mitbeklagte Anwalt die Anwendung des § 1 auf ihn gefallen lassen, wie jeder, der eine unwahre Wettbewerbsbehauptung im Interesse eines anderen aufstelle. ' . * Vergleicht man die vorstehenden Auslassungen mit einander, so zeigt sich wieder einmal, wie wenig es die Rechtsprechung versteht, mit den Bewegungen im Handel und Verkehr gleichen Schritt zu halten und den richtigen Maßstab für die Beurteilung eingetretener Schäden in unserem Geschäftsleben zu gewinnen. Wir haben bereits in früheren Artikeln die Stellungnahme der Handelskammern in der Frage des Sonderrabatts ausführlich dargelegt, da sie als die berufenen Vertreter der Handels interessen doch am besten in der Lage sind, sich ein richtiges Bild von der Gefahr der doppelten, drei- und vierfachen Ladenpreise machen zu können. Die Beurteilungen, die der Sonderrabatt von dieser Seite aus erfährt, erschöpfen sich nicht — wie dus Ober landesgericht Dresden annimmt — mit dem Hinweis auf einen nur den Kleinhandel »schwer schädigenden« Mißstand, und eben sowenig ist es zutreffend, daß sie darin keine »Unsittlichkeit« er blicken. Um diesen Irrtum zu kennzeichnen, stellen wir ihm die Anschauungen der nachstehenden Handelskammern gegenüber, wie sie ihren Ausdruck in der vom Börsenverein veranstalteten Enquöte gefunden haben. Von den befragten 142 Handelskammern des Deutschen Reiches ist auch nicht eine für die Extrawurst in Form des Sonderrabatts eingetreten. Vielmehr ist man sich in diesen Kreisen in ihrer Verurteilung durchaus einig, so verschieden auch die Form der Zurückweisung zum Ausdruck kommt: Dresden: Sonderrabatte sind entschieden als eine Unreellität zu verwerfen. Frankfurt a/O.: Gegen die S. muß mit allen Mitteln vorge gangen werden. Hamburg: S. sind als mit dem Ansehen und dem guten Ruf der Geschäftsinhaber unvereinbar zu bekämpfen. Hildesheim: gegen die guten Sitten verstoßend ab zuweisen. Kiel: Bei ehrbaren Kausleuten wird der Sonderrabatt verurteilt. Lahr: Sonderrabatte sind ein Unfug. Mainz» .... mit den Grundsätzen einer reellen kaufmännischen Geschäftsführung unvereinbar. Minden i/W.: Gegen die Sonderrabatte, da ihr Wesen einen unsoliden Charakter und eine unlautere Tendenz hat. Münch.-Gladbach u. Nordhausen: .... eine Unsitte, gegen Treu und Glauben verstoßend. Osnabrück« ... verwerflich, da mit der Standesehre des Kauf manns unvereinbar. Sorau: ... eine geschäftliche Unsitte und unlauteres Gebaren. Das sind nur wenige Stimmen von vielen, aber doch wohl ausreichend, um die Meinung des Oberlandesgerichts, die Handels kammern fänden nichts Unsittliches in dem Sonderrabatt, zu ent- kräften. Wenn das Reichsgericht als unsittlich im Rechtssinne nur 820*