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Werden ihm dankbar fein. Das Wettrennen um Urauf führungen, die Sensation machen, das Tagesgespräch bilden und schnell wieder versinken, ist nicht im Sinne der wahren Kunst, Die wahre Kunst muß Dauerwerte suchen. Bei einem Überschlag über die verflossene Konzertzeit er gibt sich in diesem Jahre ein recht geringes Fazit an Erfolgen, Ich wüßte nicht, daß irgend eine Sinfonie oder ein sinfonisches Werk, irgend ein Konzertstück von solcher Bedeutung ausge taucht wäre, daß man es in absehbarer Zeit überall zu hören bekäme. Vielleicht liegt das mit daran, daß im vergangenen Jahre der »Allgemeine Deutsche Musikverein« infolge der Liszt-Feier keine Neuigkeitenkonzerte veranstaltet hat. Sind doch gerade die Tonkünstlerfeste dieses Vereins in den letzten Jahren wieder für die moderne deutsche Musik von großer Wichtigkeit geworden, obwohl die Gegner das bestreiten. Manches moderne Werk hat von hier schon einen Rundlauf durch die deutschen Konzertsäle genommen. Das soeben ver öffentlichte Programm des in den letzten Maitagen in Dan - z i g stattfindenden nächsten Tonkllnstlerfestes weist fast ausschließlich Uraufführungen auf und wird uns hoffentlich Werke offenbaren, die eine Zukunft haben. Mit besonderem Interesse steht man der umgearbeiteten Sinfonie des jungen Lendvai, dem Violinkonzert von Noren und dem Klavier quartett von Juon entgegen. Damit komme ich auf andere Musikseste dieses Som mers, Die »Signale« machten kürzlich den treffenden Scherz, baß sie eine Liste von solchen Städten zu veröffentlichen beab sichtigten, in denen in diesem Sommer keine Musikfeste statt- fiuden. Wenn man auch offen sagen muß, daß die Zahl der Musikfefte jetzt schon eine übertrieben große ist, so bilden sie doch in unserem Musikleben einen außerordentlich wichtigen Faktor und sind, solange sie wie bisher Begeisterung und Zu strom des Publikums erzeugen, gewiß berechtigt. In Frank furt a, M, und in Mannheim fanden zwei große Gustav Mahler- Feste statt, Anfang Juni folgt das zweite Brahms-Fest in Wiesbaden, das völlig ausverkauft ist und glänzend zu werden verspricht. In derselben Zeit sind in Breslau und Stuttgart Bach-Feste, Dann kommen die rheinischen Musikfefte; man kann eine lange, lange Reihe aufzählen. Daß diese Feste auch den Mustksortimentern und dem Buchhandel Nutzen abwerfen, ist sicher; bilden doch gerade die Musikalienhandlungen die Zentralen für den geschäftlichen Betrieb solcher Unter nehmungen, Auf ein praktisches und nützliches Unternehmen soll bei dieser Gelegenheit besonders aufmerksam gemacht werden, nämlich auf die von H, Schlemllller in Frankfurt a, M, heraus« gegebenen »Konzertprogramme der Gegenwart«, in denen die wichtigsten Programme aller Konzertunterneh mungen in kurzer übersichtlicher Form regelmäßig veröffent licht werden. Diese Zusammenstellungen regen nicht nur die Künstler an, sondern nützen auch vor allen Dingen den Ver legern, Der früher von Breitkopf L Härtel herausgegebene verdienstvolle Programmaustausch erfüllte seinen Zweck nicht, weil er beschränkt und lückenhaft war. Die Schlemüllerschen Hefte sind vollständiger, aber die Redaktion müßte doch noch mehr bemüht sein, das vorhandene Material wirklich lückenlos zu bringen. Es fehlen, wie mir scheint, manche Konzertuntcr- nchmungen ganz, aber ich zweifle nicht, daß in dieser Richtung das Unternehmen weiter vervollkommnet werden wird. Wie wäre es, wenn der Verlag die Hefte in Zukunft öfter in größeren Auflagen an alle Musikinteressenten und Musikalien händler unentgeltlich verteilte und zur Deckung der Kosten den Inseratenteil in noch praktischerer Form ausbildete? Außer dem »Rosenkavalier« und den »Königskindern« hat die letzte Spielzeit »vielleicht« zwei Opernerfolge von Dauer gebracht, nämlich Kienzls »Kuhreigen« und Waltershausen's »Oberst Chabert«. Wenn auch bei beiden /Werken die nachhaltige Wirkung auf das Publikum sich noch nicht als absolut sicher erwiesen hat, so liegt doch ein Beweis für die Lebensfähigkeit darin, daß zahllose Theaterdirektoren diese Opern angekauft haben und im nächsten Winter zur Aus führung bringen werden. Das Gebiet der Musilalbums zeigt sich als ein un erschöpfliches und immer wieder neu belebtes. Man sollte meinen, daß bei dem Überfluß der letzten Jahre endlich einmal in der Veröffentlichung solcher Sammelwerke ein Stillstand eintreien müßte. Weit gefehlt! Zum Herbst werden wir nach meinen Informationen wieder mit zahlreichen neuen Musil- albums überflutet werden. Die betreffenden Verlagsgcschäfte und auch die Originalveclegec, die Abdrucklizenzen erteilen, müssenaber unbedingt dafür sorgen, daß nicht wieder von vorn herein in den Warenhäusern mit neuen Albums Schleuderei getrieben wird, wie das im vergangenen Winter leider mehr fach zum Schaden der Sortimenter der Fall gewesen ist. RobertLtenau, Publikum, Handelskammern und Rechtsprechung in ihrer Stellung zum doppelten Ladenpreis. Vor ein paar Tagen entschloß ich mich, kurz vor Beginn der Vorstellung ins Theater zu gehen. Da an der Abendkasse Parkett fauteuilplätze für 6.20 nur noch in den Hinteren Reihen vor rätig waren, so nahm ich einen Sitz Orchesterfauteuil, für den ich 7.L0 ^ zu entrichten hatte. Ich erhielt einen Platz in der siebenten Reihe. In der Pause treffe ich einen guten Bekannten: »Na, Sie auch hier? Wo sitzen Sie?« — Er: »Oh« (mit Augurnlächeln), »wir haben ausgezeichnete Plätze bekommen — meine Frau ist auch hier — in der zweiten Reihe Orchesterfauteuil.« — »Ich sitze erheblich weiter hinten, aber Sie haben sich die Plätze natürlich im Vorverkauf besorgt?« — Er (mit verstärktem Augurnlächeln): »Wo denken Sie hin! An der Abendkasse. Steuerbillette L 1.75t — Sie haben doch selbstverständlich auch . ..?« — »Aber natürlich,« beeilte ich mich zu lügen; denn... ich schämte mich meines ehrlich bezahlten Billetts; ich hatte mich übers Ohr hauen lassen, warum sollte ich mich noch unverdient uzen lassen? Ich frage nun. Sind derartige Praktiken noch mit dem geschäftlichen Anstand zu vereinbaren? Und hat der Grundsatz kaufmännischer Reellität an den Theater kassen denn gar keine Gültigkeit? Ich komme als Käufer, der bar zahlt, an die Kasse, um einen nicht zu teuren Sitz zu er stehen, bin aber genötigt, weil die noch vorhandenen Plätze schlecht sind, einen der teuersten Plätze zunehmen,der gleichfalls nochzuwün schen übrig läßt, während die »Eingeweihten« mit den »Beziehungen« anstandslos zwei ausgezeichnete Sitze so gut wie kostenfrei erhalten. Ich bin Kaufmann; wollte ich dem einen Kunden für die gleiche Ware das Vierfache von dem abnehmen, was ein anderer Abnehmer dafür bezahlt, so könnte man mich mit vollem Recht einen Betrüger nennen. Nebenbei möchte ich noch erwähnen, daß die Vorstellung in zweiter oder gar dritter Besetzung gespielt wurde. vr. 0. L. in der B. Z. am Mittag. Eine viel umstrittene Detaillistenfrage, die Frage des sogenannten Sonderrabatts, beschäftigte jetzt zum zweiten Male das Reichsgericht. In dem früheren Prozesse in dem es sich um eine Klage des Vereins gegen Unwesen im Handel und Gewerbe in Dresden gegen das Dresdner Kon fektionshaus Böhme handelte, hatte das Reichsgericht in Über einstimmung mit dem Oberlandesgerichte Dresden dahin ent schieden, daß es nicht, wie der klagende Verein behaupte, unsitt lich sei, wenn einzelnen Käuferklassen in manchen Geschäften sogenannte Sonderrabatte gewährt würden. Unsittlich im Rechts sinne seien nach der Ansicht des Reichsgerichts nur Handlungen, die dem Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden Wider sprüchen. Das könne man aber von dem Sonderrabattsystem nicht behaupten, denn Sonderrabatte würden heutzutage noch vielfach begehrt und ebenso häufig auch gewährt. Wenn auch die auf Ab-