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Nichtamtlicher Teil. Musik und Musikalienhandel. in. Die regelmäßige Folge meiner Berichte ist leider durch dringende berufliche Arbeiten länger, als es mein Wunsch war, unterbrochen worden — die geehrten Leser wollen Las giitigst verzeihen! Ein Hauhtwert meiner Versuche, im Börsenblatt über »Musik und Musikalienhandel« für meine buchhändleri schen Herren Kollegen Nützliches Und Anregendes darzubieten, muß natürlich in der Regelmäßigkeit und in der schnellen Be richterstattung liegen. Der vorhandene gute Wille dazu ist leider nicht immer leicht in die Tat umzusetzen. In Leipzig haben in den letzten Tagen die beiden für den Musikalienhandel wichtigen Vereinsversammlungen stattgefun den, nämlich am 2, Mai die Hauptversammlung des Deutschen Musikalienverleger-Vereins und am 7, Mai diejenige des Vereins der Deutschen Musi kalienhändler, In letzterer war der Besuch von aus wärts ein erfreulich reger, und der lebhafte Meinungsaus tausch dürfte für alle Anwesenden von Wert gewesen sein. Auf beiden Versammlungen hat man sich in erster Linie mit dem Entwurf neuer Verkaufsbestimmungen beschäftigt. Man war sich aber ohne großen Widerspruch darüber einig, daß es einstweilen noch bei den zurzeit üblichen Kundenrabatten bleiben muß. Die Musikverleger haben eine für die Sortimen ter höchst beruhigend wirkende Erklärung abgegeben, dahin gehend, daß man die Sorgen der Sortimenter verstehe und keineswegs beabsichtige, spätere Kürzungen des Kundenrabat- tes auch zu Kürzungen des Händlerrabattes auszunutzen, viel mehr im allgemeinen einen Händlerrabatt von 40—50"/» an erkenne, ohne sich natürlich im einzelnen binden zu können. Im Verein der Deutschen Musikalienhändler ist die Frage wieder angeschnitten worden, ob man bei gänzlicher Abschaf fung des Kundenrabattes doch noch den Musiklehrern und Musikern, d, h, solchen Leuten, die Geschäfte vermitteln, Wie derverkauf an Schüler betreiben oder durch irgendeine Mühe waltung Anrecht auf Vergütungen haben, Ausnahmerabatte offenhalten solle. Über die Sache selbst und über deren prak tische Lösung sind allerdings die Meinungen sehr geteilt, weil die üblichen Gebräuche in den einzelnen Gegenden Deutsch lands ganz verschieden sind. Eine größere Kommission ist eingesetzt worden, die die Rabattfragen studieren und vor allen Dingen auf die Verleger und deren Maßnahmen im Interesse der Sortimenter einzuwirken versuchen soll, Schutz dem Sortimenter! Das war der Angelpunkt der diesjährigen Hauptversammlungen, Die Kapellmeister und Vereinsdirigenten, die Vereins vorstände, Konzertunternehmer und ausübenden Künstler, sie alle beschäftigen sich in der gegenwärtigen Zeit, nach Abschluß des musikalischen Winterhalbjahrs eingehend mit den Vor bereitungen für die nächstwinterlichen Konzerte und musika lischen Unternehmungen, Die Eigenart des Ausbaues unseres deutschen Musiklebens erfordert es, daß schon vor Beginn des Sommers die wichtigsten Entscheidungen und Bestimmungen für die Konzerte des kommenden Winters getroffen sein müs sen, So ist es jetzt auch an der Zeit für die Musikalien händler, Verleger wie Sortimenter, mit den Künstlern und leitenden Persönlichkeiten zu verhandeln, ihnen Neuigkeiten zu empfehlen und sie auf ausführungswerte Werke hinzu weisen, Das Hauptaugenmerk richtet sich dabei immer wieder auf Neuigkeiten, und da drängt sich eine Frage auf, die ein mal näher erörtert zu werden verdient, nämlich: Ist die geradezu epidemisch gewordene Sucht nach Ur« und Erst aufführungen berechtigt? Und warum hört man bei uns so selten von Wiederholungen der in den Konzertsälen Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. bei ihren Erstaufführungen erfolgreich ausgeführten musika lischen Neuigkeiten? Wir haben im wesentlichen zwei Arten von Dirigenten: solche, die im altgewohnten Geleise bleiben und meist immer dieselben Werke auWhren, und solche, die sich auf Erstauf führungen, wenn möglich Uraufführungen kaprizieren. Ge wiß, Erstaufführungen zu veranstalten ist ein Verdienst, ein Verdienst, das den Autoren zugute kommt. Man vergißt aber, daß mit einer Erstaufführung den Beteiligten erst der kleinere Dienst geleistet wird. Der Autor, wie der ihn stützende Ver leger, brauchen auch Wiederholungen dieser Erstaufführungen, Wie ist der Verlauf einer solchen Premiäre? Nehmen wir das Werk eines wirklichen Talents, ein Werk, das tatsächlich Erfolg hat. Es wird mit Pomp die Urauf führung angekündigt. Das Publikum folgt mit Interesse der Darbietung, es zollt dem Komponisten Beifall, die Kritik tritt dem Urteil bei und lobt die Arbeit wie die Aufführung, Nehmen wir diesen, gewiß nicht alltäglichen günstigen Fall an. Was geschieht? — Nach der höchst schmeichelhaften und für Autor wie Verleger aussichtsreichen Premiöre ver schwindet das Werk in der Versenkung, Damit ist dem talent reichen Komponisten ebensowenig gedient wie dem Verleger, der gewöhnlich größere materielle Opfer gebracht hat. Es müßte doch der Stolz des Dirigenten sein, ein Werk, dem er zu solchem Erfolg verholfen hat, zu wiederholen und dadurch den Beteiligten wirklich auch den ideellen wie den so not wendigen materiellen Nutzen zu verschaffen. Eine einzige Auf führung, und wenn sie auch günstig ausgenommen wurde, ge nügt selten, um dem Werk eine weitere Verbreitung zu schaf fen, Die Dirigenten anderer Städte lesen die Berichte, die günstigen Kritiken, die gute Aufnahme beim Publikum, Nach 14 Tagen wird der Bericht durch einen anderen verdrängt. Das Werk ist vergessen. Es ist auch möglich, daß sich die Diri genten sagen: wer weiß, ob der Bericht so ernst zu nehmen war! Wer weiß, ob es lohnt, das Werk bei uns einzuführen! Nein, wenn der Dirigent ein Werk zum Erfolg geführt hat, wenn er dem Komponisten eine berechtigte Anerkennung ver schafft hat, so sollte er ihm auch den zweiten, weit wertvolleren Dienst leisten: er sollte das Werk wiederholen. Die Wieder holung erst beweist, daß der günstige Bericht wirklich so zu ver stehen war und der Erfolg ein gerechter, ein ernsthafter ge wesen ist. Wie ist es denn bei den Bühnenwerken? Erst die häufigen Wiederholungen setzen ein Stück durch. Ein weiteres Beispiel sei ein Werk für Chor und Or chester, Kann der Dirigent nicht den folgenden Winter solch ein Chorwerk wiederholen? Der Chor ist geschult und kann nach einigen auffrischenden Proben im nächsten Winter in kurzer Zeit wieder ganz seine Aufgabe beherrschen. Umsomehr Zeit hat der Dirigent dann für eine andere Uraufführung des Winters übrig. Die Mitwirkenden und die passiven Mit glieder des Chorvereins werden für das Werk tieferes Inter esse gewinnen, werden neue Schönheiten daran entdecken — kurz, werden in nähere Beziehung zu dem Werk und seinem Autor treten. Die Wiederholung macht Eindruck auf die Diri genten anderer Vereine, Damit ist dem Komponisten der rechte Dienst erwiesen. Ganz ähnlich geht es auch mit Or chesterwerken, Welches von all den Werken der letzten Zeit, die ehrlichen Erfolg hatten, hat es zu einer Wiederholung an derselben Stelle gebracht? Weder Taubmann noch Juon, noch Sibelius, noch Hausegger haben solche Wiederholungen aufzuweisen, selbst ein Reger und ein Mahler kaum. Also: der Ehrgeiz des Dirigenten sollte nicht nur dahin gehen, eine Erstaufführung zu veranstalten. Er sollte auch ein Werk, das Erfolg gehabt, tatsächlich durch zusetzen suchen. Die Komponisten und die Verleger 820