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der Sache später herauskommt, ob die Stellen, die er sich geschaffen hat, wie schon einer der Herren andeutete, schließlich auch noch Bücherverkaufsstellen werden, das lasse ich dahingestellt sein. Jedenfalls besteht ein großer Unterschied zwischen seinem Unter nehmen und den öffentlichen Bibliotheken, die Bücher an solche Personen verleihen, die doch nicht in der Lage wären, sie zu kaufen, die immerhin wenigstens eine Anzahl Bücher dem Verleger ab nehmen, das Buchgewerbe fördern, und zum großen Teile Leute sind, die schon Bücherkäufer sind, die eben nur den größten Teil der Bücher, die sie brauchen, nicht kaufen können. Das ist eine ganz andere Sache, als wenn Leute, die keine Bücher kaufen, zum Bücherkaufen erzogen werden sollen dadurch, daß man ihnen die Bücher in dieser Weise ins Haus schickt, und da hat mich Herr Hartmann mit seinen Worten nicht überzeugt. Gerade weil Herr Hartmann ein hervorragender Sortimenter ist, gerade weil er im Vorstand des Börsenvereins sitzt, hätte er meiner Ansicht nach vorsichtig sein sollen, nicht gleich urteilen, nicht gleich dem Manne ins Gesicht springen, (Heiterkeit) sondern sich vorsichtig zurückhalten; er hätte bedenken sollen, daß der jetzige Verbandsvorstand vor nicht gar langer Zeit durch Unvorsichtigkeit in eine recht üble Lage gekommen ist. Ich war vorsichtig, Herr Siegismund war ebenso schlau. Meine Herren! Man muß reden können, aber auch zu Zeiten den Mund halten können. (Große Heiterkeit, stürmischer Beifall.) Herr Hoffmann sagte uns: Was sollen wir an der Sache ändern? Meine Herren, das ist die alte Taktik des Sortimenters und auch des Verlegers, daß man sagt: wir können nichts tun, wir legen die Hände in den Schoß und warten, bis die goldenen Äpfel vom Himmel herunterfallen. Meine Herren, ob wir etwas dagegen ausrichten, ist Nebensache. Ich verlange auch keine Re solution, die hätte keinen Zweck. Ich habe nur den Vorstand ge beten, in seinen Mitteilungen darauf hinzuweisen, daß das Sorti ment gerade so absprechend über die Sache urteilt, wie der Verlag das heute Vormittag getan hat, und daß wir durch diese Be sprechung dem Verlag den Nacken stärken wollen. Natürlich wird jeder einzelne Verleger sich die Sache überlegen; es wird aber eine Menge Verleger geben, die sagen werden, wir wollen das nicht tun, wenn sie zu dem Ergebnis kommen, daß der Vorteil, den die Sache für sie hat; zu den Nachteilen, die sie dem ganzen Buchgewerbe zufügt, nicht im richtigen Verhältnis steht. Es ist ganz klar, daß Scherl durch unsere Verhandlungen nicht veranlaßt werden wird, sein Unternehmen zurückzuziehen; aber Sie haben gesehen, wie es mit der Bücherlotterie war. Wäre da nicht plötzlich Albert Brockhaus als cknxiter tonsns aufgetreten und hätte den Herren ein »guos sgo« zugerufen, so hätten auch da alle Verleger geliefert. So haben sie es nicht getan. Sie sehen, daß die Sachen nicht immer gehen, wie sie gehen wollen, wenn man etwas dagegen tut; sie gehen aber wie sie nicht gehen sollen, wenn man nichts tut. Herr Otto Paetsih (Königsberg): Herr Hartmann hat darauf hingewiesen, daß das Scherlsche Unternehmen Auswüchse zeitigen könnte, denen wir später entgegentreten müßten. Das befürchte ich auch; nur meine ich, wir sollten nicht so lange warten, weil wir, wenn die Auswüchse da sind, nachher wahrscheinlich nichts dagegen werden tun können. Ich fürchte, es würde uns dann gehen, wie es uns mit den Warenhäusern gegangen ist: Die sind in den Buchhandel hineiugekommen, und wir haben jetzt kein Mittel mehr, sie los zu werden. Deshalb sollten wir heute schon das Scherlsche Unternehmen unter energischem Protest ablehnen, denn es ist eine schwere Schädigung des Sortimenter standes. (Bravo!) Noch eins! Die Ausführungen, die Herr Hartmann machte, waren ja zum großen Teil sehr idealer Natur; aber davon können wir nicht leben. Wir müssen rechnen, wir müssen Kaufleute werden; Arbeiten ideeller Art leistet der Sortimenter gerade genug. Herr vr. de Gruhter (Berlin): Meine Herren! Ich kann dem, was hier über das Scherlsche Unternehmen gesagt worden ist, nicht in allem zustimmen. Freilich neige auch ich zunächst dazu, ihm mit derjenigen Antipathie zu begegnen, die hier von der Mehrzahl der Redner zum Ausdruck gebracht ist. Aber wenn ich dann kühlen Sinnes überschaue, wie viele einsichtsvolle Männer außerhalb unserer Gilde und wie urteilsfähige Glieder unseres Standes zu einer günstigen Meinung über das Scherlsche Vor haben gekommen sind, dann werde ich vorsichtig und gehe mit mir zu Rate, ob nicht doch etwa ich im Unrecht und die anderen im Recht sind, und stelle mein letztes Wort zurück. Besonders aber möchte ich dies noch hervorheben. Es ist auch heute wiederum von verschiedenen Rednern auf den Idealis mus des Buchhandels hingewiesen worden, der sich noch immer nicht gewöhnen könne, an solche Dinge statt des Maßstabes einer idealen Entsagung denjenigen eines gesunden Egoismus anzu legen. Meine Herren, ich glaube, diese Auffassung ist irrig, und ich fürchte, an dem harten Urteil, das wir über das Scherlsche Projekt heute gehört haben, hat gerade der geschäftliche Egoismus einen sehr starken, vielleicht zu starken Anteil. Und es ist wohl möglich, daß uns gerade dieser Egoismus das Auge gegenüber denjenigen Vorzügen trübt, die dem Scherlschen Plan nach deni Urteil so zahlreicher geschäftlich Unbefangener für die Hebung der literarischen Bildung anhaften soll. Also meine Herren, brechen wir nicht zu früh und zu heftig den Stab! Erkennen wir auch an, daß Scherl — mag sein nur aus kluger Politik — diesmal große Rücksichten auf den Buchhandel hat nehmen wollen, und gehen wir vor allem nicht mit denjenigen unserer Kollegen ins Gericht, die über die Scherlsche Bibliothek zu einer freundlichen Note gekommen sind, wenn sie es auch unterlassen haben, Herrn Prager vorher zu Rate zu ziehen. Herr A. Nicolai (Karlsruhe): Herr Hoffmann frug, wo eigentlich die Debatte Hinziele. Meine Ausführungen zielten nur dahin, das Bedauern auszusprechen, daß über solche Sachen in unserem Börsenblatt nichts zu lesen ist. Es geht aus seiner vor nehmen Zurückhaltung nie heraus, wenn es gilt, ein kräftiges Wörtlein zu sagen in Angelegenheiten, die das Lebensinteresse des Buchhandels berühren müssen, ganz abgesehen von allen Erwägungen ethischer Art. Da braucht mau sich nicht zu wun dern, wenn ein Verein der Sortimenter sich bildet, der sagt: warum hören wir nichts von den Sachen, an denen wir alle das größte Interesse haben. Das ist auch ein Grund, daß ein solcher Verein sich gebildet hat. Es hat mich gewundert, daß auch über die Frage der Bücher des Deutschen Hauses nichts im Börsen blatt gestanden hat. Es ist eine Erwiderung der Gesellschaft, von der das Unternehmen ausgeht, soviel ich weiß aus dem Schwä bischen Merkur abgedruckt worden, worin es hieß, wir Buchhändler müßten doch dankbar sein, daß wir eine Vermittlergebühr em pfangen können. Ich meine auch da hätte die Redaktion des Börsen blatts ein passendes Wort dazu sagen können. Ich möchte es dem Verbandsvorstand ans Herz legen an den Ausschuß für das Börsenblatt oder den Vorstand des Börsenvereins heranzugehen, um in dieser Richtung auf eine Änderung hinzuwirken. Herr R. L. Prager (Berlin): Nur einige Worte an Herrn vr. de Gruhter. Ob man das nächstemal bei mir anfragen wird, was man Scherl antworten soll, weiß ich nicht; es wäre vielleicht aber ganz nützlich es zu tun. (Heiterkeit.) Ich wundere mich, daß die Ausführungen, die wir heute morgen gehört haben, auf Herrn vr. de Gruhter so wenig Ein druck gemacht haben. Es ist doch heute morgen in überzeugender Weise darauf hingewiesen worden, wie Scherl an der Verflachung nicht nur der Literatur, sondern des ganzen öffentlichen Lebens mitgewirkt hat. Auch wenn wir hier als Buchhändler zusammen sind, dürfen wir sagen, daß wir das Unternehmen nicht für wohltätig für die Volksbildung halten. Wir wollen nicht bloß das Volk zum Bücher kaufen herangezogen wissen, damit wir etwas verdienen, sondern