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2K7, IS. November 1S1L. Nichtamtlicher Teil. «IismUaN >. d. Dtlchn. «uchhand-r 14417 In dieser Verfügung des Herrn Ministers sieht der Ver legerverein eine direkte Schädigung insofern, als er eine Monopolisierung der Lehrbücher fürchtet. Mit Recht verweist er dabei auf Österreich, wo, wie Sie sich erin nern werden, jahrzehntelang ein Staatsmonopol für Lehr bücher bestanden hat und vielleicht -io Molo auch heute noch be steht, obwohl alle Schulmänner dort von jeher diese Einrich tung für einen Krebsschaden erklärt haben. »Für den Lehrcr- stand bedeutet dieses Monopol«, so lautet eines von den Ur teilen, »die Unterbindung einer Hanptader geistigen Lebens und für die Jugend eine unberechenbare Verkürzung an gei stiger Nahrung«. Nu» brauchen wir in Preußen zwar ein der artiges Staatsmonopol nicht zu befürchten, nachdem schon im Jahre 1892 einer der Vorgänger des jetzigen Herrn Ministers, Graf v. Zedlitz-Trlltzschler, hier erklärt hat: ein solcher Un sinn ist mir noch niemals in den Sinn gekommen, und ich glaube, auch keinem meiner Vorgänger. Aber die Befürch tung ist doch nicht von der Hand zu weisen, daß eine Anzahl von ganzen oder halben Privatmonopolen entsteht, und daß diese Monopole ebenso schädlich sind wie Staatsmonopole, darüber kann man kaum verschiedener Meinung sein. Run hat der Herr Regierungsvertreter in der Kommission einige Erläuterungen zur Entstehung dieses Erlasses gegeben, indem er von gewissen Mißstäudcn sprach, die sich bei der Ein führung der neuen Lehrpläne in den Lehrerseminaren heraus- gestellt hätten. Dem will ich nicht widersprechen; das wird sicherlich begründet sein. Auch hat er den Verlegerverein zu beruhigen versucht, indem er jedes Bestrebe» einer Monopoli sierung der Lehrbücher weit von der Hand wies. Ebenso hat der Herr Minister in einem Schreiben vom 4. März dieses Jahres die Besorgnisse des Verlegervereins zu zerstreuen ge sucht. Durch die Verfügung, so führt der Herr Minister aus, werde weder einzelnen Firmen noch einzelnen Büchern ein Monopol erteilt, sondern es solle nur einer mit dem Schul interesse nicht zu vereinbarenden Zersplitterung der Lehr« und Lesebücher vorgcbeugt werden; eine Vereinheitlichung der Bücher für die ganze Monarchie sei überhaupt nicht in Aus sicht genommen, vielmehr durch die Bestimmung ausgeschlos sen: das Lehrbuch hat der Eigenart der Heimat möglichst weitgehend Rechnung zu tragen. Meine Herren, gegen eine solche Auffassung ist natürlich nichts einzuwenden; ich versiehe sehr wvhl, wie der Herr Minister dazu kommt. Ich wäre auch der letzte, jeder Vereinheitlichung der Lehrbücher zu wider sprechen. Es ist selbstverständlich, daß in derselben Stadt, auch z. B. in der Großstadt Berlin, eine gewisse Einheitlichkeit auf diesem Gebiete herrschen muß. Der Wortlaut der neuen Be stimmungen scheint mir auch weniger bedenklich zu sein. Was der Verlegerberein aber befürchtet, das ist die Aus führung dieser ministeriellen Verfügung durch die Nachgeord neten Behörden, und daß diese Befürchtung nicht unbegründet ist, gestatten Sie mir mit einigen Beispielen zu belegen. Der Herr Minister selber schreibt in dieser Verfügung nur vor, daß mit »durchgreifenden« Veränderungen versehene Neu auflagen eines eingeführten Buches aufs neue geprüft werden sollen. Was tut aber z. B. das Provinzialschulkollegium in Magdeburg? Es geht gleich einen Schritt weiter und fordert, daß die Verleger aller »irgendwie« veränderten Auflagen, also auch der, die nach der Ansicht der Verleger kaum verändert sind, um Genehmigung der Einführung nachsuchen müssen. Außerdem legt das Königliche Provinzialschulkollegium in Magdeburg den Verlegern vor der Genehmigung Verpflich tungen auf, z. B. bezüglich der Verteilung der verschiedenen Auflagen aus die verschiedenen Städte, die die Verleger in der ohnehin recht schwierigen Zeit des Schulbüchergeschästs auf das äußerste beengen, ja die sie unter Umständen gar nicht zu erfüllen imstande sind. Ein Versuch der Verleger, sich mit dem Königlichen Provinzialschulkollegium über gewisse Nor- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 79. Jahrgang. men betreffs der Behandlung der Schulbücher zu einigen, ist, wie mir mitgeteilt wurde, gescheitert. Meine Herren, ich kann doch nicht annehmen, daß der Herr Minister diese verschärften Bestimmungen billigt, daß sie der Tendenz seines Erlasses ent sprechen. Ein anderes Beispiel! Die Königliche Regierung in Schleswig hat unter dein 15. Januar d. I. eine Verfügung an die Kreisschulinspcktoren erlassen, in der für die Mittelschulen eine vollständige Uni formierung der Lehrbücher angeordnet wird. So wird für den Religionsunterricht die Herbeiführung einer Einigung auf ein einziges Lese- und Lehrbuch als erwünscht bezeichnet. Das geht doch entschieden zu iveit. Meine Herren, ich gebe zu, daß diese Einheitlichkeit der Lehrbücher den Regierungen die Prüfungsarbeit erheblich er leichtert. Auch bedeutet sie ein Entgegenkommen gegenüber den wenigen Eltern, die von einem Ort nach einem anderen verziehen. Aber — und das ist doch die Hauptsache diese Verfügung widerspricht tatsächlich den Bestimmungen vom 3. Februar 1910, die der Herr Minister erlassen hat und worin der Mittelschule enrpfohlen wird, sich den örtlichen Verhält nissen anzupassen; denn diese Verfügung läuft direkt auf eine Uniformierung hinaus. Und so kann man tatsächlich sagen, daß der Ministerialerlaß vom 13. Februar v. I., wenn das ursprünglich auch nicht seine Absicht gewesen ist, dennoch — ich will nicht sagen — zu rechtlichen, aber zu tatsächlichen Monopolen hindrängt. Ich möchte für diese Behauptung noch einen anderen Be leg beibringen. In Trier gibt es eine Lintzsche Verlagsbuch handlung. In diesem Verlage wird seit Jahr und Tag ein Lehrbuch der Erdkunde von einem Kreisschulinspektor Kerp herausgegeben. Dkds Buch ist in 9. bis 12. Auflage erschie nen und in mehr als 60 Seminaren eingeführt, hat also, wie Sie sehen, die größte Verbreitung gesunden. Eine be sondere Ausgabe für die Präparandenschulen, die in 6. bis 9. Auflage erschienen ist, ist in mehr als 26 Anstalten zur Ein führung gelangt. Was geschieht nun? Ganz plötzlich wird dieses bewährte Buch — man sagte mir, der Verfasser sei auf diesem Gebiet eine gewisse Autorität, und ich bin überzeugt, der Vertreter von Trier wird mir das bestätigen können — durch ein anderes verdrängt, also gewissermaßen verboten. Vor mir liegt eine Verfügung des Königlichen Provinzial schulkollegiums in Koblenz von diesem Jahre — ich bitte um die Erlaubnis, sie verlesen zu dürfen —; da heißt es: Mit Ermächtigung des Herr» Ministers der geistlichen und Unterrichtsangelcgenheiten — Erlaß vom 20. Januar 1012 U III Nr. 8284 — ordne» wir au, daß die in dem Verlag von Ferd. Hirt in Breslau Ostern d. I. erscheinende Sonderausgabe der Seydlitzschen Geographie für Lehrerbildungsanstalten vom Beginn des Schuljahres 1012 ab an den Seminaren und Präparanden- anstalten versuchsweise von unten auf ln den Unterrtchtsgebrauch genommen werde. Bis zum 1.Oktober 1013 erwarten wir Bericht über die Verwendbarkeit des Lehrbuches. An die Herren Direktoren der Lehrer- und Lehrerinnenscminare, Vorsteher und Leiter der Präparanden- und Präparandin- nenanstaltcn der Provinz. Meine Herren, ich bitte Sie, zu beachten: es wird hier ein Buch zur Einführung empfohlen, das noch gar nicht er schienen, das also den Lehrern, die es nachher beim Unterricht benutzen sollen, in diesem Augenblick noch völlig unbekannt ist, und ein bewährtes Lehrbuch wird, wie ich schon sagte, ver drängt, ja geradezu verboten. Nun will ich eins gleich hinzu- fügcn. Der Verleger hat sich, wie ich annehme, durch Ver mittlung des Abgeordneten für Trier, sofort an den Herrn Minister gewandt, und dieser hat durch eine Verfügung vom 20. März d. I. gestattet, daß das Kerpsche Buch an den An stalten der Rheinprovinz und Westfalens, wo es bisher benutzt wurde, vorläufig zu weiterem Gebrauch zugelassen werde. 18M