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Redaktioneller Teil. 282, 8. September 1928. Bis zur nächsten Delegiertenversammlung sollte jedenfalls über diese Frage vollständige Klarheit herrschen. vr. Alfred Druckenmüller. Dem Wunsche einer öffentlichen Besprechung komme ich hiermit nach, und zwar, da die »Geschäftsstelle» wohl nicht ohne Einverständnis mit dem Vorstand Stellung nehmen könnte, nur in Form einer persönlichen, inoffiziellen Meinungsäußerung, um jede Verzögerung zu vermeiden. Allerdings verspreche ich mir von der Beantwortung der hier aufgeworfenen Frage keinen praktischen Erfolg. Denn selbst wenn sie zu verneinen wäre, so wäre, rein formal-rechtlich betrachtet, die frühere Fassung der Not standsordnung, wonach allgemein ein 287»iger Zuschlag festgesetzt ist, weiterhin in Kraft geblieben. Der Willx der Mitglieder ging nämlich nicht dahin, st« sofort gänzlich zu beseitigen, sondern sie mehr oder weniger schnell abzubauen. Wenn es für den Ab bau an der erforderlichen Einigung fehlte, so war «ine solche eben von Vereins wegen überhaupt nicht durchführbar. Daß die vom Verlegerve re ins-Vorstand ausgestellten Richt linien den Charakter einer rechtlich bindenden Bestimmung haben, wird von diesem selbst nicht behauptet. Mithin hat m. E. an der Auffassung, daß der Börsenvereins-Vorstand formalrechtlich den Abbau in der vorgeschlagenen Form nicht habe vornehmen dürfen, und daß seine Verfügung rechtsunwirksam sei, nur der jenige ein praktisches Interesse, der den bisherigen Zustand dem durch den Abbau geschaffenen vorzieht und der gleichzeitig die Regelung des Verlegerbereins-Vorstandes aus der Welt zu schaf fen vermag. Die gestellte Frage lautet: War der Börsenvereins-Vorstand befugt, den Abbau im Zu sammenhang mit den Rabattsätzen vorzunehmen? Die Frage kann in einem doppelten Sinne gemeint sein, 1. im Sinne einer positiv-rechtlichen Befugnis, also einer rein formalrechtlichen Untersuchung; 2. unter Berücksichtigung »richtigen Rechts«, d. h. wirtschaft licher Zweckmäßigkeit und sonstiger Billigkeitserwägungen. Ich nehme an, daß nur die erste, also die positiv-rechtliche Seile einer kritischen Prüfung unterzogen werden soll. Wenn der Vorstand des Börsenvereins den Teuerungs zuschlag von 287» rechtsgültig ausgesprochen hat, und es wird das Verlangen eines Abbaues gestellt, so ist er auch befugt, den Abbau an gewisse Bedingungen zu knüpfen. Die Beseitigung des Sortimenter-Teuerungszuschlags ist bei dieser Regelung für Neuerscheinungen vielleicht nicht einmal als »Ausnahme» gedacht, sondern alsRegel, zumal da tatsächlich bereits ein größerer Teil der Bücher mit 35 7» rabattiert wird. Wenn Herr vr. Drucken müller einwenden wollte, es sei noch weniger die Absicht der Satzungen und der Notstandsordnung gewesen, generell Teuerungszuschlag und Rabattfrage miteinander zu verquicken, so muß doch immer wieder betont werden, daß der Vorstand diese Verknüpfung im Interesse der Beseitigung vorge nommen hat, und daß ihm, wenn er formbll berechtigt war, den 287-igcn Teuerungszuschlag beizubehalten, nicht das Recht abge sprochen werden kann, ihn unter gewissen Bedingungen herab zusetzen. Andernfalls hätte der Börsenvereins-Vorstand, wie gesagt, auch nur erklären können, daß für einen bedingungs losen Abbau keine Einigung zu erzielen sei und daß sonach alles beim alten bleibe. Zuzugebcn ist ohne weiteres, daß unter dem Begriff der Satzungen »allgemein gültige geschäftliche Be stimmungen- schwerlich solche über die Rabatthöhe zu verstehen sind; war diese doch von jeher verschieden und die Möglichkeit einer allgemein gültigen Regelung zum mindesten zweifelhaft. Aber ein Zwang auf die Rabatthöhe wird durch den Börsen« vcreinsvorstand insofern nicht ausgeübt, als das Druckmittel der Sortimcnter-Teuerungszuschlag — bereits bestand. Der Vorstand schreibt nicht vor, daß derjenige, der nicht 357» Rabatt gibt, künftig durch Erhebung eines Zuschlags -bestraft« wird, sondem daß derjenige, der 35"/» Rabatt gibt, künftig bei Neuerscheinungen von einem Zuschläge befreit bleibt. Es ist eben zu berücksichtigen, daß der 287»ige Teuerungszuschlag bereits bestand. Wenn er durch die wirtschaftlichen Verhältnisse überholt war, so ändert dies 18b8 absolut nichts an seiner formalrechtlichen Wirksamkeit bis zu , dem Zeitpunkt, wo ein Aufhebungsbeschlutz bekanntgegeben wird. ^Mit anderen Worten: hätte der Vorstand den Sortimenter-Teuc« ftungszuschiag von 18 auf 287» für diejenigen Verlagswerk« er« ! höht, die nicht in einer bestimmten Höhe rabattiert sind, so wäre ! dies allerdings mit den Satzungen nicht vereinbar. In Wirklich. !keit Haler aber gegenüb e r dem bis dahin bestehen- >den Zustand, rechtlich betrachtet, eine Erleichterung für den Verleger geschaffen, sodaß derjenige, der den verlangten Min destrabatt nicht geben will, nicht schlechter gestellt ist als früher. Wenn von Verlegerseile etwa erwidert wird, der Vorstand hätte ja auch die Regelung des Verlegervercinsvorstandes als allgemein verbindlich festlegen können, sich also hier einseitig auf den Sortimcnterstandpunkt gestellt, so ist folgendes entgcgenzuhalten: 1. Es sollte dem Sortiment ein Recht genommen oder we sentlich beschränkt werden; dies war ohne seine Zustim mung rechtlich unmöglich. Die Zustimmung ist überdies keineswegs ungeteilt; einer großen Zahl der Sortimenter geht auch dieser Abbau des Sortimenter-Teuerungszu schlags zu weit. 2. Es erschien nicht ausgeschlossen, daß eine Mehrheit von Verlegem die Regelung des Börsenvereins anerkennen würde. Hatten sich doch auch im Vorstand die Verleger mitglieder mit ihr befreundet. Es erschien aber ausge schlossen, daß das Sortiment die Bedingungen des Ver« legervereins anerkennt, schon darum, weil nicht ein ein ziger Sortimenter das »Ultimatum» für diskutabel hielt. 3. Die Nachteile, die sich für das Sortiment aus der Rege lung des Verlegervereins-Vorstandes ergeben würden, er schienen Ungleich größer als diejenigen, die sich für den Verlag aus der Regelung des Börsenvereins-Vorstandes ergaben. 4. Die mittelbare Einwirkung auf den Rabatt konnte als nicht unbillig betrachtet werden, weil ein solcher von 357° einem Zuschlag von nur ca. 587° auf den Einkaufspreis entspricht und der Kleinhandel — zumal bei geringwerti gen Objekten — durchweg mit weit höheren Gewinnaus schlägen arbeitet. Im übrigen ist die Frage, inwieweit der Sortimenter-Teuerungszuschlag gekürzt werden kann, unbestreitbar mit dem jeweiligen Bruttoverdienst des Sortiments logisch aufs engste verknüpft. Maßgeblich ist der zuerst genannte Gesichtspunkt. Denn ein« Anordnung des Börsenvereins-Vorstandes ist immer dann und nur dann rechtlich bindend, wenn sie von der Mehrheit seiner Mit glieder gutgeheitzen wird. Hierauf kommt es an, denn der Mehr heitsbeschluß der Hauptversammlung ist der höchste Willens träger jedes Vereins. Freilich können wegen der Zusammen setzung des Börsenvereins von vornherein darüber keine Zweifel herrschen, daß hier die Majorität nicht einfach nach der Kopf zahl gesunden werden kann, daß vielmehr die Vereinigung wider- streitender Jnteressentengruppen stets zu einer Prüfung der Frage zwingt, ob auch innerhalb dieser Jnteressentengruppe selbst eine Majorität besteht, zum miirdesten in den Fällen, wo eine Gruppe auf diese Unterscheidung selbst Wert legt. Wenn hier von nichts in den Satzungen steht, so ist das nebensächlich. Eine größere Zahl grundlegender Vereinsbestimmungen des BGB. sind nicht in den Satzungen enthalten und haben doch unbe- streitbar auch für den Börsenverein Gültigkeit. Das Gegenteil, nämlich die Zulassung einer Majoristerung einer Interessenten- gruppe durch die andere, würde nicht nur mit Treu und Glauben in Widerspruch stehen, sondern'auch mit der Struktur des Börsen vereins selbst, der bei den Bestimmungen im Verkehr der Buch händler untereinander stets an dem Grundsatz festgehalten hat, daß die vertragliche Freiheit des einzelnen gewahrt bleibt, und in ß 2 der Buchhändlerischen Verkehrsordnung den besonderen Vereinbarungen von Firma zu Firma ausdrücklich den Vorrang vor aller Vereinsregelung einräumt. Die Sortimenter, soweit sie etwa der Meinung sind, daß sie für ihre geringere wirtschaftlick>e Macht durch ihre größere Zahl und durch das im höchsten Grade demokratische Stimmrecht im Börsenverein einen Ausgleich be säßen, wären also in einem Irrtum befangen. Dabei sind wieder