Volltext Seite (XML)
268, 16. November 1907. Nichtamtlicher Teil. Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. 12281 Klassen - System dagegen kann sich der Verleger im Laufe der Jahre einen Stamm von mehreren hundert Abonnenten heranziehen; er kann mit der absoluten Sicherheit rechnen, daß von jedem neuen Werk, das er bringt, es mag sein was es will, eine Partie von mehreren hundert Exemplaren schon zum voraus gedeckt ist, und wird in vielen Fällen seine Kalkulation darauf grünoen können. Allerdings ist Voraussetzung, daß durchaus nichts von diesen Werken remittiert wird; denn sonst hätte die Rechnung ein Loch, und die Kalkulation könnte nicht stimmen. — Eine vierte Klasse I) endlich umfaßt Werke, die sich nur an einen beschränkten Abnehmerkreis wenden, und solche, die mit höchstens 33 Prozent geliefert werden können; Subskriptionen auf diese Klasse werden nicht angenommen. Der Schwerpunkt dieser Einrichtung liegt nun aber weniger darin, den Sortimenter zur Subskription auf ein bis drei Werke zu bewegen, die er allerdings mit 40 bis 50 Prozent erhält, von denen ihm aber sicher ein Teil unverkäuflich liegen bleibt, als auf einem ganz andern Ge biete: der subskribierende Sortimenter hat nämlich das Recht, jede in diesem Verlage erscheinende Novität der Klassen L und 6 einmal in beliebiger Höhe zu beziehen, und erhält sie, in Kommission und fest mit einem Rabatt von 40 Prozent. Außerdem werden seine Nachbestellungen bei einzelnen Exem plaren durchweg mit 33 Prozent rabattiert, und bei Lager ergänzungen von wenigstens 50 verschiedenen Werken, einerlei welcher Klasse und welchen Preises — und diese Anzahl ist bei einem großen Pariser Verlagshause bald beisammen —, erhält er wieder 40 Prozent. Bei Ausnutzung aller Vor teile und bei sorgfältiger Führung des Bestell- und Lager buches kann der subskribierende Sortimenter den recht umfangreichen Verlag der betreffenden Firma ziemlich ausnahmslos mit 40 Prozent beziehen. Das ist ein schöner Rabatt, für den der Sortimenter sich gern verwendet und bei dem er auch einige unverkäuf liche Exemplare, die ihm von den Subskriptionsbezügen unzweifelhaft liegen bleiben, leicht verschmerzen kann. Bei diesem System stehen sich beide Parteien gut: der Sortimenter, der zu einem verhältnismäßig geringen Risiko bereit ist, wird durch einen hohen Rabatt dafür ent schädigt und durch einen fast ebenso hohen Rabatt, — dies mal aber ohne Risiko, da ja auch die Kommissionsbezüge mit 40 Prozent geliefert werden, — zu weiterer und dauernder Verwendung angehalten. Auch der Verleger muß dabei auf seine Rechnung kommen, denn sonst würde er diese Be dingungen nicht anbieten. Allerdings muß er die subskri bierten Exemplare mit 40 —50 Prozent Rabatt liefern und für dieselben Werke bei einmaligem Bezüge, aber in beliebiger Höhe und für größere Lagerergänzungen nochmals 40 Prozent gewähren. Das ist viel; aber dafür kann er mit der Sicher heit rechnen, daß jedes neue Werk, das er bringt, schon zum voraus in mehreren hundert Exemplaren als abgesetzt zu betrachten ist, und das trägt viel dazu bei, um einen etwaigen verlegerischen Mißerfolg bedeutend zu mildern. Vor allem erzieht sich der Verleger seine Kollegen vom Sortiment zu einer energischen Mitarbeit; er weiß, daß er sich auf seine Subskribenten verlassen kann, und es hat den Anschein, als ob das selbst mit einem Opfer von 40 Prozent nicht zu teuer bezahlt ist. — Diejenigen Firmen, die nicht subskri bieren, werden dagegen recht stiefmütterlich behandelt. Wäh rend die subskribierenden so reich bedacht werden, müssen sich die andern für alles mit 25 Prozent und 13,12, allerdings beliebig gemischten Bänden, aber in gleicher Preislage, be gnügen. Dieser Unterschied ist recht groß, und die 40 Pro zent stechen denn auch den nichtsubskribierenden Sortimentern so sehr in die Augen, daß ihnen das verhältnismäßig ge ringe Risiko, das ihnen zugemutet wird, doch wohl lieber Börsenblatt sitr den Deutschen Buchhandel. 74. Jahrgang. ist als die magern 25 Prozent; denn die Subskriptionen nehmen zu. — In Frankreich hat sich, wie gesagt, dieses Klassensystem vorzüglich bewährt; vielleicht entschließt sich auch das eine oder andre von den großen deutschen Verlags häusern zu einem Versuch in dieser Richtung. — Auf den ausländischen Buchhandel lassen sich diese Bedingungen leider nicht anwenden, hauptsächlich deshalb, weil dem ausländischen Sortimenter zu viele von den subskribierten Werken, die häufig nur ein speziell französisches oder gar lokales Interesse haben, liegen bleiben würden. Das macht im Laufe der Zeit einen ganz schönen Posten aus; der Sortimenter würde doch versuchen, ihn zu remittieren, und daraus würden sich nur Unzuträglichkeiten für beide Teile ergeben. Viele Verleger machen es auch so, daß sie sowohl in Kommission wie fest ohne Unterschied mit einheitlichem Rabatt liefern, im allgemeinen keine Disponenden gestatten, dafür aber Remittenden in einem gewissen Umfang, häufig 10, aber auch bis zu 20 Prozent vom Saldo annehmen. Auch dieses System hat viel für sich und wäre jedenfalls der Gipfel einer einfachen Abrechnung. Der verhältnismäßig niedrige Satz von 10—20 Prozent, der remissionsberechtigt sein soll, mag dem deutschen Buchhändler befremdlich er scheinen; dabei ist aber zu berücksichtigen, daß in Frankreich ein Barverkehr unbekannt ist. Kommisstons- und feste Bezüge, von denen die letztem weitaus den größern Betrag ausmachen, werden auf ein und dasielbe Konto gebucht, und von dem sich dann ergebenden Gesamtsaldo dürfen 10-20 Pro zent remittiert werden. — Diesen Usus, nur einen gewissen Prozentsatz von Remittenden anzunehmen, finden wir nicht nur bei Büchern, sondern auch bei Zeitschriften. So z. B. nimmt die Firma Pierre Lafitte L Cie. von ihrer bekannten Monatsschrift »3s ssis taut« Remittenden nur in einem Umfange von 5 Prozent zurück und geht darin sehr streng oor. Eigentlich sollten Remittenden von Zeitschriften über haupt nicht Vorkommen; aber demgegenüber ist zu bemerken, daß die Firma Lafitte bei allen ihren sechs Publikatwnen das Hauptgewicht merkwürdigerweise weniger auf einen festen Stamm von Abonnenten legt als auf den Einzelverkauf der Nummern. In meinem Aussatz über die »Uxpo8ition än lüvrs» (vgl. Börsenblatt Nr. 215 v. 14. September 1907) gab ich die Auflage der Monatsschrift »3s ssis tont« auf 200 000 Exemplare an. Inzwischen hat nun die Firma Lafitte einen diese Zeitschrift betreffenden Prospekt heraus gegeben, der hauptsächlich für die Gewinnung von In serenten best ürmt zu sein scheint, und da er öffentlich an jedermann verteilt wird, so glaube ich keine Indiskretion zu begehen, wenn ich einiges aus dem Inhalt dieses Prospekts miltecke, der einen interessanten Einblick in den Vertrieb einer gioßen französischen Zeitschrift gewährt. Hier gibt Herr Lafitte selbst die Auflagenziffer seiner Monaisschrift »3e ssäs tont« mit 215 000 Exemplaren an; davon seien nur 32 000 feste Abonnenten, alles übrige würde im Einzelverkauf vertrieben, und hiervon seien also Remit tenden bis höchstens 5 Prozent zulässig. Um seine Angaben zu erhärten, hat Herr Lafitte seine hauptsächlichsten Abnehmer ersucht, ihm die Höhe ihrer Kontinuaiion brieflich zu bestätigen, und hat diese Briefe auf photographischem Wege im Prospekt wiedergegeben. Dort finden wir nun Kontinuatiom-n in riesiger Höhe: eine Firma in Tou louse ist mit 6800 Exemplaren, eine andere in Brüssel mit 10 200 Exemplaren vertreten; das Lstit 3ourual, das außer dem Verlag seiner eignen Tageszeitung auch noch eine Zeitungsagentur betreibt, bezieht 14 660 Exemplare, ein sehr bekanntes Pariser Kommissionshaus 13 5vo, die durch weg ins Aus and gehen, ganz abgesehen von andern Firmen, die einen Absatz von 9000, 620v, 3700 Exemplaren an geben. Allerdings handelt es sich hier nicht um reine 1599