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7314 Börsenblatt f. d. Dtschn. Buchhandel. Nichtamtlicher Teil. — Sprechsaal. 139, 20. Juni 1910 Personalnachrichten. Ordensverleihung. — Dem Buchhalter H. Frost in Sonderburg ist anläßlich seiner 50jährigen Tätigkeit im Dienste der Firma C. F- la Motte (jetzt »Sonderburger Zeitung«) der Königliche Kronenorden 4. Klasse von Sr. Majestät dem König von Preußen verliehen worden. Sprechsaal. Vorträge und Überproduktion! Eine Mahnung. Trotz der fortgesetzten Klagen über die Flut der literarischen Produktion fahren die Verleger ruhig fort, Konkurrenzausgaben über Konkurrenzausgaben von Klassikern, Anthologien, Sammel werken, wissenschaftlichen Handbüchern usw. zu bringen, in der Hoffnung, durch irgendeine Nuance, durch geschickte »Auf- machung« die Wettbewerber zu schlagen. Dazu kommt nun ein Neues, das den gewissenhaften Sortimenter, der pflichtschuldigst alles kommen läßt, was einmal Gegenstand der Nachfrage in seinem Laden werden könnte, schon oft geärgert hat, wenn er das Börsenblatt und die Zirkulare durchsieht, das ist die sich ins Lächerliche steigernde Zahl der Vorträge, Vorlesungen, die einmal zu irgendeinem Zwecke gehalten sind und nun auch dem deutschen Publikum gedruckt serviert werden müssen. Der Sortimenter, der einen kleinen Lokalverlag hat, weiß von dem Herrn Pastor und dem Herrn Professor ein Lied zu singen, der eine Predigt, einen Vortrag oder gar eine Samm lung solcher von ihm verlegt haben will, weil lobspendende Freundinnen und Freunde ihm den Druck nahegelegt haben. Will der Verlegersortimenter nicht seinen Kunden vor den Kopf stoßen oder nicht in den Ruf eines engherzigen Knickers kommen, so muß er bisweilen in den sauren Apfel beißen. Im »reinen« Verlage aber ist es anders, da machen, wie es mir im Laden mehr als ein Dozent gesagt hat, manche Verleger heutzutage einen förmlichen run um einen Vortrag oder eine Vortragsreihe, wenn der Verfasser einen nur halbwegs bekannten Namen trägt. Wie muß den Herren Autoren zumute sein, wenn sie sehen, daß kein Wort mehr ihrem Munde entfallen kann, ohne daß nicht soundsoviele Verleger sich einstellen, begierig, es durch Druckerschwärze der Nachwelt (?) zu erhalten. Zugegeben, mancher Vortrag hat einen dauernden Wert erlangt, wenn irgend eine neue Ansicht, ein nachher zum Schlagwort gewordenes Wort in ihm zuerst vor der Öffentlichkeit erschienen ist, aber so dicht sind doch solche Vorträge nicht gesät. Was soll der Sortimenter machen, wenn z. B. ein großes Ver lagshaus nach einem Jubiläum den Büchermarkt gleich mit einem halben Dutzend von Reden und Vorträgen über den Gefeierten beglückt? Soll er nicht unlustig werden, wenn er seinen Kunden, denen er Neuerscheinungen ihres Faches vorzulegen den Auftrag hat, immer wieder Vorträge ins Haus schicken muß? Und der Gewinn für seine Liebesmüh? Die buchhändlerische Behandlung erfordert die gleiche Arbeit, wie wenn es sich um ein teures Buch handelt, und dazu noch oft die Antwort: Das habe ich gerade vom Verfasser dediziert erhalten. Beim Verleger liegt die Sache aber doch auch so, Propagandakosten und Geschäfts spesen sind bei einer Broschüre doch auch schwerer einzubringen, als bei einem richtigen Buche. Der Verleger rechne doch einmal recht nach, was er an Broschüren »verdient« (?). Also mehr Mäßigung, ihr Herren Verleger, mehr Rückgrat den Herren Autoren gegenüber, die durch im wahrsten Sinne »billiges« Lob ihrerseits den Druck jedes Vortrages fordern, damit endlich einmal angefangen werde, diese schreckliche Büchermacherei einzudämmen. Ein Universitätsbuchhändler. Büchcrbetteleien. <Vgl, Börsenbl. 1910, Nr. 10, 12, 17, 22, 25, 31.) Aus Verlagskreisen kommen Klagen, daß sich in letzter Zeit Bittgesuche und höfliche Anfragen wegen kostenloser Überlassung von Büchern so kolossal häufen, daß man die Vermutung haben kann, daß von vielen Verlagshandlungen derartigen Bitten bereit willigst Gehör geschenkt wird. Wie schädigend für den ganzen Buchhandel ein planloses Bücherverschenken ist, wurde in diesem Blatte schon des öftern auseinandergesetzt. Möge der Verleger, wenn er bei der Entschließung über solche Bittgesuche seinem guten Herzen nachgeben möchte, doch immer bedenken, daß er nicht nur sich Absatzmöglichkeiten, sondern auch dem Sortimenter Gelegenheit zum Verdienst nimmt, denn eine Vereinigung oder Person, die auf ihre Bittgesuche reich bedacht wird, geht den Weg zum ortsangesessenen Buchhändler so leicht nicht wieder, für sie gilt bald der Grundsatz, daß man Bücher nicht kauft, sondern sich schenken läßt. Der Redaktion liegt z. B. ein Schreiben der »Marburger Freien Studentenschaft« vor, in dem diese zum Ausbau ihrer »modernen Bücherei, die lange Zeit brach lag«, bittet, ihr einige Bücher zur Verfügung zu stellen oder doch zu ermäßigten Preisen zu überlassen. Aber auch Schüler verstehen sich schon auf den Bücherbettel. »Was ein Häkchen werden will, krümmt sich beizeiten«. Dem Professor an einer Universität ging folgende Zuschrift zu. die von ihm pflichtschuldigst mit dem Ersuchen um Erfüllung des ausge sprochenen Wunsches an den Verlag weiterbefördert wurde: » , den 13. Juni 1910. »Hochverehrter Herr Professor! Seit ü'/z Jahren besteht hier ein Schülerverein für Natur kunde mit ungefähr 40 Mitgliedern. Am 7. August vorigen Jahres war es uns vergönnt, in Anwesenheit mehrerer Pro fessoren und Direktoren unsere 200. Sitzung abzuhalten. Satzungsgemäß muß in jeder Sitzung ein Vortrag gehalten werden. Wir sind daher bestrebt, uns eine reichhaltige Bücherei zuzulegen, um den Mitgliedern das Material zu Arbeiten an die Hand zu geben. Dürfen wir wohl die Bitte aus sprechen, uns mit einem beschädigten Exemplar einer älteren Auslage Ihrer Werke zu unterstützen? Oder könnten Sie uns bei der Verlagsbuchhandlung vielleicht ein Freiexemplar erwirken? Sie werden des Dankes unserer wißbegierigen Jüngerschar gewiß sein. Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr sehr ergebener Schülerverein für Naturkunde.« Daß jetzt in der Zeit der Sommerfeste sich die Bitten be sonders häufen, »für die Tombola eines oder mehrere Werke Ihres hochgeschätzten Verlags gütigst spenden zu wollen«, läßt auch einen Unfug erkennen, dem etwas gesteuert werden sollte. Red. Rollgedühren der Spediteure. Schon öfters habe ich die Beobachtung gemacht, daß manche Bahnspediteure keine festen Tarife haben, sondern die Roll gebühren anscheinend nach Gutdünken festsetzen. Die meisten Buchhändler prüfen die Speditionsgebühren garnicht nach, weil sie die Tarife nicht kennen, oder aber sie reklamieren zu hohe Ansätze nicht der Geringfügigkeit der Beträge wegen. Ich habe wiederholt zuviel berechnete Beträge auf meine Reklamation hin zurückerhalten. Es dürfte daher zweckmäßig sein: 1. daß die Verleger mit ihren Spediteuren angemessene feste Sätze vereinbaren und diesen ihre strenge Jnnehaltung zur Pflicht machen; 2. daß im »Börsenblatt« eine Taxe der Speditions gebühren in den größeren Verlagsorten vielleicht in folgender Weise veröffentlicht wird: Ort bis 26 26 bis 60 51 bis 100 Il§ über 100 je 50 IrA Berlin Bonn Breslau Danzig usw. Das Material zu dieser Tabelle dürfte mit Hilfe der Buch handlungen an den verschiedenen Orten wohl zusammenzubringen sein. Auf Grund dieser Taxe wäre die Nachprüfung der Noll- gebühren sehr einfach, anderseits würden auch unberechtigte Rekla mationen vermieden. Ich bitte, meinen Vorschlag zu erwägen. Groß-Strehlitz, 13. Juni 1910. A. Wilpert.